Am Ende der gestrigen Anne-Will-Sendung wurde Klaus von Dohnanyi (SPD) gefragt, wie schlimm er die jetzige Euro-Krise findet. Auf einer Skala von 1 (nicht schlimm) bis 10 (ganz schlimm) bekäme sie eine 3, sagte er.
Das paßte zu der leidenschaftslosen Debatte, an der – mit Ausnahme des
Anlageberaters Claus Vogt – nur Vertreter des Berliner Machtkartells teilnahmen, von denen keine übermäßige Kritik an den diversen Rettungsplänen zu erwarten war. Die Talkshow unter dem Motto „Euro fällt, Kasse leer“ hat wieder einmal gezeigt, wie überfordert unsere politische Klasse ist. Ihr fällt kaum etwas anderes
ein als ein müdes „Weiter-so“.
Der FDP-Haushaltsexperte Otto Fricke meinte gleich zu Beginn der Sendung blauäugig: „Der Euro steht, wenn wir uns jetzt an die Verträge halten.“ Wenn wir das richtig verstehen sollen, dann haben die Griechen also erst betrogen, um in den
Euro hineinzukommen. Hinterher haben diverse Regierungen (auch die deutsche) den Stabilitätspakt aufgeweicht und nun gänzlich beerdigt.
„Intelligent sparen“
Schließlich hat die EU in einer Nacht-und-Nebel-Aktion gegen die No-bail-out-Klausel des Maastrichtvertrags verstoßen, was uns Deutsche einen dreistelligen
Milliardenbetrag kosten wird: alles gebrochene Zusagen und Versprechen
und Verträge. Aber ab jetzt – Aufatmen ist angesagt – halten sich bestimmt alle an
die Regeln, und dann wird alles gut. Wer ist denn so naiv, daß er das glaubt?
Als Vertreterin der Opposition war Renate Künast (Grüne) zugegen. Auch von ihr kam nichts neues. Wortstark beteuerte sie „für den Euro kämpfen“ zu wollen. Das
heißt für Frau Künast aber nur, daß sie noch höhere Steuern für die Deutschen
will, dami die Geschenke an die Griechen bezahlt werden können. Sie und Fricke
beteuerten, „intelligent sparen“ (neue Politikerphrase) zu wollen, aber keiner
sagte, wo und was denn genau gespart werden soll.
Auf Rettungspakete zu verzichten, kommt für die Fraktionschefin Künast genau
so wenig in Betracht wie konsequentes Sparen. Zweimal sollte sie Vorschläge liefern, bot aber nur die von ihr bevorzugten Steuernerhöhungen (wie etwa eine volle Umsatzsteuer für Hoteliers oder die Abschaffung des Dienstwagenprivilegs) an.
Ökonomische Voodoo-Theorie
Es hat nichts mit Sparen zu tun, wenn der Staat seine Einnahmen erhöht. Um genau zu sein: Es ist das Gegenteil von Sparen. Entweder hält Frau Künast die Zuschauer für blöd, oder sie selbst hat keine Ahnung, wovon sie spricht, vielleicht trifft auch beides zu. Die drohende Inflationsgefahr jedenfalls ist für sie „lediglich Kaffeesatzleserei“.
Übertroffen wurde dieser Scheinkampf „Grüne gegen FDP“ nur noch durch den Senior in der Runde. Klaus von Dohnanyi wirkte, als wäre er mit einer Zeitmaschine aus der alten Bundesrepublik ins Studio gekommen. Der 82jährige Sozialdemokrat versicherte der öffentlich-rechtlichen Zuschauerschaft, daß es keine Inflation geben wird, weil sie nur durch hohe Löhne entstehen könne, die wir ja in Deutschland nicht hätten.
Das ist zwar eine ökonomische Voodoo-Theorie, aber Dohnanyi gab sich überzeugt:
„Ich kenne niemanden, der sich mit der Sache auskennt, und der sagt, es
steht eine Inflation bevor.“
Esperanto-Geld
Nun, so geht es leider allen unseren Politikern. Sie haben die falschen
Gesprächspartner, lesen die falschen Bücher, haben keine Ahnung von dem, was wirklich vor sich geht: je mehr Elder Statesman, desto schlimmer. Tatsache ist, daß schon vor der Euro-Einführung kluge Männer wie Joachim Starbatty, Wilhelm Hankel, Bernd-Thomas Ramb, Manfred Brunner, Karl Albrecht Schachtschneider und
viele andere Fachleute vor den Folgen der Einführung eines Esperanto-Geldes gewarnt haben.
Aber niemand hat sie hören wollen. Es war Frickes FDP, die ein Mitgliedervotum zur Euro-Einführung massiv bekämpft und erfolgreich verhindert hat. Klar, daß diese Leute jetzt nicht einsichtig sind und so tun, als wäre es völlig unvorhersehbar gewesen. „Wir lernen immer dazu“, sagte Fricke. Hoffentlich.
Dohnanyi lernt nicht mehr. Er beteuerte, der Euro sei und bleibe eine stabile
Währung. Um „seine Zukunft“ muß er sich in seinem gesegneten Alter natürlich nicht mehr so viele Sorgen machen wie die Dreißig- oder Fünfzigjährigen.
Falsche Geldpolitik der Notenbanken
Genau sie sind es, die alles bezahlen sollen: Sie müssen die Renten der Alten (der Dohnanyis) bezahlen und für sich selbst etwas zurücklegen, weil es nach 2030 keine Rentenkasse mehr geben wird, aus der etwas zu holen wäre. Und jetzt sollen sie auch noch die Renten der Griechen bezahlen – und die der Portugiesen und der Spanier.
Claus Vogt streute als einziger keinen Sand in die Augen, belog nicht die Zuschauer vor laufender Kamera: Natürlich gebe es eine Inflation, wenn der Staat Geld
druckt und immer stärker verschuldet ist, unterstrich er; die Geldpolitik der Notenbanken sei zweifelsohne falsch.
Ohne sie gäbe es keine Spekulationsblasen. Ein bißchen wurde Vogt von
Handelsblatt-Chefredakteur Gabor Steingart sekundiert, dem aber der
Wechsel in die Rolle des Politikers (und damit des Berufslügners) sofort
zuzutrauen wäre.
Steingart schlug am Ende der Sendung vor, Josef Ackermann loszuschicken, um den Deutschen zu sagen, daß die Renten nicht sicher sind, weil er es schon so schön geschafft habe, die Wahrheit über die Griechenland-Kredite auszusprechen („werden nicht zurückgezahlt“). Das sagt eigentlich alles über die deutschen Politiker aus, oder?