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Front National: Le Pens Gratwanderung

Front National: Le Pens Gratwanderung

Front National: Le Pens Gratwanderung

Lep Pen
Lep Pen
FN-Chefin Marine Le Pen auf dem Parteitag des FN in Lille Foto: picture alliance/dpa
Front National
 

Le Pens Gratwanderung

Front-National-Chefin Marine Le Pen hat für ihren Kurs in der Partei nicht nur Beifall erhalten. Teile, die sich als Kern des Front verstehen, reagieren verstimmt bis empört. Sie fürchten eine zu starke Annährung der Partei an das bürgerliche Lager. Von Karlheinz Weißmann.
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Die Berichterstattung über den Parteitag des Front National (FN) hat im wesentlichen zwei Aspekte betont: den Auftritt Steve Bannons und die Ankündigung der Vorsitzenden Marine Le Pen, den Namen des FN in „Rassemblement National“, etwa „Nationale Sammlung“, zu ändern.

Was Bannons Beitrag angeht, wird man sich allerdings schwertun, ihn in irgendeiner Weise mit dem zu verknüpfen, was Madame Le Pen in Lille gesagt hat. Denn Bannons Vorstellungen zielten eindeutig auf eine weitere Radikalisierung der populistischen Bewegungen, während die Vorsitzende des FN in die genau entgegengesetzte Richtung strebt.

Das hat schon zu empörten Reaktionen ihres Vaters – des aus der Partei ausgeschlossenen, aber als Ehrenvorsitzender des Front amtierenden – Jean-Marie Le Pen geführt, und zu scharfer Kritik jener, die sich als Kern des Front verstehen und verstimmt sind über die Kurskorrekturen der Vorsitzenden.

Avancen gegenüber dem bürgerlichen Lager

Es handelt sich dabei um Milieus, die noch für jede Sammlungsbewegung der Rechten im Frankreich der Nachkriegszeit eine Rolle spielten: die „Besiegten von 1944“ und die „pieds noir“, die Algerienfranzosen, beziehungsweise deren Kinder, die traditionalistischen Katholiken, versprengte Royalisten, Militante der nationalrevolutionären Szene, aber auch jene, die als Protestwähler in den achtziger Jahren dazukamen und nun enttäuscht sind über eine Ausrichtung, die man als zu „weich“ betrachtet.

Die gegen die EU und den Euro gerichtete Polemik Marine Le Pens findet hier selbstverständlich Unterstützung wie das Bekenntnis zur Nation, zur „Verwurzelung“ und dem „Souveränismus“. Aber mit Verstörung hat man auf die Avancen gegenüber dem bürgerlichen Lager während des Präsidentschaftswahlkampfs reagiert und die Tatsache, daß sich die Vorsitzende des FN zum Laizismus bekennt und unter ihren Beratern bekennende Homosexuelle hat.

In den Ohren dieser Klientel erinnert die Umbenennung in Rassemblement National auch nicht an den Rassemblement National Populaire der Kollaborationszeit, sondern an die gaullistischen Formationen: den Rassemblement du peuple français, eine von De Gaulle gegründete „Sammlung des französischen Volkes“, mit der er – vorerst vergeblich – eine neue, den Links-Rechts-Gegensatz überbrückende „nationaljakobinische“ Formation zu schaffen suchte, und den „Rassemblement pour la république“, die „Sammlung für die Republik“ des Neogaullisten Jacques Chirac.

„Zu militärisch“

Die Äußerung von Marine Le Pen, daß „Front“ in ihren Ohren „zu militärisch“ klinge, paßt gut zu ihrem offensichtlichen Bestreben, die Partei in Richtung Mitte zu öffnen. Am Emblem des FN will sie allerdings festhalten. Dem ist jedoch keine übermäßige Bedeutung zuzumessen, denn sie hat die Flamme in den Farben der Trikolore bereits so smart gestalten lassen, daß sie mit dem ursprünglichen Motiv kaum noch Ähnlichkeit besitzt.

Das war von Le Pen senior eingeführt worden, um die als verbraucht eingestufte Symbolik der französischen Rechten (insbesondere das Keltenkreuz, das bis dahin dominiert hatte) zu ersetzen. Denn der Front National wurde 1972 mit dem Ziel gegründet, aus den fehlgeschlagenen Anläufen mit einer Partei für den patriotischen Durchschnittsfranzosen (der Poujadismus und die Gefolgschaft Tixier-Vignancours), einer Kaderorganisation der revolutionären Rechten (Jeune Nation, Parti nationaliste) oder einer Organisation nach neulinkem Muster (Ordre nouveau) Erfolg zu haben.

Vielmehr wurde dem italienischen Modell einer breiteren nationalen Bewegung Referenz erwiesen: dem Movimento Sociale Italiano (MSI), der die „fiamma tricolore“ schon seit der Nachkriegszeit als Abzeichen verwendete. Der MSI hatte seinerseits in den siebziger Jahren verschiedene konkurrierende Gruppierungen zu einer „Partei der Rechten“ vereinigt, ohne deshalb dem Erbe Mussolinis ganz abzuschwören.

Hoffnung auf Mitgliederbefragung

Die weitere Entwicklung des MSI beobachtete Le Pen senior allerdings mit demselben Mißtrauen, das er jetzt der Mutation des FN entgegenbringt. Denn der gewöhnlich als „neofaschistisch“ bezeichnete MSI ging seit den neunziger Jahren in eine Richtung, die derjenigen ähnelt, die Marine Le Pen für den FN einschlägt.

1987 hatte Gianfranco Fini die Führung des Movimento übernommen. Er hatte lange Jahre dessen Jugendorganisation geleitet, die die Partei an Radikalität deutlich übertraf. Die Granden des Movimento sahen in ihm deshalb einen würdigen Erben der Überlieferung. Aber Fini erkannte die ausweglose Lage auf Grund der dauernden Isolation des MSI, vollzog eine überraschende Kehre und löste die Partei 1995 auf.

Den Abgang der Nostalgiker nahm er hin und schuf die Alleanza Nazionale, die als moderate Rechtspartei auftrat. Die Entwicklung erschien durchaus erfolgversprechend, bis zu dem Punkt, an dem sich die AN Berlusconis Popolo della Libertà eingliederte und damit als eigenständige Kraft verschwand.

Ob Marine Le Pen das als Menetekel vor Augen steht, ist schwer zu sagen. Fest steht nur, daß sie der Mitgliederbefragung über die künftige Neuausrichtung des Front National mit Optimismus entgegensieht, während ihr Vater grimmig auf das Scheitern seiner Nachfolgerin hofft.

FN-Chefin Marine Le Pen auf dem Parteitag des FN in Lille Foto: picture alliance/dpa
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