BERLIN. Die Ukraine und Polen haben Deutschland für seine Zurückhaltung bei Rüstungslieferungen in die Ukraine. Deutschland müsse seine seine „Selbstbezogenheit“ und seinen „Egoismus“ ablegen und der Ukraine substantielle Hilfe anbieten, forderte Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki laut mehreren Nachrichtenagenturen am Samstag vor einem Treffen mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und dem litauischen Präsidenten Gitanas Nauseda in Berlin. „Nichts wird Putin stoppen, wenn wir nicht entschlossen genug sind. Dies ist ein sehr historischer Moment. Wir haben keine Zeit zu verlieren.“
Deutliche Worte fand Morawiecki für die bisherige Zusage Berlins. „Was für eine Hilfe wurde an die Ukraine geliefert? Fünftausend Helme? Das muss ein Witz sein.“ Auch ukrainische Vertreter hatten zuvor Deutschland und andere Länder zu Waffenlieferungen aufgerufen.
Auch Ungarn und Italien stimmen Swift-Ausschluß Rußlands zu
Bei einer Geberkonferenz für die Ukraine zeigten sich laut britischen Medien rund zwei Dutzend Staaten bereit, „militärische und humanitäre Hilfe“ zu leisten. Großbritanniens Verteidigungsminister Ben Wallace teilte auf Twitter mit, man erwäge alle Optionen, um Kiew in seiner Verteidigung gegen „Präsident Putins grundlose und illegale Invasion“ zu unterstützen. Deutschland hat laut Politico seine Linie geändert und will nun doch Waffen an die Ukraine liefern lassen. Die Bundesregierung erlaubte demnach den Niederlanden, 400 Panzerfäuste an die Ukraine zu senden. Berlin hatte die Panzerfäuste dem Bericht zufolge in der Vergangenheit an die Niederlande geliefert. In solchen Fällen benötigt der betreffende Staat bei einer Weitergabe der Waffen eine Zusage aus Deutschland. Die Bundesregierung hatte bisher eine Lieferung tödlicher Waffen an die Ukraine ausgeschlossen.
Unterdessen gerät die deutsche Regierung wegen seiner Blockadehaltung beim Ausschluß Rußlands aus dem Swift-System in die Kritik. Inzwischen haben auch Ungarn, Österreich und Italien dem Ausschluß zugestimmt. Mehr als 11.000 Finanzinstitutionen in rund 200 Ländern verwenden Swift für die Abwicklung insbesondere internationaler Zahlungen. Ein Ausschluß Rußlands hätte auch weitreichende Folgen für die deutsche Wirtschaft. Finanzminister Christian Lindner (FDP) begründete seine Bedenken deshalb auch mit den massiven Auswirkungen auf den deutschen Markt.
This was a massive convoy of Russian troops including 10-12 howitzers leaving the Kharkiv front line. Maybe Russians are rotating forces or moving them around. The video only has part of the convoy. #CNN #Russia #Ukraine pic.twitter.com/mG6kR2ZGU6
— Frederik Pleitgen (@fpleitgenCNN) February 26, 2022
Ukrainische Armee: „Fällt Bäume, baut Barrikaden, verbrennt Reifen!“
Die ukrainische Armee hat sich derweil laut Bild-Zeitung mit einem dringlichen Appell an die Bevölkerung gewendet. „Fällt Bäume, baut Barrikaden, verbrennt Reifen! Nutzt alles, was Ihr zur Hand habt!“ Die Bevölkerung solle auch Molotow-Cocktails bauen und damit ihr Land verteidigen. „Die Besatzer müssen verstehen, daß sie hier nicht erwünscht sind und dass ihnen in jeder Straße Widerstand geleistet wird. Mögen sie Angst haben, auch nur unsere Städte anzuschauen.“
Nachrichtenagenturen zufolge steht die russische Armee seit Freitag vor den Toren der ukrainischen Hauptstadt Kiew. Auch innerhalb der Stadt würden immer wieder Kämpfe gemeldet. Die Nachrichtenlage ist jedoch weiterhin unklar.
Fires burning near Kharkiv pic.twitter.com/1XaXvPuP3r
— Liveuamap (@Liveuamap) February 26, 2022
Am Freitag hatte Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg angekündigt, erstmals in der Geschichte des Bündnisses die schnelle Einsatztruppe (Nato Response Force oder NRF) zu verlegen. Diese umfaßt rund 40.000 Soldaten. 13.700 werden von der Bundeswehr gestellt. Wohin genau die Nato-Soldaten verlegt werden, ist bislang unklar. 1.200 sollen in die Slowakei, darunter auch eine Kompanie der Bundeswehr.
Demonstrationen für Frieden
In mehreren Ländern gab es zuletzt auch Proteste gegen Rußlands Regierung. In Berlin demonstrierten am Freitag laut Polizei 3.500 Personen für ein Ende des Krieges. Auch am Samstag gab es Proteste in Berlin und Frankfurt am Main. Für Sonntag werden rund 20.000 Demonstranten am Brandenburger Tor erwartet.
In der lettischen Hauptstadt Riga sangen Hunderte die ukrainische Nationalhymne vor der russischen Botschaft.
Letten singen in Riga vor der russischen Botschaft die ukrainische Nationalhymne. Wen das nicht rührt, wissend, welches Schicksal die baltischen Nationen mit anderen osteuropäischen Völkern teilen, dem kann ich nicht helfen. #ukraine https://t.co/XIeB1L3HMe
— Dieter Stein (@Dieter_Stein) February 26, 2022
(ls)