Demnächst wird die Bundesrepublik fünfzig Jahre alt. Denn die Geburt der wirklichen Bundesrepublik, wie wir sie täglich erleben, fällt nicht etwa zusammen mit dem Verabschiedungsdatum des Grundgesetzes, sondern mit dem allgegenwärtigen Faschismusverdacht, dem Volksverhetzungsparagraphen, dem Widerstand gegen den täglich stärker werdenden Diktator Hitler.
Es ist die Bundesrepublik des Verfassungsschutzberichts und des Politologengeredes. In diesem Dezember jähren sich nämlich zum fünfzigsten Mal die „Hakenkreuzschmierereien“ an der Kölner Synagoge am Weihnachtsabend.
Es wurden für diese Tat damals zwei Verantwortliche verhaftet und verurteilt, die angeblich dem rechten politischen Spektrum zuzuordnen waren, aber danach war nichts mehr wie vorher. Bis zum Januar 1960, also innerhalb weniger Wochen, fanden sich gleich sechshundertfünfundachtzig angebliche Nachahmungstäter.
Stasi ließ NS-Symbole an Häuserwänden plazieren
Der Skandal zog Kreise, das Ausland gab sich empört, Kommissionen tagten. Die Bundesregierung veröffentlichte eine Verteidigungsschrift ihrer Bildungspolitik und bezeichnete die Hakenkreuzepidemie als eine kommunistische Kampagne, aber es nützte nichts.
Dabei sprach viel dafür, das plötzliche Auftreten einer Flut von Hakenkreuzen einer Geheimdienstaktion des Auslands zuzuschreiben. Tatsächlich wurden später auch Beweise für die Steuerung einer zweiten Hakenkreuzkampagne im Mai 1961 durch die Staatsicherheit der DDR gefunden. Die Stasi ließ NS-Symbole an Häuserwänden plazieren, bedrohte Juden in Deutschland mit antisemitischen Briefen und produzierte zudem anprangernde Schreiben von weiteren angeblich bedrohten Juden, die sich über die Verhältnisse beklagten.
Züge von Hysterie
Daß es sich auch bei der ersten Kampagne um eine gesteuerte Unternehmung handelte, liegt angesichts der relativ exakten Begrenzung des Zeitraums auf der Hand. Es konnte aber nicht mit letzter Sicherheit bewiesen werden, obwohl auch die beiden angeblichen Rechtsextremisten von Köln aufgrund zahlreicher Reisen in die DDR und dem offenen Tragen von SED-Abzeichen einen in dieser Hinsicht mindestens verdächtigen Eindruck hinterließen.
Wie auch immer, der politische Beutewert der Kampagne war enorm. Die immer wieder erkennbaren Züge von Hysterie in den folgenden 50 Jahren politischer Bildung und Überwachung lassen sich ohne die Ereignisse vom Dezember 1959 kaum ganz verstehen. Den Nutzen hatten stets vor allem der Linksextremismus und alle jene, die der deutschen Politik eine Schwächung durch die permanente Unterstellung aufnötigten, sie tue zu wenig gegen angebliche neonazistische Umtriebe.