WITTENBERG. Die sogenannte „Judensau“ an der Außenwand der Wittenberger Stadtkirche soll entfernt werden. Das fordert das „Bündnis zur Abnahme des Reliefs im Reformationsjahr 2017“. Das 700 Jahre alte Steinrelief zeigt eine Sau, an deren Zitzen Juden säugen. Dadurch sollten im Mittelalter Gläubige der mosaischen Religion geschmäht werden.
Initiatoren des Bündnisses sind der evangelische Leipziger Pfarrer Thomas Piehler und Schwester Joela Krüger von der Evangelischen Marienschwesternschaft in Darmstadt. Sie rufen dazu auf, zwischen dem 17. Mai und 21. Juni jeweils mittwochs in der Zeit von 15 bis 19 Uhr eine „stille Mahnwache“ auf dem Marktplatz in Wittenberg abzuhalten. Luthers Antisemitismus dürfe nicht länger „in Stein gehauen“ bleiben, heißt es in dem Aufruf zur Begründung.
„Unter die Schuld der Väter stellen“
Das Festhalten an der dargestellten „Judensau“ wäre ein „tragisches Fehlsignal an die Gesellschaft und für unsere jüdischen Mitbürger“. Piehler hatte bereits in der Vergangenheit die Schuld der evangelischen Kirche während der Zeit des Nationalsozialismus angeprangert und heutige Christen dazu aufgerufen, sich in einer „solidarisierenden Beugung mit unter diese Schuld der Väter zu stellen“ und Gott nochmals in aller Klarheit um Vergebung zu bitten.
Ziel der Initiative ist die Beseitigung der Skulptur durch den Gemeindekirchenrat der Stadtkirche. Anschließend soll sie nach dem Willen der Initiatoren in einem Museum untergebracht werden. Die bisher im Boden vor der Stadtkirche eingelassene Gedenktafel stelle zwar eine historisch wertvolle Errungenschaft gegen kirchlichen und lutherischen Antisemitismus dar, heißt es in dem Schreiben weiter. Allerdings könne nur die Entfernung der Schmähskulptur die ernsthafte Abkehr der evangelisch-lutherischen Kirche von ihrem geschichtlichen Erbe des Antisemitismus sichtbar machen.
Der Pfarrer der Stadtkirche, Johannes Block, verwies auf Anfrage der Evangelischen Nachrichtenagentur idea auf eine Stellungnahme des Gemeindekirchenrates zu dem Relief. Darin wendet er sich gegen eine Entfernung: „Geschichte läßt sich nicht einfach entsorgen. Sie gemahnt uns an Dunkles, auch bei dem großen Reformator Martin Luther und seinen Zeitgenossen.“ Im Herbst vergangenen Jahres hatte sich auch die Landesbischöfin der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland, Ilse Junkermann, für den Erhalt ausgesprochen: „Es muß als Erinnerungs- und Mahnzeichen stehen bleiben.“ (idea/tb)