Die Parlamentswahlen vom 27. Februar in Tadschikistan brachten der Volkspartei von Präsident Emomali Rachmonow 80 Prozent der Stimmen. Auch hier gab es keine „orangene Revolution“ nach Kiewer Muster, auch hier wurde nichts dem Zufall überlassen – nur die Methoden waren weit drastischer als in Kirgisien. Tadschikistan – etwa halb so groß wie Italien – gilt heute als gescheiterter Staat in Mittelasien, der von 25.000 Soldaten der mit einem „Freundschaftsvertrag“ verbundenen russischen Schutzmacht zusammengehalten wird, die auch die 1.300 Kilometer lange Grenze nach Afghanistan bewacht. Die Unabhängigkeit begann mit Chaos. Im November 1991 wurde in einer Pseudo-Wahl KP-Chef Rachmon Nabiew zum Staatschef gekürt. Antikommunistische Massendemonstrationen einer Koalition von muslimischen, nationalistischen und westlich-demokratischen Regimegegnern Anfang 1992 zwangen Nabiew, ein Drittel der Parlamentssitze der Opposition anzubieten. Im Süden brachen Kämpfe zwischen Gegnern und Anhängern Nabiews aus – mit Waffen aus dem benachbarten Afghanistan und aus Sowjet-Beständen. Im September 1992 wurde Nabiew mit Gewalt zum Rücktritt gezwungen. Am 24. Oktober 1992 eroberten die Kommunisten die Hauptstadt Duschanbe (1929-1963: Stalinabad) zurück. Doch schon zwei Tage später wurden sie wieder vertrieben. Bis dahin hatte der Bürgerkrieg 18.500 Tote und 300.000 Flüchtlinge die Heimat gekostet – doch es sollte noch schlimmer kommen. Im November 1992 wurde dann der KP-nahe ehemalige Kolchoschef Emomali Rachmanow zum Staatsoberhaupt gewählt. Er sollte eine Koalition mit den Demokraten und Islamisten bilden. Nach ihrem Scheitern ließ er Duschanbe militärisch besetzen. Darauf brachen wieder Kämpfe aus, in denen alte Stammesrivalitäten zunehmend die ideologischen Etiketten überlagerten. Die pro-kommunistischen, von der russischen 201. Motorisierten Schützendivision unterstützten Rachmanow- Leute waren meist Kuljaben aus dem Süden. Dagegen stammten die von dem Professor Said Adbullo Nuri geführten „Islamisten“ fast alle aus dem östlichen Pamir und dem Oberen Garmtal. Islamistische Übernahme Tadschikistans drohte Sie waren mit Ahmed Schah Massud, dem tadschikischen Chef der Nordallianz und Erzfeind der Taliban in Afghanistan, verbündet. Gelegentlich führten abtrünnige Offiziere der Regierungstruppen auf eigene Faust Krieg. Häuptlinge von Räuber- und Drogenhändlerbanden behaupteten ihr eigenes Territorium als örtliche Kriegsherren. Nachdem Vermittlungsversuche von Moskau, Teheran und der Uno stets am Wortbruch Rachmanows scheiterten, willigte er 1997 unter dem Eindruck militärischer Niederlagen in einen Waffenstillstand ein, blieb auf Druck von Moskau und Washington, die eine islamistische Übernahme Tadschikistans befürchteten, jedoch Regierungschef. Ein Drittel der Ministerien sollte die Opposition erhalten. 5.000 bewaffnete Rebellen wurden in die tadschikische Armee eingegliedert. Fünf Jahre Bürgerkrieg hatten 100.000 Menschen das Leben gekostet, darunter auch den österreichischen Oberstleutnant Wolf Sponner, der als Chef der Uno-Beobachtertruppe im September 1995 im Garmtal fiel. Das Land, das zu Sowjetzeiten mit vielen Forschungsakademien zu einer Art Vorzeigeprovinz hergerichtet worden war, war völlig verwüstet. Nichts war erhalten oder repariert worden. Was noch einen Wert darstellte, wurde entweder geplündert oder zerschossen. Weil das Bewässerungssystem zerstört wurde, wurde Ackerland zur Wüste, Industrie zu Schrott, und Facharbeiter zu Subsistenzbauern. Zudem organisierte das benachbarte Usbekistan 1998 einen Überfall auf die zweitgrößte Stadt, das im Norden des Landes gelegene Kodschand (früher: Leninabad), das nur im Sommer über Bergpässe auf tadschikischem Territorium erreichbar ist. Die Usbeken vermuteten in dem gesetzlosen Tadschikistan die Basis usbekischer, von den Taliban unterstützter islamistischer Terroristen. Als der Angriff mit russischer Hilfe zurückgeschlagen wurde, schlossen die Usbeken die Grenze und legten Minenfelder. Als die siegreichen Bolschewisten 1924 Mittelasien in die Sowjetunion zwangen, schnitten sie die traditionellen Khanate so auseinander, daß der pantürkischen Bewegung, die Enver Pascha 1922 gegen die Kommunisten geführt hatte, durch die Schaffung neuer künstlicher Nationalitäten die Grundlage entzogen wurde. Allerdings ließ die grobschlächtige Grenzziehung jede Menge Minderheiten jenseits der nationalen Grenzen – darunter eine Million Usbeken in Tadschikistan – und nahm auf natürliche Gliederungen keine Rücksicht. So trennt eine Grenzschließung das Gros der Straßenverbindungen Tadschikistans nach Rußland, Europa und den Norden des Landes sowie die gesamte Eisenbahnverbindung ab. Willkürliche Grenzziehung als Last der Vergangenheit Wenn jene 600.000 Tadschiken (zehn Prozent der Gesamtbevölkerung) ins Ausland zur Arbeit fahren, kreuzen sie mit der Eisenbahn Duschanbe – Astrachan viermal die usbekische und dreimal die kasachische Grenze – sieben Gelegenheiten, von korrupten Zöllnern verhaftet und geplündert zu werden. Dasselbe gilt für den Warenverkehr. Die Wirtschaft befand sich bis 1997 im freien Fall und stagniert seither. Das Pro-Kopf-Einkommen liegt unter 280 Euro im Jahr. Ein Lehrer verdient auch in der Doppelschicht nur zehn Euro im Monat. Die 39.000 Volksdeutschen sind längst ausgewandert. In den Städten gibt es nur einmal die Woche fließend Wasser und zwei Stunden Strom am Tag. 70 Prozent der Exporte bestehen aus Aluminium der großen Tadaz-Schmelze. Der Rest der legalen Exporte besteht aus Baumwolle, Elektrizität, getrockneten Aprikosen, Karakulschafen und Seidenraupen. Auslandsinvestitionen bleiben aus. Die Auslandsschulden betragen 880 Millionen Dollar bei einem BIP von bestenfalls 1,2 Milliarden Dollar. Deutsche Entwicklungshilfe hat die Brücken und Fähren nach Afghanistan wieder repariert, was sicherlich den einzig florierenden Wirtschaftszweig, den Heroinhandel, an dem auch tadschikische Diplomaten beteiligt sind, sehr belebt und erfreut. Staatschef Rachmonow konzentriert sich derweil weiter auf die Konsolidierung seiner Macht. 1999 ließ er sich von 96,99 Prozent wiederwählen. Bei einem Referendum 2003 ließ er der Einfachheit halber seine Amtszeit bis 2020 verlängern. Die Machtteilung mit der Opposition ließ er schon bald fallen. Die Demokraten sind längst kaltgestellt. Die Islamische Partei der Wiedergeburt ist zwar noch legal, ihr werden aber nur fünf Abgeordnete unter den 63 Sitzen des Parlaments zugestanden. Es gibt in Tadschikistan eine intensive iranische Kulturarbeit, denn die Tadschiken sind persischsprechende Indogermanen, die im 16. Jahrhundert von den Turkvölkern aus ihren Tälern und Oasen ins Hochgebirge verdrängt wurden. Doch die Tadschiken sind Sunniten und so für die religiöse Agitation der schiitischen Iraner eher unempfänglich. Der Alptraum einer islamischen Übernahme Tadschikistans brachte 135 Millionen Dollar an US-Militärhilfe für das Regime – und ließ die Kritik an seinen Untaten verstummen.
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