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Über den Zinnen weht die Flagge des Artus

Über den Zinnen weht die Flagge des Artus

Über den Zinnen weht die Flagge des Artus

 

Über den Zinnen weht die Flagge des Artus

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Cato, Palmer, Exklusiv

Schloß Malbrouck bei Manderen, an der Grenze zwischen Lothringen und dem Saarland, entspricht praktisch allen Klischees, die man mit einer Ritterburg verbindet, und ist insofern ein besonders geeigneter Ort für eine Ausstellung über den Drachen, die Abkunft dieses mythischen Tiers, seine Verbreitung und seinen Wandel von den Ursprüngen in China bis zur Präsenz des Ungeheuers auf fast allen Kontinenten. Das Wort „Drachen“ wird abgeleitet vom griechischen Verb derkomai, was soviel wie „starren“ bedeutet. Sehr wahrscheinlich bezog es sich ursprünglich auf das drohende Starren der Schlange, und die Ähnlichkeit von Schlange und Drachen ist auch heute noch unmittelbar einsichtig. Vor allem an seinen Anfängen erschien der Drache als große Schlange, die zwar fliegen konnte, aber keine Flügel besaß, sondern sich um die eigene Achse drehend in den Himmel schraubte. Ein Grund für die Auffassung von der Identität Schlange/Drachen ist möglicherweise auch die Assoziation von windender Fortbewegung mit dem Lauf des Wassers. Denn die ältesten schlangenartigen Drachen, für die die Ausstellung einige besonders schöne Beispiele aus China und den von China kulturell beeinflußten Gebieten zwischen Indonesien, Japan und dem Hochland des Himalaya bereithält, wurden regelmäßig als Hüter des Wassers, der Quellen ebenso wie des Regens, verehrt. Alle anderen Funktionen – vom Schatzhüter über das Machtsymbol bis zum Garanten der Fruchtbarkeit – erscheinen demgegenüber sekundär. Von China ausgehend hat sich die Drachenvorstellung seit dem 2. vorchristlichen Jahrtausend allmählich verbreitet, allerdings blieb sie ganz wesentlich auf den eurasischen Raum beschränkt. Australien, Afrika jenseits der Sahara, die arktischen Gebiete und die beiden Amerikas kennen zwar gewisse analoge Figuren – etwa die göttliche gefiederte Schlange Quetzalcoatl der Azteken -, aber keine Drachen im engeren Sinn. Im Mittelalter glaubte man an die Existenz realer Drachen Weiter machen die Exponate deutlich, welche Veränderung die äußere Gestalt der Drachen im Zuge der Ausbreitung erlebte. Eine von Anfang an erkennbare Tendenz zum Chimärischen (der chinesische Drachen hatte bei schlangenhaftem Leib mehrere Klauen und häufig den Kopf eines Tigers oder ähnlichen Raubtiers) wurde hier immer stärker, führte zur Vermehrung der Kopfzahl, der Hinzufügung von Flügeln und einer Art Panzerung, die in der Schuppung des Leibes nur vorgebildet war. Die Ausstellung macht diesen Vorgang mit einer Vielzahl eindrucksvoller Stücke sehr gut erkennbar und weist in demselben Zusammenhang auch auf eine gewisse Verschiebung der Interpretation hin. Dabei verfällt man nicht in die naiv dualistische Auffassung von einem „guten“ östlichen und einem „bösen“ westlichen Drachen, sondern bezieht ausdrücklich die Schrecklichkeit des asiatischen Drachen ein. Allerdings ist unbestreitbar, daß mit der Übernahme des Drachen in die persische, dann die europäische und das heißt vor allem biblisch-christliche Vorstellung eine Tendenz angelegt war, die immer stärker dazu neigte, den Drachen als das Sinnbild des Übels schlechthin aufzufassen. Das hat schon mit dem Auftreten von Leviathan als der Chaosschlange oder dem Chaosdrachen in den Psalmen des Alten Testaments zu tun, der von Gott besiegt wurde, um die Schöpfung vor dem Einbruch des großen Durcheinander zu bewahren. Ausschlaggebend war aber die Identifikation von Schlange, Drachen, Teufel und Antichrist, wie sie sich in der christlichen Theologie unter dem Eindruck der Apokalypse des Johannes bildete. Die intensive Beschäftigung des Mittelalters mit dem Drachen zeigte immer einen stark religiösen Bezug, ohne daß deshalb die reale Existenz des Drachen in Frage gestellt wurde. Dagegen hatte es schon in der Antike einzelne Naturbeobachter gegeben, die das Vorhandensein von Monstren aus prinzipiellen Erwägungen ablehnten. In einer eigenen Abteilung wird auf Schloß Malbrouck auch dieser Debatte nachgegangen, bis hin zur Präsentation von fossilen Knochen, die man noch im 17. und 18. Jahrhundert als Beweis für die Existenz von Drachen wenigstens in einer fernen Vergangenheit betrachtete. Die Entdeckung der Saurier hat dann im 19. Jahrhundert – als der Drachen im Westen nur noch ein Teil der Folklore war – zu einer Wiederentdeckung und zu einem letzten Wandel des Drachenbildes beigetragen, insofern als gerade Künstler von der Idee fasziniert waren, die Mythologie durch Rückgriff auf die Gestalt der Riesenechse neu zu präsentieren. Die Ausstellung räumt wegen des europäischen Schwerpunkts nicht nur dem Drachen, sondern auch den Drachenkämpfern einen wichtigen Platz ein und läßt deren Reihe mit den heidnischen Göttern – besonders eindrucksvoll ein berittener Horus aus dem 3. Jahrhundert, der das Nilkrokodil mit dem Speer tötet – und Heroen, vor allem Perseus und Herakles, beginnen, um dann zu der großen Zahl christlicher Heiliger zu kommen, unter denen Sankt Georg der berühmteste und Sankt Margarete, die einen Drachen besiegte und wie ein Hündchen an ihrem Schal führte, die am wenigsten bekannte sein dürfte. In diesem Kontext wird auch darauf hingewiesen, daß eigentlich alle christlichen Drachentöter immer nur taten, was durch den Sieg des Erzengels Michael über den großen Drachen archetypisch vorgegeben war, der seinerseits symbolisch wiederholte, was Christus mit seiner Auferstehung getan hatte. Dieser Vorstellung entsprechend findet sich auch ein Tafelbild, das Christus zeigt, wie er einen Drachen mit der Kreuzesfahne niederstreckt. So eindeutig die negative Konnotation des Drachen in der westlichen Welt zu sein scheint, so hätte man sich doch gewünscht, daß auch die gegenläufigen Tendenzen im Abendland eine gewisse Beleuchtung erfahren hätten. Denn während es in der Ausstellung sehr eindrucksvolle Beispiele für die Rolle des Drachen in der chinesischen Herrschaftssymbolik gibt, fehlen entsprechende Hinweise für den europäischen Raum völlig. Zwar weht über den Zinnen des Schlosses eine walisische Flagge mit dem roten Drachen des König Artus, aber man erfährt nirgends etwas über diesen interessanten (und keineswegs ganz marginalen) Aspekt in der Deutung des Drachens. Denn es gab seit der römischen Zeit und bis zum Beginn der Moderne andauernd eine Tradition, die ursprünglich iranische Motive aufgenommen hatte und in England, Wales und Deutschland dazu führte, daß der Drachen neben dem Adler als das „Kaisertier“ (Karl Fürst Schwarzenberg) aufgefaßt wurde. Ein Besuch der Ausstellung ist unbedingt zu empfehlen Dieser Einwand besagt allerdings nichts gegen die positive Beurteilung der Ausstellung auf Schloß Malbrouck insgesamt. Nach dem Scheitern einer großen Exposition zum selben Thema im Hamburger Völkerkundemuseum 1993 und der ausgezeichneten Präsentation des Diözesanmuseums Freising über Sankt Georg 2001 wird man die Veranstaltung als außerordentlich gelungenen Versuch werten müssen, einem breiteren Publikum diese nicht nur bunte und exotische, sondern in mehr als einer Hinsicht aufschlußreiche Figur der Mythologie näherzubringen und verständlicher zu machen. Die Qualität der vorgestellten Stücke, die stimmungsvolle Unterbringung in den Türmen des Schlosses, der Verzicht auf die sonst übliche Effekthascherei, die konsequente Dreisprachigkeit der Tafeln (französisch, deutsch, englisch) und die gute Erreichbarkeit von Deutschland aus machen einen Besuch unbedingt empfehlenswert. Die Ausstellung auf Schloß Malbrouck bei Manderen ist noch bis zum 31. Oktober zu sehen. Mo. 14 bis 18 Uhr, Di.-Fr. 10 bis 18 Uhr, Sa./So. bis 19 Uhr. Der Eintritt kostet 6,50 Euro, ermäßigt 5 Euro. Tel.: 00 33 (0)3 82 82 42 92; Internet: www.chateau-malbrouck.com . Zur Ausstellung sind ein Ausstellungsbuch (kart., 86 S., zahlr. Abb., 10 Euro) und ein von Zeev Gourarier, Philippe Hoch und Patrick Absalon herausgegebener, sehr guter Begleitband mit verschiedenen Abhandlungen zum Thema (kart., 318 S., zahlr. Abb., 35 Euro) erschienen.

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