AUSTIN. Der britische Historiker Niall Ferguson hat vor einer Bedrohung der Meinungsfreiheit von linker wie von rechter Seite des politischen Spektrums gewarnt. „Mich besorgt weniger der Inhalt von Theorien als die intoleranten Methoden, mit denen Debatten unterdrückt werden“, sagte er der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.
Ferguson ist Mitbegründer der Universität Austin im US-Bundesstaat Texas. Die Initiatoren der im November ins Leben gerufenen „anti-woke“ Hochschule wollen sich für eine lebendige Debattenkultur einsetzen und lehnen die sogenannte Cancel Culture ab, die in den USA grassiere.
Mit der Gründung der Universität Austin starteten sie den Versuch, eine „streng überparteiliche“ Hochschule aufzubauen, die der akademischen Freiheit gewidmet sei, führte der Historiker aus. Dort würden keine Inhalte gezielt von der wissenschaftlichen Debatte ausgeschlossen. Die Grenze der Meinungsfreiheit orientiere sich aber entsprechend der gesetzlichen Regelung am ersten Zusatzartikel der US-Verfassung.
Ferguson: Verbot, kritische Rassentheorie zu lehren, ist falsch
Auch die „Kritische Rassentheorie“ könne in der neuen Universität behandelt werden. Der Ansatz, nach dem weiße Mehrheitsgesellschaften angeblich immer strukturell rassistisch sind, darf in texanischen Schulen nicht gelehrt werden. Dieses Gesetz halte er für falsch.
„Kritische Rassentheorie sollte mit kritischem Denken zusammengehen. Das bedeutet, daß Studenten gelehrt werden sollte, wie und nicht was gedacht werden soll“, verdeutlichte Ferguson. Er ermutige alle Studenten dazu, die Werke der Schlüsselautoren der „Critical Race Theory“ zu lesen.
Debatte setze gegenseitiges Wohlwollen voraus
Es stehe außer Frage, daß es Rassismus in den Vereinigten Staaten gebe, auch wenn er den Daten nach weniger ausgeprägt sei als in vielen anderen Ländern der Welt. „Das Problem ist, daß man solche Argumente nicht debattieren kann, ohne des Rassismus bezichtigt zu werden.“
Auch wenn er die Antirassismus-Theorie kritische betrachte, plädiere er dafür, über sie zu diskutieren, statt sie zu verteufeln. Ansonsten schaffe man neue Barrieren. „Wir können keine akademischen Debatten führen, wenn der Gegenpartei kein grundsätzliches Wohlwollen entgegengebracht wird“, bekräftigte er. (zit)