Der amtierende EU-Ratsvorsitzende Wolfgang Schüssel kehrte mit einem Koffer voller Ankündigungen vom EU-Frühjahrsgipfel aus Brüssel zurück. Wenn man dem österreichischen Kanzler glaubt, dann wird in Europa statt Massenarbeitslosigkeit schon in einigen wenigen Jahren nahezu Vollbeschäftigung herrschen. Denn durch verstärkte Förderungen von Forschung, Innovation sowie kleinerer und mittlerer Betriebe sollen bis zum Jahr 2010 zehn Millionen neue Arbeitsplätze entstehen. Allerdings wird sich dieses Ziel mit hohen Phrasen alleine nicht verwirklichen lassen. Vielmehr wären einerseits konkrete Maßnahmen und andererseits ein radikaler Kurswechsel in der Wirtschafts- und Sozialpolitik vonnöten. Anstatt mit der EU-Dienstleistungsrichtlinie der hemmungslosen Liberalisierung der Märkte das Wort zu reden, müßten energische Schritte gegen die Auswüchse der Globalisierung unternommen werden, die nicht nur das Überleben unzähliger europäischer Betriebe gefährdet, sondern wegen der Verlagerung von Hunderttausenden Arbeitsplätzen auch zur Verarmung immer breiterer Schichten der Bevölkerung führt. Im Bereich der Energiepolitik wurde der Ankündigungsreigen fortgesetzt. Die Versorgungssicherheit Europas müsse garantiert werden, die Energie müsse für Industrie und Verbraucher bezahlbar bleiben, und die Umwelt soll zugleich möglichst wenig belastet werden, hieß es aus Brüssel. Für die Aneinanderreihung dieser Gemeinplätze hätte es freilich ebensowenig eines Gipfels auf Kosten der Steuerzahler bedurft wie für die angekündigte „Energiepolitik für Europa“. Diese ist nichts mehr als ein weiterer Papiertiger der EU, zumal die geplante EU-Energiestrategie erst bei den Frühjahrsgipfeln einer jährlichen Bewertung unterzogen werden soll. Den „Erfolg“ der EU-Ankündigungspolitik veranschaulicht die Lissabon-Strategie in besonderer Weise. Im Jahr 2000 beschloß die EU-Polit-Nomenklatura, daß Europa binnen eines Jahrzehnts der stärkste Wirtschaftsraum der Welt werden müsse. Sechs Jahre später ist Brüssel bei der Umsetzung keinen Millimeter vorangekommen, und der wirtschaftliche Abstand zu den USA und zu den aufstrebenden Volkswirtschaften Asiens hat sich vergrößert statt verringert. Diese Politik des Scheiterns ist nicht verwunderlich. Denn wie auch sollte eine abgehobene politische Pseudo-Elite in ihrem dichtgedrängten Terminkalender zwischen den einzelnen Selbstbeweihräucherungsspektakeln die Zeit finden, um Lösungsvorschläge zu erarbeiten? Die Sicherstellung der Energieversorgung Europas wollte die EU-Machtzentrale auch zum Anlaß nehmen, um den Mitgliedstaaten weitere Souveränitätsrechte zu entreißen. Der Plan der Kommission, die Strom- und Gasnetze künftig durch eine eigene EU-Behörde zu regulieren, scheiterte am Widerstand der Mitgliedstaaten. Daß die Brüssel Zentralbürokratie, die bereits heute in Form von verschiedenen EU-Richtlinien in den einzelstaatlichen Energiesektor hineinregiert, hier eine besondere Machtgier zeigt, verwundert nicht. Denn die noch bestehende Entscheidungsfreiheit der Mitgliedstaaten in Energiefragen, die für Wirtschaft und Infrastruktur von wesentlicher Bedeutung ist, ist für sie nichts anderes als ein lästiges Hindernis, das sich ihrem Vereinheitlichungswahn entgegenstellt. Andreas Mölzer ist Chefredakteur der Wiener Wochenzeitung „Zur Zeit“ und seit 2004 FPÖ-Europaabgeordneter.