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Das Ende der Zauberformel ist gekommen

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Das Ende der Zauberformel ist gekommen

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Als letzte Partei legte sich die Schweizerische Volkspartei (SVP) fest. Mit 449 zu sieben Stimmen bestätigte sie auf einem Parteitag letzten Samstag den Konfrontationskurs gegenüber dem Rest des Bundesrates, der Schweizer Regierung. Seit den Nationalratswahlen vom 19. Oktober parlamentarisch stärkste Kraft, verlangt die SVP im Bundesrat zwei Sitze und kandidiert mit Christoph Blocher und Samuel Schmid. Setzen sich ihre Kandidaten nicht durch, will die SVP in die Opposition. In der Schweiz ist das ein unglaublicher Vorgang. Mit 26,6 Prozent (+4,1) hat die SVP 55 Mandate im 200sitzigen Nationalrat, gefolgt von den Sozialisten (SP) mit 23,3 Prozent (+0,8/52). Die liberale FDP kam nur noch auf 17,3 Prozent (-2,6/36), die Christdemokraten (CVP) auf 14,4 Prozent (-1,5/28). Die Grünen steigerten sich auf 7,4 Prozent (+2,4/13, siehe auch JF 44/03). In der traditionellen Konsensdemokratie der Schweiz besteht eine Regierung aus sieben Bundesräten – seit 1959 nach dem „Zauberformel“-Proporz: zwei CVP-, zwei FDP-, zwei SP- und ein SVP-Vertreter. Eine ernstzunehmende Opposition gibt es nicht, alle wichtigen Gesetze müssen aber per Plebiszit bestätigt werden. Die Parteien artikulieren ihre Standpunkte und werben bei den Volksabstimmungen für bestimmte Haltungen. In der Regierung führt das je nach Gesetz zu wechselnden Koalitionen. Alle Parteien sind gleichzeitig Regierungs- und Oppositionspartei. Der Regierung kommt eine übergeordnete „Managementfunktion“ zu. Nach dem neuen Wahlergebnis müßte die CVP als schwächste Kraft einen Sitz an die SVP abgeben. Die CVP weigert sich aber. Und seit der Volksabstimmung zum EU-Beitritt 1992 ist das politische Klima in der Schweiz vergiftet. Die rechtsnationale SVP, die unter dem Chemieunternehmer und Milliardär Christoph Blocher von einer kleinen Bauern-, Gewerbe- und Bürgerpartei zur stärksten Kraft in der Schweiz anwuchs, polarisiert ohnegleichen – speziell mit ihrer Ablehnung von Uno und EU sowie ihrem strikten Kurs gegen die großzügige Asyl- und Einwanderungspolitik. Nicht nur für SP, Grüne und linke Gruppen ist die SVP inzwischen „Haßobjekt“ Nummer eins. Immerhin sind fast alle „linken“ und „liberalen“ Volksbegehren vom Souverän abgelehnt worden – meist mit tatkräftiger „Gegenpropaganda“ der SVP. Doch nun will die SVP nicht nur Korrektiv sein, sondern auch größeren Regierungseinfluß durch zwei Bundesräte. Normalerweise gibt eine Partei mindestens zwei Vorschläge für einen neu zu besetzenden Sitz ab, so daß die anderen Parteien eine Wahlmöglichkeit haben. Daran hielt sich die SVP auch bei der Wahl 1999. Blocher wurde nominiert, gewählt aber Samuel Schmid, der als Blocher-Gegner gilt und Gerüchten zufolge schon geplant haben soll, sich mit seiner Berner SVP abzuspalten und der CVP anzuschließen. Wird diesmal wieder nur Schmid und nicht auch Blocher gewählt, wäre das Ende der „Zauberformel“ besiegelt. Davor haben alle anderen Parteien Angst. In der Opposition könnte sich die SVP bei Volksabstimmungen noch weiter profilieren und gegen die Regierung positionieren. Die Wahrscheinlichkeit eines weiteren Erstarkens wären groß. Nur ein amtierender Bundesrat tritt am 10. Dezember nicht wieder zur Wahl an – Caspar Villiger von der FDP. Mit Christine Beerli und Hans-Rudolf Merz bewerben sich gleich zwei Liberale um den Sitz. Es droht nun erstmals die Abwahl von amtierenden Bundesräten. Im Moment gibt es zwei wahrscheinliche Szenarien: Entweder setzt sich Blocher durch, er kommt in die Regierung, und die Schweiz rückt damit nach „rechts“. Verlierer wäre dann die CVP, von der ein amtierender Bundesrat abgewählt werden müßte. Die CVP versucht aber mit allen Mitteln, ihre zwei Regierungsmitglieder zu behalten. Dafür ist sie sogar zu einem Bündnis mit der SP bereit. Vor allem die 39jährige Ruth Metzler – die „Rita Süssmuth der Schweiz“ – steht unter Beschuß. Als jüngstes Regierungsmitglied aller Zeiten ist sie 1999 mit viel Vorschußlorbeeren gestartet – inzwischen gelten Affären, Opportunismus und Inkompetenz als ihr Markenzeichen. Auch der andere CVP-Vertreter, Joseph Deiss, gilt als farblos. Wenn die SVP zwei Bundesräte stellt, muß ein CVPler gehen. Scheitert aber Blocher, dann ist ein Sitz frei. Die bisher nicht in der Regierung vertretenen Grünen könnten dann diesen Sitz erhalten – SP, Grüne und CVP hätten so eine „linke“ Mehrheit. Die SVP würde sich dann ganz auf außerparlamentarische Aktivitäten konzentrieren sowie mit Plebisziten die Regierung unter Druck setzen – und die Schweiz hätte erstmals wieder eine ernstzunehmende Oppositionspartei.

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