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Auflösung der Stasi-Unterlagenbehörde: Als ich meine eigene Akte sah

Auflösung der Stasi-Unterlagenbehörde: Als ich meine eigene Akte sah

Auflösung der Stasi-Unterlagenbehörde: Als ich meine eigene Akte sah

Stasi-Unterlagen
Stasi-Unterlagen
Stasi-Unterlagen: Die Idee der totalen Überwa-chung ging mit der DDR nicht unter Foto: picture alliance/Bernd Wüstneck/dpa-Zentralbild/ZB
Auflösung der Stasi-Unterlagenbehörde
 

Als ich meine eigene Akte sah

Kurz vor dem 30. Jahrestag des Mauerfalls beschließt der Bundestag, die Akten der Stasi-Unterlagenbehörde dem Bundesarchiv zu unterstellen. Die Erinnerung an das totalitäre System der DDR muß wachgehalten werden, denn die Versuchung nach einer totalen Überwachung ist allgegenwärtig. Ein Kommentar von JF-Chefredakteur Dieter Stein.
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Kurz vor dem 30. Jahrestag des Mauerfalls beschließt der Bundestag, die Akten der Stasi-Unterlagenbehörde dem Bundesarchiv zu unterstellen und die eigenständige Institution aufzugeben. Die einen sagen, es sei nur eine formale Frage, die anderen sehen ein symbolisches Schließen der Aktendeckel – das Thema Stasi solle unter „ferner liefen“ historisiert und in den Hintergrund geschoben werden.

Bei mir zu Hause liegt ein dicker vergilbter Umschlag mit über hundert Seiten meiner eigenen Stasi-Akte „OPK Fels“. Operative Personen-Kontrolle (OPK) lautete der Begriff für die Aufklärung „feindlich-negativer Handlungen“, wie es im Jargon des DDR-Geheimdienstes hieß. 

Im Interesse meiner Familie hatte ich Mitte der 90er Jahre einen Antrag auf Einsicht in Stasi-Unterlagen gestellt. Wir glaubten, etwas über meinen verstorbenen Vater zu finden, der als ehemaliger BND-Mitarbeiter im Visier der Stasi hätte sein können. So stellte es sich auch heraus. Erschütternd – für manche vielleicht wenig überraschend – war es jedoch, zu sehen, daß wir als Familie bei wiederholten Besuchen in unserer damaligen DDR-Partner-Kirchengemeinde ab 1984 und zum Schluß auch ich selbst mit der JF ins Visier geraten waren und sich das bis dahin für zufällig gehaltene Kennenlernen einer bestimmten Familie, zu der sich eine jahrelange Freundschaft entwickelte, im nachhinein als gesteuert und ununterbrochen überwacht herausstellte.

Die Erinnerung muß wachgehalten werden

Einem derjenigen, der sich durch die Akte als Stasi-IM entpuppen sollte, hatte ich zuvor vom Antrag erzählt. Er war nach der Wende bis zur Akteneinsicht Mitarbeiter unserer Zeitung geworden. Er meinte nur: „Ob das etwas bringt?“ Er hätte sich mir damals offenbaren können – was ihm nicht gelang. Später wurde mir klar, daß sich in diesen Jahren kaum jemand zu diesem Schritt überwinden konnte. Die meisten hofften, ihre Akten seien vernichtet – oder waren einfach innerlich zu gebrochen.

Einer These zufolge rückten nach dem Mauerfall die SED-Verantwortlichen selbst die Stasi und ihr System in den Mittelpunkt, um einen Sündenbock zu schaffen, an dem die Bürger ihre Wut auslassen konnten – damit hinter dieser dröhnenden Kulisse die in PDS (heute Linke) umbenannte SED aus der Schußlinie kam und als Phoenix aus den Trümmern der DDR wieder aufsteigen konnte. Diese Strategie wäre zweifellos aufgegangen.

Ob in einer eigenen Behörde oder im Bundesarchiv: Die Erinnerung an das totalitäre System der DDR muß wachgehalten werden. Daß die Idee totaler Überwachung mit der DDR nicht untergegangen ist, sehen wir heute nicht nur in kommunistischen Staaten wie Nordkorea und China. Diese Versuchung hierzu ist allgegenwärtig und ohne funktionierende demokratische Kontrolle der Mächtigen immer gegeben.

JF 41/19

Stasi-Unterlagen: Die Idee der totalen Überwa-chung ging mit der DDR nicht unter Foto: picture alliance/Bernd Wüstneck/dpa-Zentralbild/ZB
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