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Zwischen Gier und Gratismut: Der deutsche Fußball-Eiertanz um Katar

Zwischen Gier und Gratismut: Der deutsche Fußball-Eiertanz um Katar

Zwischen Gier und Gratismut: Der deutsche Fußball-Eiertanz um Katar

Fußball-Fans sind gegen die WM in Katar
Fußball-Fans sind gegen die WM in Katar
Fußball-Fans in Deutschland äußern Kritik an der WM in Katar Foto: picture alliance / Pressebildagentur ULMER | Ulmer
Zwischen Gier und Gratismut
 

Der deutsche Fußball-Eiertanz um Katar

Die kommende Fußball-WM in Katar ist schon vorab im Stimmungstief. Mag der Deutsche Fußballbund noch so viele bunte Kapitänsarmbinden unters Volk bringen, die Heuchelei läßt sich nicht verdecken. Aber auch diverse Bundesligisten profitieren von dem islamischen Land.
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Knapp zwei Monate sind es noch bis zur Fußball-Weltmeisterschaft in Katar. Von Torjubelstimmung ist hierzulande jedoch nichts zu spüren. Nicht nur die politische Lage verdirbt die Vorfreude, sondern auch der Rummel um den Austragungsort. Machtinteressen, vernachlässigte Menschenrechte und moderne Sklaverei – mittendrin der deutsche Fußball. Daß die DFB-Elf trotzdem beim Turnier antritt, paßt zwar zum ökonomischen Kalkül der Bosse, nicht aber zum auferlegten Regenbogen-Image.

Erst vor wenigen Tagen präsentierte Nationaltorwart Manuel Neuer die neue Kapitänsbinde zum anstehenden Turnier. Das gute Stück mit der Aufschrift „One Love“ (bunt und in Herzensform) soll während der WM von sieben weiteren Nationen getragen werden, darunter Frankreich und England. Der DFB möchte damit ein „Zeichen gegen Diskriminierung und für Vielfalt setzen“. Eine allseits bekannte Botschaft der vergangenen Jahre und nichts, was dem gemeinen Stadiongänger nicht schon bekannt wäre.

Ob nun gegen Rassismus, geschlechtliche Diskriminierung oder wie zuletzt eine Schweigeminute für den Klimaschutz: Der deutsche Fußball ist zur Stelle. Und so hangeln sich DFB und Co. von Schweigeminute zu Schweigeminute, verpassen aber dennoch, im entscheidenden Moment den Mund zu öffnen.

Fußball-Funktionäre ducken sich weg

Etwa 6.500 Gastarbeiter aus armen Ländern wie Bangladesch oder Pakistan sind laut einer Recherche der britischen Zeitung Guardian beim Stadionbau für die Weltmeisterschaft umgekommen. Eine blutige Rechnung: Bei 64 angesetzten Spielen bedeutet das 102 Tote pro Spiel. Neben unmenschlichen Arbeitsbedingungen häufen sich zudem Berichte über ausgebliebene Lohnzahlungen. Der Vertreter des Fan-Bündnisses „Unsere Kurve e. V. Frankfurt“ prangerte zudem den Umgang mit Homosexuellen in dem islamischen Land und die Rolle der Frauen an. Der DFB versucht es stattdessen lieber mit kleinlautem Aktionismus: Auf seinem Kongreß sprach er sich für die Einrichtung eines Entschädigungsfonds für Arbeiter aus. Für 6.500 Arbeiter kommt diese Hilfe zu spät.

Zusätzlich hofft der Deutsche Fußballbund auf die Einsicht der Gegenseite: „In einer vielfach von Konflikten geprägten Welt sind wir der Ansicht, daß Verständigung, Austausch und Zusammenarbeit – insbesondere im und durch Sport – notwendig sind, um über politische, religiöse und kulturelle Grenzen hinweg Grundlagen für Verbesserung zu schaffen“. Eine Absage der WM sei außerdem nicht möglich, da es sich um das „bedeutendste Turnier des Weltfußballs“ handle.

Die Feigheit der Verbände ist unerträglich. Eine Absage wäre hingegen ein Statement an den totalitären Staat: Möchtet ihr mit uns kooperieren, dann nur zu freiheitlichen Bedingungen. Über die Schlagkraft einer einzelnen Nation kann gestritten werden, ein Zusammenschluß mehrerer Teilnehmer könnte jedoch zum langfristigen Umdenken anregen.

Stattdessen positioniert sich Fußball-Deutschland in Duckhaltung: Einen totalitären Staat mit erhobenem Zeigefinger und erzieherischer Miene in die Schranken zu weisen, ist grotesk; gehört aber zum Standardrepertoire deutscher Funktionäre.

Ausflüge nach Katar lohnen sich für Vereine

Die gleiche Leidenschaft für den Wüstenstaat hegt nämlich auch der FC Bayern München. Seit 2011 verbringt der Rekordmeister sein Wintertrainingslager in Doha – auch dieses Jahr geht es wieder in die Sonne. Seit 2018 prangt zudem das Logo der katarischen Fluggesellschaft „Qatar Airways“ auf den Trikots der Münchner. Pro Saison kassieren sie dafür einen hohen zweistelligen Millionenbetrag. Mit Kritik an dem Deal konfrontiert, reagierte Ex-Vorstandsvorsitzender Karl-Heinz Rummenigge ebenfalls nur mit dem Dialogvorschlag. Im „Sportschau“-Interview ergänzte er: „Man muß grundsätzlich auch sagen, daß in Katar von allen arabischen Staaten im Moment die besten oder die größten Verbesserungen da sind in Sachen Menschen- und Arbeitsrechte“.

Wie groß müssen die Mißstände in anderen arabischen Staaten sein, um Katar an dieser Stelle als Vorzeige-Staat zu loben? Wann auch in Katar die ersten Regenbogenbinden über den Platz flitzen und die ersten Schweigeminuten abgehalten werden, bleibt abzuwarten. Rummenigge und Co. werden dafür wohl Geduld mitbringen müssen.

Bis dahin vertröstet sich der Fußball-Adel mit einem fließenden Geldhahn. Denn: Die Ausflüge des deutschen Fußballs in den Süden dienen einzig dem finanziellen Zweck. Vereine und Verbände nutzen die Möglichkeit zur Erweiterung des eigenen Vermarktungsgebietes, auch Teams wie der FC Schalke 04 oder Eintracht Frankfurt trainierten bereits in Doha. Katar ist ein Staat, in dem die Eventkultur rund um den Fußball wie in einem Reagenzglas gezüchtet wurde. Der Sport ist dort ein hoch dotiertes Spielzeug für Superreiche. Wer das für das Idealbild des Fußballs hält, der ersetzt die nationale Identität eines Fußballteams auch durch Slogans wie „Die Mannschaft“, läßt Helene Fischer in der Halbzeitpause feiern und unterdrückt die gewachsene Fankultur durch horrende Ticketpreise.

Fußball-Elite interessieren Fan-Proteste nicht

Längst ist dies bis zum durchschnittlichen Fan durchgedrungen. Obwohl die Ticketnachfrage für das anstehende Turnier hoch zu sein scheint, hat der Fußball sich seit der Pandemie noch weiter von seiner Basis entfernt. Auch deswegen bleiben die Proteste aus den deutschen Fanszenen gegen die Weltmeisterschaft laut. Im Pokalspiel gegen den SV Elversberg zeigte die Fanszene von Bayer Leverkusen ein Transparent mit der Aufschrift: „1 Minute gegen Klimawandel? Viel Spaß bei 90 Minuten Klimaanlage in Katar!“

Damit spielten die Leverkusen auf die Schweigeminute des DFB gegen den Klimawandel an. Noch deutlicher präsentierte die Fanszene des FC Bayern, die sich seit Jahren gegen die Partnerschaft mit Katar stemmt, ihre Botschaft an die eigenen Vereinsbosse. Das Transparent der Fans zeigte den Vorstandsvorsitzenden Oliver Kahn gemeinsam mit Vereinspräsident Herbert Hainer vor einer FCB-AG-Waschmaschine. Während auf der Maschine ein Koffer voller Geld steht, waschen die beiden die blutverschmierten arabischen Gewänder mit der Aufschrift „Qatar Airways“.

Bei der deutschen Fußball-Elite haben diese Botschaften längst keine Bedeutung mehr. Der Sport ist nur so lange etwas wert, wie er Unmengen an Geld in die Kassen spült. Die gesellschaftliche Komponente des Fußballs spielt keinerlei Rolle mehr. Für den einfachen Stadiongänger resultiert daraus die Frage: Widerstand oder endgültige Kommerzialisierung? Die Bosse haben ihre Entscheidung längst gefällt.

Fußball-Fans in Deutschland äußern Kritik an der WM in Katar Foto: picture alliance / Pressebildagentur ULMER | Ulmer
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