FRANKFURT/MAIN. So etwas hat es in Deutschland noch nicht gegeben: Das Reportageformat STRG_F, ein Online-Angebot für junge Menschen von ARD und ZDF, veröffentlichte Ende Juli Ausschnitte aus Vernehmungsvideos des wegen Mordes an dem früheren Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke angeklagtem Stephan E.. Die Videos sind echt – keine Frage. Doch was zu einem Publikumshit werden sollte, ist jetzt ein Fall für die Staatsanwaltschaft.
„Ich kann Ihnen den Eingang einer entsprechenden Strafanzeige bestätigen“, erklärte Oberstaatsanwältin Nadja Niesen gegenüber JUNGEN FREIHEIT. „Aufgrund dieser Anzeige ist hier ein Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt eingeleitet worden. Wir ermitteln unter anderem wegen Paragraf 201 Strafgesetzbuch, der Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes.“
Rückblick: Stephan E. wird seit Juni vor dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main wegen Mordes an dem ehemaligen Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke (CDU) der Prozeß gemacht. In der Hauptverhandlung wurden mehrstündige Vernehmungsvideos von dem Beschuldigten durch Beamte des Landeskriminalamtes gezeigt. Ausschnitte dieser Videos veröffentlichte STRG_F am 28. Juli auf seinem YouTube-Kanal, nachdem sie in der Verhandlung gezeigt worden waren. Der Titel der Sendung: „Nazi-Terrorist im Verhör“, bisher wurde es 666.686 Mal aufgerufen.
Material sei den Journalisten zugespielt worden
Es soll sich um Zusammenschnitte aus verschiedenen Vernehmungsvideos handeln. Zu sehen ist in dem fast halbstündigen Film unter anderem, wie Stephan E. die Tat schildert und ein Geständnis ablegt.
Wie die Autoren von STRG_F an die Videos gekommen sind, wollen sie nicht sagen. Die Deutsche Presseagentur schreibt, das Material sei den Journalisten zugespielt worden.
Charlotte Rau, Pressesprecherin des Oberlandesgerichts Frankfurt, sagte gegenüber der JF: „Wir gehen angesichts der Qualität der Aufnahmen davon aus, daß es sich nicht um einen Mitschnitt aus dem Gericht handelt. Niemand hat dort jedoch heimlich gefilmt. Der Senat geht auch nicht davon aus, daß seitens der derzeitigen Verfahrensbeteiligten eine Weitergabe des Materials erfolgte. Auf den weiteren Verlauf des Prozesses hat die Veröffentlichung des Materials keinen Einfluss, da es schon in die Hauptverhandlung eingebracht worden ist.“ Der Pressesprecher der Bundesanwaltschaft, Markus Schmitt, sagte: „Zur Berichterstattung äußern wir uns nicht.“