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Feindbild Islam: Koalition statt Reconquista

Feindbild Islam: Koalition statt Reconquista

Feindbild Islam: Koalition statt Reconquista

Koalition mit dem Islam statt Reconquista: Muslime beten in einer Moschee in Paris
Koalition mit dem Islam statt Reconquista: Muslime beten in einer Moschee in Paris
Muslime beten in einer Moschee in Paris Foto: picture alliance / abaca | Apaydin Alain
Feindbild Islam
 

Koalition statt Reconquista

In seinem Buch „Feinbild Islam als Sackgasse“ wirft Frederic Höfer einen für die konservative Szene ungewöhnlichen Blick auf den Islam. Dieser sei nicht fremd, sondern ein Zeugnis antiker Tradition. Und möglicherweise ein Verbündeter bei der Überwindung der Moderne.
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Schon vor seiner eigentlichen Veröffentlichung sorgte dieses Buch für einigen Wirbel bei Publizisten, Aktivisten und Abgeordneten der konservativen Szene und politischen Rechten. Es enthält, soweit waren sich auch die meisten Kritiker einig, eine recht mutige Fragestellung mit einer ebenso gewagten Antwort. Die Frage? Vordergründig diese: Ist der Islam wirklich der Gegner Europas, des Abendlands oder der politischen Rechten? Frederic Höfer verneint das. Wer verstehen will, wieso er das tut, kommt allerdings nicht um die Frage herum, die der Autor im Laufe des Buches ebenso aufwirft: Was ist eigentlich das Ziel der Konservativen oder der Rechten? Und wer steht diesem Ziel im Weg?

Es sind Namen wie Julius Evola, Annemarie Schimmel und Frithjof Schuon, die erahnen lassen, aus welcher Tradition Höfer kommt. Demnach ist der Islam den Europäern weniger fremd, als es der durchschnittliche Konservative annehmen würde. Vielmehr ist er, wie Höfer ganz wortwörtlich schreibt, ein Produkt der Spätantike, ein „orientalisch-europäisches“ Konglomerat aus griechischer Philosophie und arabischer Symbolik.

Die vormodernen Aspekte des Islams, seine Mythen, sein Kriegertum und seine strengen Hierarchien sind demnach auch keine „fremden“ Eigenschaften, sondern entspringen der antiken Erlebniswelt und einer uns verwandten indoeuropäischen Wurzel. Zumindest solange man der Argumentation der Traditionalisten folgt.

Kritik and liberaler und identitärer Islamkritik

Mit diesem Argument positioniert sich Höfer zunächst gegen jede aufklärerische und liberale Islamkritik. Wer dem Islam seine „Rückständigkeit“ vorwerfe, der argumentiere aus jener Traditionsfeindlichkeit heraus, die auch die westliche Kultur auffresse. Aus geopolitischer Perspektive vertrete er zudem dezidiert uneuropäische Interessen, indem er die amerikanische Expansions- und Destabilisationspolitik im Nahen Osten rechtfertige.

Den illiberalen und identitären Strang der Islamkritik („Der Islam ist ein fremder Machtblock auf dem eigenen Kontinent“) versucht Höfer mit einem simpleren Argument zu kontern: Die Muslime in Europa seien schlicht zu zahlreich, um sie kulturell oder politisch zu bekämpfen. Ein solcher Weg führe direkt in eine Bürgerkriegslogik.

Die traditionale Wende

Frederic Höfer: Feindbild Islam als Sackgasse. 136 Seiten, Jungeuropa-Verlag
Frederic Höfer: Feindbild Islam als Sackgasse. 136 Seiten, Jungeuropa-Verlag, Jetzt im JF-Buchdienst bestellen. >>

Was allerdings sollen stattdessen Ziel und Gegner der Konservativen und Rechten sein? Höfer plädiert für eine „traditionale Wende“. Gemeint ist folgendes: Ziel des Menschen sei es, sich in eine bestimmte Beziehung zu dem zu setzen, was über ihn hinausragt, die Art des „Überschreitens, die den Menschen aus der Befangenheit im Alltäglichen löst und als ‘Horizontbewußtsein’ das Ganze der Welt erfahrbar macht“. Diese Form der Transzendenz habe sich jedoch im Sinne Ernst Noltes von einer „theoretischen“ in eine „praktische“ Transzendenz verwandelt.

Statt durch Wahrnehmung und Bewußtsein überschreite der moderne westliche Mensch die Grenzen seines Menschseins durch Technologie. Er fliegt ins Weltall, vernetzt sich mit der ganzen Welt und träumt davon, als transhumanistischer Computer-Mensch seinen Körper zu verlassen. Ziel des Konservatismus solle nun sein, diesen Prozeß der Ortlosigkeit und Auflösung umzudrehen, also einen Bewußtseinsprozeß zu fördern, bei dem „das zu Überwindende“ mit einem Mal zu einem Rückgewinn wird.

Höfers Ausführungen sind immens spannend zu lesen, größtenteils schlüssig argumentiert und dicht und komplex geschrieben. Seine Denkanstöße lohnen eine Debatte. Einige Kritikpunkte sollten dennoch nicht unerwähnt bleiben. An der von Höfer dargestellten Aufgabe der Konservativen und Rechten gibt es nichts zu rütteln. Ob sich daraus aber bereits eine Komplizenschaft zum Islam ergibt, ist zweifelhaft.

Das beginnt schon damit, daß auch der modernekritische Rechte nicht leugnen kann, wie sehr diese Moderne europäisch ist. Die Logik der Auflösung, der Entropie und der Ortlosigkeit gehen eben wesenhaft aus unserer Kultur hervor. Wer das überwinden will, muß mit dieser Natur rechnen, muß also innerhalb dieser Logik einen Ausweg schaffen. Wenig erfolgversprechend scheint es hingegen, in Richtung einer Kultur zu blicken, aus der kein solcher Auflösungsimpuls hervorgeht und sie schlicht deswegen zum Verbündeten zu erklären.

Die Religion spielt eine Rolle

Ebenfalls kritikwürdig scheint Höfers Auffassung, Alltagskonflikte im Zusammenleben von Europäern und muslimischen Einwanderern seien ausschließlich auf den Status letzterer als „migrantisches Prekariat“ zurückzuführen. Zwar ist es zweifellos richtig, daß die zynische Reißbrett-Migrationspolitik des Westens auch Migranten entwurzelt und damit destruktive Tendenzen in ihren Gemeinschaften bestärkt. Doch bedeutet das nicht, daß die Religion der Einwanderer bei den zahlreichen Konflikten mit Einheimischen keinerlei Rolle spielt.

Wenn, wie neulich im englischen Wakefield geschehen, ein englischer Schüler von seinen Mitschülern mit dem Tode bedroht wird, weil ihm versehentlich ein Koran aus der Hand fiel, hat dies zweifellos eine religiöse Komponente. Oder wäre jemandem ein Fall bekannt, bei dem eine versehentlich beschädigte Bhagavad Gita zu ähnlich angespannten Reaktionen der zahlreichen hinduistischen Einwanderer in Großbritannien geführt hätte? Die unglückliche Position der Einwanderer als importiertes Menschenkapital ist mitschuldig, aber nicht allein ursächlich.

JF 25/23 

Muslime beten in einer Moschee in Paris Foto: picture alliance / abaca | Apaydin Alain
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