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Fake-Profil: Rollstuhl-Bloggerin „Jule Stinkesocke“ hat sich offenbar alles nur ausgedacht

Fake-Profil: Rollstuhl-Bloggerin „Jule Stinkesocke“ hat sich offenbar alles nur ausgedacht

Fake-Profil: Rollstuhl-Bloggerin „Jule Stinkesocke“ hat sich offenbar alles nur ausgedacht

Das mittlerweile gelöschte Twitter-Profil „Jule Stinkesocke“: Das Bild zeigt in Wahrheit eine australische Pornodarstellerin Foto: JF-Screenshot
Das mittlerweile gelöschte Twitter-Profil „Jule Stinkesocke“: Das Bild zeigt in Wahrheit eine australische Pornodarstellerin Foto: JF-Screenshot
Das mittlerweile gelöschte Twitter-Profil „Jule Stinkesocke“: Das Bild zeigt in Wahrheit eine australische Pornodarstellerin Foto: JF-Screenshot
Fake-Profil
 

Rollstuhl-Bloggerin „Jule Stinkesocke“ hat sich offenbar alles nur ausgedacht

Für ihr Engagement beim Thema Inklusion erhielt die Bloggerin und angebliche behinderte Kinderärztin „Jule Stinkesocke“ Preise und Ehrungen. Doch offenbar ist sie weder behindert, noch Medizinerin und auch gar keine Frau. Ein älterer Mann soll Nutzer mit einer falschen Identität mehr als zehn Jahre lang getäuscht haben.
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BERLIN. Die erfolgreiche Bloggerin „Jule Stinkesocke“ hat sich als mutmaßliches Fake-Profil entpuppt. Auf Twitter ist das Konto mit fast 70.000 Followern bereits gelöscht, auch ihre Internetseite ist nicht mehr abrufbar.

Das inzwischen gelöschte Twitter-Profil von „Jule Stinkesocke“
Foto: JF-Screenshot

Die Bloggerin hatte sich als Anfang dreißigjährige Kinderärztin namens Julia Gothe aus Hamburg ausgegeben. Seit 2009 führte sie einen Blog. 2014 setzte sie ihren ersten Tweet ab. Dort stellte sie sich zuletzt so vor: „Linksgrünversifftes rollendes Querschnitzel, manchmal nicht ganz knsuper. Bloggt. Verteilt Drogen an Kinder. Mag Swimbikeroll und Openwater. Pupst im Schlaf.“

Auf beiden Plattformen skizzierte „Jule Stinkesocke“ immer wieder einen angeblichen Schicksalsschlag. Mit 15 Jahren haben sie ein Auto angefahren. Durch den Unfall sei sie querschnittsgelähmt. Die Zeit während der Rehabilitation habe in ihr den Wunsch geweckt, einmal Medizin zu studieren.

Deutsche Welle zeichnete „Jule Stinkesocke“ aus

Mitgliedschaften und Auszeichnungen auf ihrer Internetseite Foto: JF-Screenshot

Zahlreiche Nutzer nahmen Anteil an ihrem Leben, das die junge Frau mit Anekdoten über ihren vermeintlichen Alltag als Behinderte und Ärztin ausschmückte. So berichtete sie von Diskriminierungserfahrungen, wie die Hürden, einen geeigneten Behindertenparkplatz zu finden, aber auch herzergreifenden Geschichten aus ihrer Arbeit.

„Patientin (7) wurde ein Medulloblastom (Hirntumor) entfernt (anschließend Chemo und Bestrahlung). Sie wird morgen in die Neuro-Reha verlegt.“ „Können wir bitte noch ein gemeinsames Abschiedsfoto machen? Ich möchte Sie nicht vergessen. Reminder (dt.: Erinnerung, Anm. d. Red.), warum ich diesen Job mache“, schrieb sie beispielsweise. Immer wieder fiel das Profil aber auch mit zahlreichen unappetitlichen Beiträgen über Exkremente und Fürze auf.

Mißtrauisch wurden anscheinend nur die wenigsten. Selbst Medien prüften die Identität der jungen Frau offenbar nicht.

2012 erhielt „Jule Stinkesocke“ den Preis für den besten Blog von der Deutschen Welle (DW). Der Auslandsrundfunk der Bundesrepublik nominierte mehrere Personen und ließ Nutzer für ihren Favoriten abstimmen. „Persönliches Weblog einer sehr jungen Frau, die mit 15 Jahren durch einen Unfall querschnittsgelähmt wurde. Sie gibt einen sehr direkten und unverblümten Einblick in ihr Leben“, stellte die DW den Blog damals vor. Mittlerweile findet man dort keinen Verweis mehr zu der angeblich behinderten Frau.

„Aktion Mensch“ zeigte „Mutmacherin“

Foto: Aktion Mensch/JF-Screenshot

Im darauffolgenden Jahr berichtete auch die „Aktion Mensch“ über „Jule Stinkesocke“ als „Mutmacherin“. So präsentierten sie eine Auswahl an Sprüchen, die sich die junge Frau als Rollstuhlfahrerin angeblich oft anhören müsse und warb mit ihr für Inklusion.

Leibhaftig trat die Person hinter dem „Jule Stinkesocke“ nie vor die Kamera. Lediglich Profilbilder stellte sie ein. Ihr Twitter-Profilbild zeigte eine unbekannte australische Pornodarstellerin namens Kylie Harris, wie nun bekannt wurde.

Aufgeflogen war das mutmaßliche Fake-Profil letztlich durch Ungereimtheiten, unter anderem, was Aussagen zu medizinischen Themen anging. Den Stein ins Rollen brachte wohl der sich investigativ gebende Twitter-Account „pudelskernspin“. Dieser hat eine Erklärung, warum „Jule Stinkesocke“ offenbar so lange mit den Lügen durchkam: „Warum erst jetzt die Recherche? Ganz einfach: Ein Rolli-Account ist unantastbar, wenn man nicht als ableistisch abgestempelt werden möchte. Das möchte man nicht riskieren.“

Im Impressum wird ein „Markus Werner“ aufgeführt

Das Profil mit fast 24.000 Followern hatte sich auch die Internetseite von „Jule Stinkesocke“ genauer angeschaut. Im Impressum hieß es, der inhaltlich verantwortliche Anbieter sei Markus Werner. In Hamburg gibt es einen Mann mit diesem Namen, der zumindest bis 2019 Vorstandsvorsitzender in einem Verein für inklusiven Sport war. Der Verein erhielt damals den Werner-Otto-Preis und Preisgeld in Höhe von 15.000 Euro, wie ein Artikel des Hamburger Abendblatts belegt. Nicht nur Sportsenator Andy Grote, sondern auch der besagte Markus Werner ist darauf zu sehen.

Auf Twitter gibt es ein Profil, das offenbar Markus Werner mit dem Namen Markus Lindenberg zeigt. Er weist sich dort als Vorsitzender des Sportvereins aus, auch das Foto zeigt die gleiche Person wie auf Foto im Hamburger Abendblatt. Nutzer haben festgestellt, daß der Mann mittleren Alters als auch „Jule Stinkesocke“ Fotos von den gleichen Orten geteilt haben, zum Beispiel einem bestimmten Strandabschnitt am Meer. Es handelt sich jedoch um reine Spekulationen. Lindholz hat sich bislang nicht geäußert und sein Profil auf privat gestellt. (zit)

Das mittlerweile gelöschte Twitter-Profil „Jule Stinkesocke“: Das Bild zeigt in Wahrheit eine australische Pornodarstellerin Foto: JF-Screenshot
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