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Thilo Sarrazin, Deutschland auf der schiefen Bahn, Langen Müller Verlag

Die Sehnsucht nach Gleichheit

Die Sehnsucht nach Gleichheit

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Der Irrwitz der heute herrschenden Ideologie, die eine allgemeine körperliche Gleichheit des Menschen postuliert, wurde bereits an anderer Stelle aufgezeigt. Sie ist schlechterdings eine gedankliche Absurdität. Wer sie ernsthaft vertritt, und ihr nicht aus opportunistischen Gründen nachredet, der muß sich daher schon irgendwann einmal entscheiden: Entweder ich folge demjenigen, was mir meine Sinne und mein Verstand offenbaren. Oder aber ich folge meinem Gefühl.

Ein Teil der entwickelten Menschheit hat den zweiten Weg beschritten. Sie wollen nicht wahrhaben, was ihnen die Sinne offenbaren: wie sich die Menschheit in Geschlechter, Völker und Rassen gliedert. Sie wollen nicht wahrhaben, was der Verstand ihnen offenbart: wie man von dieser sinnlichen Wahrnehmung ausgehend unmöglich zu einer Gleichheit des Menschen gelangen kann. Stattdessen geben sie sich mit Wollust einer Ideologie hin, die eben dieses behauptet.

Nichts sehen, nichts denken, sich nur rauschhaft seinen Gefühlen hingeben, so möchte dieser Teil dahindämmern. Das Gefühlsleben bestimmt ihm sein Sehen, sein Denken. Was nicht mit diesem übereinstimmt, erlaubt er sich nicht wahrzunehmen. So lebt er in einer Traumwelt dahin und bemerkt die eigene Verwandlung nicht. Er glaubt immer noch, er würde sehen und denken und die Dinge bei ihrem Namen nennen. Aber das hat er längst verlernt. Er lauscht nur verzückt seiner Ideologie.

Alles muß dem Gefühlsleben als Material dienen

„Es gibt keinen Unterschied zwischen den Menschen“, flüstert ihm diese Ideologie ins Ohr. Und seinen Gefühlen schmeichelnd fährt sie fort: „Nur du kannst das sehen. Du allein und wenige Auserwählte. Andere sind für dein fortschrittliches Denken zu dumm. Achte nicht auf sie. Sie sind böse. Du aber bist gut.“ Honigsüß träufeln die Worte dieser Ideologie. Und immer trunkener taumelt dieser Teil der Menschheit weiter auf abschüssiger Bahn, blind und verstandesentblößt.

Was sich seinen Sinnen zeigt, wird auf die Tauglichkeit reduziert, dem eigenen Gefühlsleben als Material zu dienen: glühende, lodernde Liebesgefühle für die groteskesten Absurditäten. Und grelle, jäh aufflammende Haßgefühle für alle diejenigen, die darin nichts als Absurditäten sehen können. Und im Endstadium ein bis zur Tollheit verfratzter Wahnsinn, dem sich alles unterordnen muß, bis alles in Scherben liegt.

Wer glaubt, dieses Urteil sei zu hart, der gehe doch nur dorthin, wo man die Anhänger jener Ideologie gehäuft findet. Er benutze die sinnliche Empirie, er gebrauche den denkenden Verstand, er widerlege diesen ganzen Unsinn wie er nur möchte – er wird nichts als Gefühle ernten: Schriller Haß, sich überschlagende Stimmen, Tränen in den Augen, furchtsames Umherblicken, ob sein Nachbar auch so fühlt. Kurzum, die ganze Breite menschlicher Gefühle wird er finden, nur eines nicht: ein begründetes Gegenargument.

Wie sollten sie auch. Es wurde ja bereits gezeigt, daß das unmöglich ist. Sie können einen nicht widerlegen, denn wenn Sinne und Verstand gemeinsam auf einer Seite stehen, was soll die andere Seite schon dagegen setzen können? Etwa ihre Gefühle? Ja, ihre Gefühle, die darf man nicht verletzten. Dann werden sie „traurig“, „entsetzt“, „bestürzt“ oder wie sie sonst ihre Wehleidigkeit bezeichnen möchten und ihre Unfähigkeit, wenigstens einen klaren Gedanken zu fassen.

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