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Regelverletzungen

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Politische Auseinandersetzungen in Deutschland führen in zunehmendem Maße an den eigentlichen Problemen vorbei. Jüngste Beispiele sind der Propaganda zur Wahl und den Auseinandersetzungen um die K-Frage zu entnehmen. Man fühlt sich an Bertolt Brecht erinnert: „Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus; aber wo geht sie hin?“ Die beharrliche Weigerung Gerhard Schröders, das Ergebnis vom 18. September anzuerkennen und die daraus erforderlichen politischen und persönlichen Konsequenzen zu ziehen, wurde weitgehend psychologisch erklärt und damit auf seine Persönlichkeitsstruktur reduziert. Das ist sicher nicht ganz falsch, aber auf gar keinen Fall ein zuverlässiger Beitrag zur Klärung der dadurch entstandenen Probleme. Immerhin wurde sein Anspruch auf die Kanzlerschaft von weiten Teilen seiner Partei und seinen Sympathisanten im politischen und gesellschaftlichen Linksspektrum mit einem trotzigen „Und im Unglück nun erst recht“ ausdrücklich und öffentlich geteilt. Nennenswerter Widerspruch war nicht zu vernehmen. Insofern sollte die breite Kritik an dem gegenwärtigen Desaster nicht auf die Attitüden Schröders abzielen, sondern in erster Linie auf seine Partei, die zu einer massiven Regelverletzung demokratischer Gesittung und Gesinnung schweigt. Wie immer man auch die kläglichen Argumente zur Rechtfertigung dieses Verhaltens beurteilen mag: Sie können nicht darüber hinwegtäuschen, daß sich in diesem Verhalten ein in seinen Folgen noch gar nicht absehbarer Wandel im Demokratie- und Rechtsverständnis andeutet. Bislang bestand en selbstverständliches Einvernehmen, daß auch hauchdünne Wahlsiege Siege sind, die den Anspruch auf die Übernahme der Regierung legitimieren. Man denke nur an die Wahl des amerikanischen Präsidenten George W. Bush, dem eine „Mehrheit“ von einigen tausend Stimmen zum Sieg verholfen hat. Auch Schröder dürfte noch nicht vergessen haben, daß er 2002 ebenfalls mit einer knappen „Mehrheit“ die Wahlen gewonnen hat. Selbstverständlich waren Schröder und den maßgebenden SPD-Strategen diese Tatsachen bekannt. Um so bedenklicher muß die Brüskierung des Wählers empfunden werden. Deshalb geht es in der Auseinandersetzung nicht allein und nicht in erster Linie um die K-Frage, die zunächst einmal entschieden scheint. Es geht vielmehr um die Antwort auf die Frage, ob das Prinzip der „Regelverletzungen“ – das sich seit 1968 in weiten Teilen von Gesellschaft und Politik verbreitet hat – fortan auch von der Bundesregierung praktiziert und vom Bundestag beziehungsweise den politischen Verantwortlichen toleriert wird. Prof. Dr. Klaus Motschmann lehrte Politikwissenschaften an der Hochschule der Künste in Berlin.

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