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1968: Als der Haß fröhliche Urständ feierte

1968: Als der Haß fröhliche Urständ feierte

1968: Als der Haß fröhliche Urständ feierte

Frankfurt
Frankfurt
„Teach-in“ an der Universität in Frankfurt am Main: „Zerschlagt das Ordnungsrecht und seine professionellen bzw. seine professoralen Handlanger“ Foto: picture alliance/dpa
1968
 

Als der Haß fröhliche Urständ feierte

Mit der 68er-Bewegung beginnt die Zeit, in der zahlreiche Studenten zu Straftätern werden. Linksradikale K-Gruppen terrorisieren mißliebige Dozenten und Kommilitonen, die keine linke Meinung vertreten. Andersdenkende werden geschlagen und niedergebrüllt.
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Die Mao-Bibel hat er noch heute. Jürgen Spickhoff steht aus seinem Sessel auf, läuft aus seinem Wohnzimmer. Kurze Zeit später kehrt er zurück, das kleine, rote Buch in der Hand. Es ist das Buch eines kommunistischen Massenmörders, gefüllt mit Inhalten zur blutrünstigsten und grausamsten Ideologie der Menschheitsgeschichte. Mehr als 100 Millionen Menschen wurden im Namen des Kommunismus getötet, unzählige Unschuldige verhaftet, gefoltert, gequält, Massen, die im Wahn der Planwirtschaft elendig verhungerten.

Im Deutschland des Jahres 1968 werden Verbrecher wie Mao, Ho Chi Minh, Fidel Castro oder Che Guevara dagegen von Studenten als Helden verehrt. Jürgen Spickhoff tippt auf das rote Buch. „Das wurde damals überall an den Hochschulen verteilt“, erinnert sich der emeritierte Professor für Kommunikationswissenschaften. Der 75jährige hat es 50 Jahre lang aufbewahrt. Ein Zeitdokument, das ihn an die unruhigen Jahre von damals erinnert.

An den Haß, die Radikalität, den Wahnsinn, die Heuchelei. Als aus gutbürgerlichen Verhältnissen stammende Wohlstandskinder begannen, Revolution zu spielen und sie als „Ersatzreligion“, wie er sagt, anzunehmen. Oftmals jedoch nicht ahnend, welch einer teuflischen Ideologie sie sich als nützliche Idioten andienten.

Schläge, Brüllen, perfide Demütigungen

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Eine Zeit, in der zahlreiche Studenten zu Straftätern werden. Taten, die nie geahndet wurden. Spickhoff erinnert sich noch gut an den Haß, die Intoleranz, die Gewalt. „Der damalige Rektor der Universität Kiel wurde vor dem Haupteingang eines Institutes von Studenten niedergeschlagen. Er mußte ins Krankenhaus transportiert werden“, erzählt er der JUNGEN FREIHEIT. Dem damaligen Volkswirtschafts- und Politikprofessor Werner Kaltefleiter sei ein Suppentopf auf den Kopf geschlagen, dem damaligen Hamburger Bürgermeister Herbert Weichmann (SPD) der Mund zugehalten worden, um ihn am Reden zu hindern.

Spickhoff hatte miterlebt, wie linksradikale Gruppen im Kieler Studentenparlament auftraten, wie sie Andersdenkende schlugen oder niederbrüllten. „Einem Studenten hatten sie das Nasenbein gebrochen, weil er keine linke Meinung vertrat. ‘Da ist das reaktionäre Schwein!’, hatten sie gerufen, ehe sie auf ihn einprügelten. Gewalt wurde als Gegengewalt ausgelegt, weil das System ja bereits als Gewalt bezeichnet wurde.“

Spickhoff, der damals an der Universität Kiel selbst Mitglied des Studentenparlaments war, erinnert sich besonders an eine perfide Demütigung, die dem damaligen Professor Michael Freund angetan wurde, dessen Vorlesungen von linken Studenten gestört wurden. „Der hatte eine schwache Blase und mußte immer pinkeln. Aber die linksradikalen Studenten ließen ihn nicht raus.“ Auf dem gleichen Flur wie Freund hatte auch ein Professor Clausen sein Büro. „Ein Marxist“, wie Spickhoff sagt. Der sei „natürlich nicht gestört worden“.

„Entlarvung des repressiven Herrschaftssystems“

Sogar gegen Gottesdienste hätten die Radikalen die Studenten damals aufgehetzt. In West-Berlin störten sogenannte „Aktivisten“ eine Andacht in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche.

„Spontaneität und Aktionismus brachen sich Bahn in einer Fülle von Demonstrationen, bei denen bewußt die Auseinandersetzung mit Polizei und Ordnungskräften gesucht wurde.“ Ziel dieser Konfrontationsstrategie sei die Solidarisierung von Abseitsstehenden gewesen, die durch das unmittelbare Erlebnis der Gewaltanwendung durch die Polizei für die eigene Sache gewonnen werden sollten. „Entlarvung des repressiven Herrschaftssystems“ nannten die Linken das damals.

Am 2. Juni 1967 war diese Strategie aufgegangen. Als der Student Benno Ohnesorg in West-Berlin bei einer Anti-Schah-Demonstration von dem Polizisten Karl-Heinz Kurras niedergeschossen worden war. Niemand ahnte damals, daß Kurras für die DDR-Stasi arbeitete. Und so sorgte Ohnesorgs Tod entscheidend für eine deutlich verstärkte Ausbreitung und Radikalisierung der Achtundsechziger-Kulturrevolte.

Den Stasi-Hintergrund von Karl-Heinz Kurras hatten die Studenten damals nicht kennen können. Aber konnte ihnen der Terror und die Gewalt des kommunistischen Regimes in China gänzlich verborgen geblieben sein? Zum Teil ja, meint Jürgen Spickhoff. „Es gab damals ja längst nicht so viele Informationen über das Land wie heute.“ In Deutschland existierten gerade einmal zwei Fernsehsender. Und im Gegensatz zu heute habe China sich seinerzeit noch vollkommen von der Welt abgeschottet.

Den bürgerlichen Staatsapparat zerschlagen

Durch die mangelnde Kenntnis der Verhältnisse in China hatten kommunistische Kader und Einflüsterer an den Hochschulen nach 1968 leichtes Spiel. „Anfang der siebziger Jahre hatte der Kommunistische Bund Westdeutschland, der KBW, bei Wahlen an der Universität Kiel fast 30 Prozent der Stimmen erzielt“, sagt Spickhoff. Deren außenpolitisches Ziel sei es gewesen, revolutionäre Bewegungen in der Dritten Welt zu schaffen. Innenpolitisch habe der KBW den bürgerlichen Staatsapparat zerschlagen wollen. Wenn nötig mit Gewalt.

Eine Mitarbeit an Hochschulen und Betrieben habe man nur dann als sinnvoll angesehen, wenn sie der Zersetzungsarbeit diente. Dabei seien die Mitglieder derartiger Gruppierungen einer starken Kontrolle und Disziplin unterworfen gewesen. Ihre Führungsorgane bestimmten Aktionen und Aufgaben des einzelnen, selbst dessen private und berufliche Ambitionen.

„Sehr gefährlich war aber vor allem die DKP-Strategie des Marsches durch die Institutionen“, erklärt Spickhoff und beschreibt gegenüber der JF, wie ihre Mitglieder für diesen Weg vorbereitet wurden. „Die DKP erhielt bei Wahlen nur wenige Prozente, aber sie hatte viele Mitglieder.“ Mitglieder, deren Marsch durch die Institutionen laut Spickhoff den eigentlichen Erfolg der DKP begründeten.

Das verhaßte System infiltrieren

„Ihre Kader impften ihnen ein, sich in Positionen des Staatsapparats, der Medien, der Schulen oder der Gewerkschaften stets korrekt zu verhalten und keine formalen Fehler zu begehen.“ Ganz nach der Lehre Lenins waren sie aufgefordert, sich zu verstellen und ihre politische Gesinnung zu verleugnen oder zu verbergen, um das ihnen verhaßte System erfolgreich infiltrieren zu können. Auf diese Weise gelangten sie in die Betriebs- und Personalräte, in die Chefetagen der Medienkonzerne, in die Schaltstellen von Verwaltung und Justiz oder in die Klassenzimmer der Schüler. Posten, die allesamt gut geeignet sind, um den Rechts- und Wertekanon der westlichen Gesellschaft zu sabotieren.

Spickhoff, der sich später auch als Ratsherr in der Stadt Kiel kommunalpolitisch engagierte, erinnert sich, wie er an der Kieler Volkshochschule auf alte Bekannte aus Studententagen traf. ‘Moment mal, die kenne ich doch alle, die sind doch als Lehrer abgelehnt worden, wieso können die jetzt hier wieder auftauchen?’, habe er sich damals gefragt. Er stellte eine Anfrage an den Stadtrat. Wie es angehen könne, daß Mitglieder kommunistischer Parteien plötzlich an den Kieler Volkshochschulen unterrichteten, wollte er in Erfahrung bringen. Die Anfrage versandete. „Niemand ist dem ernsthaft nachgegangen.“ Viele Extremisten seien daher unbehelligt geblieben.

„Die meisten von ihnen haben eine Anpassungsfähigkeit entwickelt, wenn sie in andere Milieus hineingerieten, zum Beispiel selbst Eltern werden oder die elterliche Firma übernehmen.“ Auch würden sie sich stets aktuellen Trends anpassen. Aber: „Die in den kommunistischen Gruppen erlernten Grundsätze bleiben, auch wenn sich die Lebensverhältnisse vollkommen verändert haben.“ Ein Umstand, der nicht nur in Deutschland unterschätzt wurde.

Schüler verweigerten die Arbeit

Wie sich der durch die Achtundsechziger bedingte Wertewandel im Alltag vollzog, hatte Bernhard Krumrey als Schüler in Kiel vor fünfzig Jahren miterlebt. Der Oberstudienrat erinnert sich noch gut an eine Deutschaufgabe für die Oberprima. Besinnungsaufsatz, Dauer: fünf Unterrichtsstunden. „Die Schüler wollten nicht und verweigerten die Arbeit. Zwei Stunden später sah sich der Lehrer gezwungen, das Thema zu wechseln.“ Nicht mehr der Lehrer, sondern die Schüler bestimmten die Agenda.

„Am Montag morgen mußten wir immer auf dem Schulhof antreten. Gemeinsam ging es dann in die Aula, in der dann gesungen und eine Andacht gehalten wurde. Das wurde nun nicht mehr zum Zwang erhoben. Also ging auch keiner mehr hin“, erinnert sich der 67jährige. Plötzlich sei über eine Rauch­erlaubnis für die Oberstufe diskutiert worden. Darüber, ob es nicht menschenunwürdig sei, einen Entschuldigungszettel von einem damals noch als minderjährig geltenden Achtzehnjährigen zu verlangen, wenn er dem Unterricht ferngeblieben sei. Begleitet von einer entsprechenden Berichterstattung in der Lokalzeitung, die das Vorgehen der Schule als unzeitgemäß kritisiert habe.

Lehrer wurden beschimpft und beleidigt. „Es gab anonyme Flugblätter und Drohungen gegen einzelne Lehrer und das Establishment der Schule.“ Eine Bombendrohung ging bei der Schulleitung ein. „Die ganze Schule mußte geräumt werden, die Polizei durchsuchte stundenlang das Gebäude, und die Schüler hatten nach Hause zu gehen“, schildert Krumrey das damalige gereizte Klima. Die Drohung sollte sich als makabrer Schülerstreich herausstellen.

Springer war begeistert

Wenige Jahre später zeigte Bernhard Krumrey, daß man den Spieß auch umdrehen kann. Als Student, der sich im RCDS engagierte, protestierte er mit weiteren Studenten gegen die Berliner Mauer. „Wir hatten uns in der Kieler Fußgängerzone als Volkspolizisten verkleidet, Steinblöcke und Stacheldraht mitgenommen und eine Mauer gebaut.“

Eine Weile geschah nichts. „Aber dann gab es einen großen Auflauf. Die Leute waren verblüfft, aber nicht erbost.“ Schließlich sei die Zeitung aufgetaucht. Und die Polizei, die die Aktion auflöste. „Wir würden den Fußgängerfluß stören, das ginge nicht“, hätten die Beamten ihnen zu verstehen gegeben.

Der folgende Zeitungsartikel war einem gewissen Axel Springer nicht verborgen geblieben. Haßobjekt der 68er, die seinen Medienkonzern seinerzeit enteignen wollten. „Er war von unserer Aktion so begeistert, daß er uns in sein Penthouse im obersten Stockwerk des Springer-Hauses einlud“, erzählt Krumrey der JF. Ob sich die heutige Konzernführung bei Aktionen gegen kommunistisches Unrecht noch ähnlich begeistert zeigen würde?

JF 22/18

„Teach-in“ an der Universität in Frankfurt am Main: „Zerschlagt das Ordnungsrecht und seine professionellen bzw. seine professoralen Handlanger“ Foto: picture alliance/dpa
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