Die Böller-Krawalle in der Berliner Silvesternacht haben die politische Linke in Deutschland in einen Zwiespalt gebracht. Zwar sah sie sich durch die Feuerwerks-Attacken auf Rettungskräfte und Polizeibeamte in ihrer inzwischen alljährlichen Forderung nach einem Verbot von „freiverkäuflichem Sprengstoff“ bestätigt, jedoch paßten die Angreifer selbst nicht ins eigene Weltbild der reibungslos funktionierenden Migrations-Gesellschaft. Zu deutlich ließen Bilder und Videos, die bereits am Neujahrstag in sämtlichen Medien kursierten, den ethnisch-kulturellen Hintergrund des Großteils der böllernden Krawallmacher erkennen.
Die Linken wären jedoch nicht die Linken, wenn sie nicht dennoch versuchen würden, die Wahrheit umzubiegen. Deshalb dauerte es auch nicht lange, bis die ersten Haltungsjournalisten „vergleichbare“ Silvester-Krawalle an einem Ort aufspürten, an dem die Täter und die Bevölkerungsstruktur dem Fortbestand des eigenen Narrativs und Feindbilds wesentlich dienlicher waren.
So sollen sich in der rund 19.000 Einwohner zählenden sächsischen Kreisstadt Borna ganz ähnliche Szenen abgespielt haben wie in der Millionen-Metropole an der Spree. In Borna waren die Täter allerdings mehrheitlich Deutsche und obendrein noch Rechtsextremisten. Diese haben sogar die Polizei angegriffen und dabei „Sieg Heil“ geschrien. So war es zumindest mehreren Medien zu entnehmen, die über die Vorfälle in Sachsen berichteten, und auf die sich in der Folge zahlreiche Politiker, denen durch die Bilder in Berlin die eigene Wahrheit zu verrutschen drohte, Bezug nahmen.
Klingbeil und die fehlenden Beweise
Unter ihnen war auch SPD-Parteichef Lars Klingbeil, der die alternativen Fakten aus dem Osten gleich noch zu einem verbalen Frontal-Angriff auf die CDU nutzte. Auf einer Klausurtagung seiner Partei warf der Sozialdemokrat der Union „wirres Berlin-Bashing“ und die „Stigmatisierung von gesellschaftlichen Gruppen“ sowie „ein lautes Schweigen, wenn es um Borna, Görlitz und Hildburghausen geht, wo Rechtsextreme sich aufgemacht haben, Sicherheitskräfte mit lauten ‘Sieg Heil!‘ Rufen angegriffen haben“, vor.
#Silvester | Der @spdde-Vorsitzende @larsklingbeil ist es leid, wie die #Union die Berliner Ereignisse der Silvesternacht instrumentalisiert. Man dürfe nicht einzelne Gruppen verurteilen und stigmatisieren, sondern müsse die Probleme ansprechen und Herr solcher Situationen werden pic.twitter.com/FTFXWDvg0V
— phoenix (@phoenix_de) January 9, 2023
Gut gebrüllt, Löwe. Die Sache hat nur einen Haken: In keiner der von ihm aufgezählten Städte gibt es bislang Beweise für die von ihm zitierten „Sieg Heil“- Rufe und Angriffe auf die Polizei. In Görlitz und Hildburghausen gibt für die Behauptungen Klingbeils noch nicht einmal die geringsten Anhaltspunkte. Allein über die Silvesternacht in Borna gab es die genannten Medienberichte. Allerdings sind auch diese bislang völlig unbestätigt. Schon gar nicht wurden sie in irgendeiner Weise von der angeblich unter „Sieg Heil“-Gegröle attackierten Polizei untermauert.
Die zuständige Polizeidirektion Leipzig teilte mit: „In der Silvesternacht habe es einen einzigen Angriff auf Polizeikräfte in Borna gegeben. Kein Polizist wurde verletzt, allerdings ein Dienstauto beschädigt. Die Polizei habe ‘keinerlei Hinweise` darauf, daß die Angreifer ‘Sieg Heil` riefen und keine sonstigen Indizien, daß die Tat einen rechtsextremen Hintergrund hatte. Die betroffenen Polizisten wären in so einem Fall angehalten gewesen, das zu melden. Das erfolgte nicht.“
Berliner Randalierer sollen plötzlich Deutsche sein
Auch liege insgesamt „kein verifizierter Hinweis auf ‘Sieg Heil`-Rufe in der Silvesternacht in Borna“ vor. Die Polizei kenne lediglich einen einzigen Social-Media-Post, der inzwischen gelöscht wurde und der den Ermittlungsbehörden so auch nur indirekt vorliege. Es werde aktuell versucht, den Autor zu identifizieren und die Aussage zu überprüfen. Laut Tichys Einblick soll es sich bei diesem übrigens um eine Autorin handeln, die Wahlkampfhelferin des Oberbürgermeisters sei. Klingbeil wollte sich auf Anfrage nicht dazu äußern, auf welche Quelle er sich bei seinen Aussagen bezogen habe.
Auch bei den erlebnisorientierten Jugendlichen, die zur Jahreswende mit viel Feuerkraft die Straßen der Hauptstadt einnahmen, soll es sich, linker Meinungsmache zufolge, übrigens inzwischen nicht mehr in erster Linie um Ausländer gehandelt haben. Vielmehr seien, so klärten uns die Faktenfüchse des Haltungsjournalismus inzwischen auf, die meisten in dieser Nacht festgenommenen Chaoten Deutsche gewesen.
Die Meldung zeigt vor allem, wie gut sich mit Statistiken mitunter die Wahrheit verdrehen läßt, ohne daß man sich konkret der Lüge bezichtigen lassen muß. Denn daß eine Mehrheit der Verhafteten (inzwischen) einen deutschen Paß hat, ändert natürlich nichts an all dem, was Migrationskritiker meinen, wenn sie die Probleme anprangern, die die kulturfremde Masseneinwanderung mit sich bringt.
Und der SPD-Chef? Er entschuldigte sich am Mittwoch für seine vorschnellen Behauptungen.
Vielen Dank für die Recherche. Ich hatte mich Montag auf andere Meldungen verlassen. Da hätte ich vor einer öffentlichen Aussage dazu gründlicher nachfragen müssen. Sorry. https://t.co/PjPe1gkBIN
— Lars Klingbeil 🇪🇺 (@larsklingbeil) January 12, 2023