Mit dem Zweiten sieht man besser, hieß es einst beim ZDF. Und ja, das Motto hat noch immer Gültigkeit. Zumindest, wenn es darum geht, den Splitter im fremden Auge zu sehen, nicht aber den Balken im eigenen.
Das „heute-journal“ am Mittwoch abend in der Halbzeitpause des EM-Länderspiels Deutschland gegen Ungarn stand ganz im Zeichen des ungarischen Gesetzes zum Schutz vor Pädophilie und Mißbrauch und den Protesten dagegen. Der Regenbogen sei sichtbar, berichtete Bettina Schausten erfreut, auch ohne entsprechende Beleuchtung der Allianz-Arena in München. „Deutschland macht sich bunt“, lobte die Moderatorin die Proteste gegen „das umstrittene Gesetz zur Homosexualität“.
Nachdem die Verteilaktion von Regenbogenfähnchen vor dem Stadion gezeigt worden war, schaltetet das ZDF zur Korrespondentin Britta Hilpert nach Budapest. Die wußte zu berichten, daß der Protest keine Wirkung zeige und sich das Volk in Ungarn eher hinter Ministerpräsident Viktor Orbán (Fidesz) schare, wenn dieser von außen angefeindet werde.
Die Kanzlerin, menschgewordene Perfektionalität
Dabei nutze ihm auch die heimische Berichterstattung, erläuterte die ZDF-Korrespondentin, denn „genau so stellt es die größtenteils regierungsfreundliche Presse in Ungarn da. Die EU-Kritik sei nichts anderes als ein Angriff auf die nationale Selbstbestimmung.“
Zurück im Mainzer Studio widmete sich das ZDF dann einem weiteren Tagesthema: der Regierungsbefragung von Kanzlerin Angela Merkel (CDU). Die Abgeordneten hätten sie an diesem Mittwoch „ein letztes Mal in die Zange“ nehmen können, so Schausten, aber: „gefährlich wurde ihr nicht wirklich jemand“. Ein Urteil, das auch ZDF-Journalistin Heike Slansky teilte.
„Kaum etwas bringt sie aus der Ruhe. Keine Fragestunde, keine Abgeordneten, keine Wahlkampfmanöver. Den Koalitionspartner charmant abgewatscht. Es ist ihre zehnte Fragestunde. Routiniert kontert sie alle Angriffe. Macht aus ihrer Abneigung zur AfD keinen Hehl. Mal launig, meist sachlich. Immer konzentriert. Ob zur Rente, zur angeblichen Einsatzunfähigkeit der Bundeswehr oder zur Digitalisierung. Eine Ära geht zu Ende. Merkel erliegt keiner Versuchung“, bewunderte Slansky die Kanzlerin, die „keine Spur von Abschiedsschmerz und keine Sentimentalität“ gezeigt habe.
Die deutsche Regierungschefin, „charmant“, „routiniert“, „launig“, „sachlich“ und „immer konzentriert“. Ein Glück, daß es im ZDF noch wirklich regierungskritischen Journalismus gibt – und keine Jubelperser wie in Ungarn.