Ein Hauch von Tauwetter lag über Sandra Maischbergers Sendung. War es das Thema „Lügenpresse“, das die Teilnehmer zum maßvollen Umgang gemahnte? Sind es die wachsenden Wahlerfolge der AfD, die dem journalistischen Ethos zur Wiederauferstehung verhelfen? Jedenfalls konnte der Zuschauer bis zur 14. Minute eine erstaunlich konstruktive Gesprächsrunde verfolgen, die durchaus geeignet war, den Vorwurf einer Gleichschaltung und damit einer bloßen Propagandafunktion der Medien zu entkräften.
Wenn der Berliner Busfahrer und Pegida-Teilnehmer Joachim Radke (AfD) gemeinsam mit Ex-Tagesschau-Moderator Ulrich Wickert einen „Einheitsbrei“ der Presselandschaft beklagte, die Bürgerrechtlerin Vera Lengsfeld (CDU) auf manipulierende Formen der Berichterstattungen verwies und der Medienwissenschaftler Gerhard Vowe bemerkte, gesundes Mißtrauen gegen die Presse habe es immer gegeben, dann war das ein Einbruch von Sachlichkeit in das deutsche Fernsehen. Wie gesagt, bis zur 14. Minute.
Selbstdemontage eines Selbstverliebten
Ach, hätte die bis dahin mehr oder weniger still vor sich hin sitzende Internetprominenz Sascha Lobo es weiterhin dabei belassen. Aber in der 14. Minute mußte es einfach aus dem Berufs-Ausrufezeichen heraus. „Ich möchte etwas dazwischengehen und diese Selbstopferinszenierung von Herrn Radke durchbrechen.“ Was folgte war so eine Art Einspieler zum Thema „Arroganz und Abgehobenheit im deutschen Medienbetrieb“, nur daß in diesem Fall das Beispiel neben Radke auf dem Sofa saß.
Was läßt sich zum überdrehten Auftritt Lobos Positives sagen? Was läßt sich überhaupt Positives zu Lobo sagen? Ex negativo zeigte er genau die Verhaltensmuster auf, die viele als abstoßende Bevormundung empfinden. Der Lehrer, der seine Dürftigkeit gegenüber den Belehrten nicht zu erkennen vermag. So aber vollzog sich die Selbstdemontage eines Selbstverliebten, der die unmittelbar Anwesenden wie die Zuschauer vor dem Fernseher peinlich berührt zurückließ.
„Sie korrigieren ihre Fehler nicht“
Bühne frei für den Internetblogger Lobo, der nach quellenkritischem Studium auf dem Internetblog von Lengsfeld Fehler ausgemacht haben will. „Sie korrigieren es ja nicht mal“, giftete er los, Maischbergers Moderation ignorierend. „Sie korrigieren ihre Fehler nicht. Sie ignorieren ihre Fehler. Sie schalten noch nicht einmal ihre Kommentare frei.“ Gewiß ein unverzeihlicher Fehler, zumal wenn der Kommentar von einer überaus bedeutsamen Person stammen sollte.
Lobos Lieblingsadressat sozialpädagogischer Ermahnungen aber blieb Radke, der aus seiner DDR-Erfahrung vor einer Gleichschaltung der Medien warnte. „Fangen Sie doch einmal an zu begreifen, daß Sie hier vor einem Millionenpublikum sitzen und ernsthaft die Geschichte erzählen, daß diese ‘Gleichschaltung’ Ihre Meinung unterdrückt“, echauffierte sich Lobo. „Fangen Sie doch einmal an zu merken, was das für eine Widersinnigkeit in sich darstellt. Das kann doch nicht sein, daß sie das nicht begreifen.“
Radke merkte in der Tat etwas ganz anderes an. „Vielleicht sollten Sie mal merken, daß Sie permanent versuchen, sich intellektuell selbst zu erhöhen.“ Das war bei der 44. Minute. Immerhin gestand der mutmaßlich Erhöhte dem Busfahrer zu, eine „Schwäche“ erkannt zu haben. „Das gestehe ich ihnen zu.“ Zumindest den Rest der Sendung zog er allerdings nicht die einzig angemessene Reaktion. So blieb diese dem Zuschauer überlassen – ausschalten und die Stille genießen.