In der politischen Linken gibt es inzwischen nichts mehr, was es nicht gibt: Linke, die für den Ausschluß ganzer Bevölkerungsgruppen aus dem öffentlichen Leben argumentieren; Linke, die eine Zwangsimpfung durchsetzen wollen und gleichzeitig „my mody, my choice“ rufen – und Linke, die einer chirurgischen Separierung verschiedener Kulturen das Wort reden.
Das letztgenannte Phänomen haben uns nun die Schul- und Unischwänzer von „Fridays for Future“ zurück ins Gedächtnis gerufen. Die FfF-Gruppe in Hannover lud die Musikerin Ronja Maltzahn von einer Demo aus, weil diese sogenannte Dreadlocks (Filzlocken) trägt. Begründung: „Dreadlocks bei weißen Menschen“ seien „eine Form der kulturellen Aneignung“. Maltzahn könne sich die Haare ja abschneiden, wenn sie auftreten wolle.
Vom Hummus bis zu den Yoga-Kursen
Die Ideologie der „kulturellen Aneignung“ (cultural appropriation) treibt schon länger ihr Unwesen. Ihre Vertreter behauptet, daß es problematisch sei, wenn Menschen Elemente anderer Kulturen vermeintlich oder tatsächlich unterdrückter Minderheiten übernehmen. Denn – so die Kurzversion – für diese Minderheiten seien mit dieser Kultur Unterdrückungserfahrungen verbunden gewesen, die der, der sich diese dann aneigne, oft nicht kenne und schon gar nicht selbst spüre. Und das, so die verquere „Logik“, sei nicht fair.
Das betrifft bei weitem nicht nur die „Dreads“ und bleibt auch nicht bei der berühmten Kritik an „Blackfacing“ und Indianerschmuck stehen. In den Weiten des Internet finden sich vielmehr unzählige weitere Beispiele für den Vorwurf der „kulturellen Aneignung“: Ein Lebensmittelgeschäft, das Hummus in abgewandelter Form anbot, setzte sich ihm ebenso aus, wie gleich mehrere Musiker, die Musikstile anderer Kulturen übernahmen, eine Frau, die Yogakurse anbot, oder ein Unternehmen, das Bumerangs verkaufte.
Darf man noch Fremdsprachen lernen?
Wo diese Ideologie anfängt und wo sie aufhört, wissen vermutlich nicht einmal deren Vertreter selbst zu beantworten: Was ist eigentlich mit fremden Sprachen, immerhin Grundlage jeder Kultur? Darf ich die überhaupt noch lernen? Wie sieht’s mit Kartoffeln aus? Dürfen die noch in unseren Küchen verkocht werden, obwohl sie einstmals aus Amerika eingeführt wurden?
Was ist mit dem Sofa? Vorläufer gab es schließlich schon vor langen Zeiten in Ägypten. Und wenn ich mich stattdessen auf den Boden setzte? Dann eigne ich mir wohl die Beduinenkultur an. Und sowieso: Wie sieht es eigentlich mit Kindern aus, die einer gemischten, etwa afrikanisch-europäischen Beziehung entstammen? Dürfen sie oder dürfen sie nicht, also sich zum Beispiel Musik aus Afrika aneignen?
Der Wahnsinn greift um sich
Daß es ausgerechnet linke Ideen sind, die die letzte Frage, aufwerfen, zeigt die ganze Absurdität des Themas. Offenbar ohne es zu merken, setzen die Vertreter der Ideologie der „kulturellen Aneignung“ das Vorhandensein reiner, klar abgrenzbarer Kulturen voraus, teilen die Welt in unzählige Gruppen auf, werfen diese in Schubladen und spielen sie gegeneinander aus – genau das also, was sie zugleich den vermeintlich Rechten vorwerfen.
„Steht Geschichte immer freitags auf dem Stundenplan?“, fragt die feministische Zeitschrift Emma treffend. Der sonst nicht unbedingt gut zu verdauende Chefredakteur des österreichischen Falter, Florian Klenk, kommentiert mit Blick auf FfF knapp: „Woko Haram“. Ja, es gibt sie noch, die nicht ganz so verrückten Linken. Aber der Wahnsinn greift um sich, die Identitätspolitik ist längst in der gesellschaftlichen Elite, in Universitäten und der Politik angekommen. Das Schweigen Luisa Neubauers ist übrigens laut. Vermutlich hält sie das für eine „rechte“ Kampagne.