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Berlin als Vorbild

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Sachsen-Anhalt ist ein weithin lahmgelegtes Land. Das wäre mit einer Unmenge Zahlen zu belegen: mit der höchsten Neuverschuldung, dem höchsten Krankenstand, der höchsten Schulabbrecherquote, der niedrigsten Zahl von Patentanmeldungen und Bürgerinitiativen und nicht zuletzt der niedrigsten Geburtenquote. So war auch die Landtagswahl zuvörderst von Unlust geprägt: von der großen Gruppe der Nichtwähler. Mit 44 Prozent Wahlbeteiligung wurde hier ein historischer Tiefstand erreicht; deutlich über die Hälfte der Wahlberechtigten mochte keiner der angetretenen Parteien seine Stimme geben. Schon beinahe traditionell schien hier im Vorfeld das Wahlergebnis so unabsehbar wie nirgends sonst: mit einem Paukenschlag der allerorten plakatierenden DVU wurde nach deren 13-Prozent-Erfolg vor acht Jahren ebenso gerechnet wie mit einem kompletten Regierungswechsel; immerhin lagen noch im Februar CDU, SPD und PDS in den Umfragen nahezu Kopf an Kopf. Nun hat sich bei denkbar kleinster Partizipation des Bürgers nur wenig geändert: Die CDU verlor minimal auf rund 36 Prozent, die SPD kam mit 21 Prozent kaum aus ihrem Tief von 2002 heraus, die PDS mit ihrem Ministerpräsidentschaftsanwärter Wulf Gallert konnte mit 24 Prozent (darunter zwei von drei Direktkandidaten aus der Studenten-, Künstler- und Arme-Leute-Stadt Halle) zur bundesweiten Hochburg anwachsen und ihren Stellenwert als mitteldeutsche Volkspartei bekräftigen. Während DVU mit gerade drei Prozent und Grüne mit 3,5 Prozent an der Fünf-Prozent-Hürde scheiterten, kam die FDP mit unter sieben Prozent unerwartet knapp darüber. Konsterniert zeigten sich am Wahlabend vor allem die DVU-Mannen um deren Spitzenkandidaten Ingmar Knop. Daß eine rechte Partei sogar die Umfrageergebnisse unterlief, war bislang ein unbekanntes Phänomen. Knop erklärte die Schlappe mit dem Umstand, „daß aus allen Rohren auf uns geschossen wurde“. Tatsächlich war im Winter ein parteiübergreifendes Bündnis gegen die DVU initiiert worden. Zuletzt hatte sich eine Medienkampagne bemüht, einen Teil der DVU-Kandidaten als „Importe“ aus anderen Bundesländern zu „entlarven“. Dem Minusland dürfte wenig Neues blühen. Eine Weiterführung der bisherigen CDU/FDP-Koalition – die für immerhin mittlere Pisa-Erfolge, für überdurchschnittliches Wirtschaftswachstum, 20.000 neue Arbeitsplätze und eine Abgabe der „Roten Laterne“ in der Erwerbslosenstatistik sorgte – scheitert an der übergroßen Stimmzahl, die gerade die FDP an die Nichtwähler verlor. Dem lahmen Wahlverhalten ging ein lahmer Wahlkampf voraus, weder der sich knöchern-professoral gebende Ministerpräsident Wolfgang Böhmer (CDU) noch der kindlich wirkende SPD-Spitzenkandidat Jens Bullerjahn, der in seinem Wahlkreis Eisleben kein Direktmandat gewinnen konnte, wagte sich mit einem schärferen Profil hervor. Böhmer bleibt Landesvater und hatte schon im Vorfeld mit einer Großen Koalition geliebäugelt. Ausgerechnet das hartnäckige Eintreten des alten Koalitionspartners FDP gegen eine Mehrwertsteuererhöhung mißfiel Böhmer zuletzt – dabei hatte zunächst er selbst sich gegen die Bundes-CDU mit einer Absage gegen die Erhöhung vorgewagt. Ein rot-rotes Bündnis, rechnerisch problemlos möglich, gilt als extrem unwahrscheinlich. Nur zwei Reibungspunkte machen SPD und CDU in ihrer gemeinsam angestrebten „vernünftigen Sachpolitik“ aus: die Kreisgebietsreform – die Christdemokraten haben eine Reduzierung der 21 Landkreise auf 11 festgelegt, die SPD favorisiert wie die PDS fünf Großkreise – und die Bildungspolitik. Hier hatten CDU und FDP straffere Zügel angelegt: eine verkürzte Grundschulzeit von vier Jahren, Gymnasiallaufbahn nur bei Lehrerempfehlung, Verkürzung auf 12 Schuljahre, stärker leistungsbezogenes Profil. Erst in fünf Jahren dürfen die Sachsen-Anhalter wieder über einen neuen Landtag abstimmen – allzu wild darauf ist man ja hierzulande ohnehin nicht. Foto: SPD und Linkspartei fast gleichauf: Ministerpräsident Wolfgang Böhmer und SPD-Spitzenkandidat Jens Bullerjahn wollen gemeinsam regieren

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