Auf der Buchmesse in Frankfurt gab es unter Journalisten zwei Top-Gesprächsthemen: die Zeitungskrise und den Aufstieg der AfD. Der Medienwandel, der nicht nur die Zeitungsverlage erfaßt, er bewegt auch den Buchhandel. Die Besucherzahlen waren in Frankfurt rückläufig, und in einigen Messehallen klafften große Lücken, weil einige Verlage sich von der traditionsreichen Messe zurückgezogen haben. Die schon lange debattierte Revolution des Internets – die Folgen waren hier mit Händen zu greifen.
Wie im Brennglas kann die Zeitungskrise derzeit gerade in Frankfurt betrachtet werden: Hier wurde im Frühjahr 2013 nach ihrer Insolvenz die Frankfurter Rundschau von der FAZ übernommen. Ursprünglich weltanschauliche Gegenspieler, kommen nun aus der FAZ-Gruppe einschließlich der Frankfurter Neuen Presse alle drei Frankfurter Tageszeitungen. Konkurrenz war gestern. Und die Auflagen fallen ungebremst.
Stimmung wie in der Stahlindustrie der siebziger Jahre
Erst vor wenigen Wochen war bekanntgeworden, daß die FAZ die größten Einsparungen ihrer Geschichte vornehmen und 200 Stellen im Verlag abbauen will. In früheren Jahren produzierte die FAZ eine aufwendige tägliche Messe-Sonderausgabe – sie fiel in diesem Jahr dem Rotstift zum Opfer.
Überall scheint in den Redaktionen des traditionellen Zeitungsgewerbes das allgemeine Kofferpacken begonnen zu haben. Eine Stimmung wie in der Stahlindustrie der siebziger Jahre. Wer die Chance sieht, orientiert sich beruflich um, geht in die Wirtschaft, PR-Szene oder Politikberatung.
Ist die Zeitung aber wirklich tot? Viele Leser scheinen nicht nur ihren Medienkonsum verändert zu haben. Sie lesen durchaus noch Gedrucktes, aber sie sind schwerer zu gewinnen. Wenn Leser von Journalisten nicht als mündige Bürger ernst genommen und ehrlich informiert werden, springen sie immer schneller ab und sind nicht mehr bereit, die Arroganz abgehobener Redakteure weiter mit ihrem Geld zu finanzieren.
Krise der Volksparteien
Wenig anders die Politik – hier trifft die Zeitungskrise auf die Krise der Volksparteien. Die AfD bedeutet für etablierte Parteien dasselbe wie das Internet (und alternative neue Medien) für etablierte Verlage. Die Bürger lassen sich nicht mehr von Monopolisten einschüchtern und bevormunden. Und die Reaktion der Etablierten ist in beiden Fällen ähnlich nervös. Doch so funktionieren Markt und Demokratie.
Es scheint sich insgesamt so etwas wie eine neue Öffentlichkeit herauszukristallisieren. Was vorher betoniert schien, verflüssigt sich. Alteingesessene Redaktionen spüren, daß das, was sie schreiben, auf ein immer geringeres Echo stößt. Der Austausch von Informationen und Meinungen erfolgt auf neuen Kanälen, Nebengleisen, die Unterströmungen verstärken sich. Milieus verschwinden, neue treten hervor. Wir sind Zeugen einer enormen technisch-kulturellen Transformation.
JF 43/14