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Nord Stream 2: USA verschärfen Druck

Nord Stream 2: USA verschärfen Druck

Nord Stream 2: USA verschärfen Druck

Ein Schiff verlegt in der Ostsee Teile der Nord-Stream-2-Pipeline Foto: picture alliance / AP Photo
Nord Stream 2
 

USA verschärfen Druck

Auch wenn die USA drohen und Transatlantiker schäumen: Die neue Ostseeleitung Nord Stream 2 wird den Wettbewerb verschärfen und tendenziell die Gaspreise für alle Europäer senken. Moskau braucht Geld, die Europäer Gas – wo liegt das Problem? Ein Kommentar von Bruno Banduelt.
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Man stelle sich einmal vor, die Bundesregierung würde die Einfuhr von amerikanischem Erdgas mit einseitigen Maßnahmen zu verhindern suchen. Undenkbar, weil Deutschland weder in den freien Handel eingreift noch exterritoriale Sanktionen verhängt.
Aber genau das tun die USA. Zuerst im Dezember 2019 mit den Sanktionen gegen das schweizerische Unternehmen Allseas, das damals die Röhren der 1.224 Kilometer langen Gaspipeline Nord Stream 2 bis auf 160 Kilometer verlegt hatte. Und zuletzt vor zwei Wochen, als der amerikanische Senat neue Zwangsmaßnahmen gegen deutsche und europäische Firmen und Behörden vorbereitete, die an dem deutsch-russischen Projekt beteiligt sind.

Eine Berliner Regierungssprecherin protestierte umgehend gegen die „Einmischung in unsere inneren Angelegenheiten“. 2011 wurde die inzwischen voll ausgelastete erste Leitung, Nord Stream 1, eröffnet. Wann Nord Stream 2 in Betrieb genommen wird, ist offen. Was aber ist von den Argumenten pro und contra Nord Stream 2 zu halten? So nennt auch Reinhard Veser in der FAZ die amerikanischen Methoden „nicht annehmbar“, meint aber, die Gasleitung sei ein strategisches Projekt des Kreml, „von dem große Gefahren für die europäische Sicherheit ausgehen“.

Wie denn und wieso? Russisches Erdgas deckt ein Drittel des EU-Verbrauchs. Mit Einfuhren von zuletzt 58,5 Milliarden Kubikmetern ist Deutschland der größte Gasprom-Kunde. Aber auch Österreich, Italien, Großbritannien, Frankreich, Polen, die Tschechische Republik und Ungarn importieren aus Rußland. Gasprom war immer vertragstreu, hat immer geliefert.

Auch die USA könnten mehr liefern

In Wahrheit ist Gasprom mehr auf seine europäischen Abnehmer angewiesen als umgekehrt. In der EU stehen zum Beispiel 22 Flüssiggasterminals zur Verfügung. Die sind nur schwach ausgelastet. Niemand hindert die US-Produzenten daran, mehr zu liefern. Sie brauchten ihr Erdgas nur billiger anzubieten als die Russen. Weil sie das nicht wollen oder können, versucht Washington mit anderen Mitteln, einen Wettbewerber aus dem Markt zu drängen. Die Protagonisten des freien Handels sind in diesem Fall die Russen. Wo liegt das Problem? Moskau braucht das Geld, die Europäer brauchen das Gas. Die neue Ostseeleitung wird das Angebot erhöhen, den Wettbewerb verschärfen und tendenziell die Gaspreise für alle Europäer senken.

Das Interesse Rußlands wiederum liegt darin, eine zusätzliche Pipeline zu bekommen, die nicht unterbrochen werden kann. Das Transitland Ukraine hat wiederholt illegal russisches Gas für den eigenen Verbrauch abgezapft, obwohl Kiew Vorzugspreise gewährt wurden. Auch nach Meinung neutraler Beobachter war Kiew an den russisch-ukrainischen Gaskonflikten von 2006, 2009 und 2014 mitschuldig. So gesehen, gefährdet die neue Gasleitung nicht Europas Sicherheit, sie erhöht sie. Wegen der abnehmenden Ergiebigkeit westeuropäischer Gasfelder und wegen der „Energiewende“ der Regierung Angela Merkel wird die EU in Zukunft mehr Erdgas importieren müssen.

Nicht zufällig versuchte Washington im Juni, Berlin mit einer anderen Drohung unter Druck zu setzen, nämlich mit der Ankündigung, etwa 10.000 der 34.500 in Deutschland stationierten amerikanischen Soldaten abziehen zu wollen. Fragt sich nur, wer hier auf wen angewiesen ist. Die Amerikaner werden ihre Truppen auf deutschem Boden auch in Zukunft nach eigenem Gutdünken verringern oder auch wieder aufstocken.

Warschau bringt USA in Stellung

Sie werden aber weder auf die Luftwaffenbasis in Ramstein noch auf das Militärkrankenhaus in Landstuhl, beide die größten außerhalb der USA, verzichten wollen. Für die Kriege im Nahen Osten, in Afghanistan und Afrika (auch für den Drohnenkrieg!) ist der sprichwörtliche unsinkbare Flugzeugträger Deutschland unentbehrlich.

Gut, daß Emily Haber, die deutsche Botschafterin in Washington, am 15. Juni klarstellte: „Die US-Truppen sind nicht dort, um Deutschland zu verteidigen. Sie sind dort, um die transatlantische Sicherheit zu verteidigen(…). Sie sind auch dort, um amerikanische Macht nach Afrika, nach Asien zu projizieren.“

Wie sich die Zeiten ändern. Als sich die regierungsnahe Stiftung Wissenschaft und Politik im September 2005 mit Nord Stream 1 befaßte, schrieben die Autoren, damit werde der „Spielraum für potentiell gegen Rußland gerichtetes politisches Agieren“ eingeschränkt. Die Pipeline bekräftige die „strategische Partnerschaft“ zwischen Deutschland und Rußland. Sie sei ein „Leuchtturmprojekt“. Selbst von seiten der EU kam damals Unterstützung, und zwar wegen der willkommenen Diversifizierung der europäischen Gaseinfuhren.

Letzteres gilt genauso für Nord Stream 2. Nur ist es diesmal so, daß Brüssel und Paris eine Aufwertung Deutschlands als Drehscheibe für den EU-Gashandel mit gemischten Gefühlen sehen, daß Warschau die USA gegen seine beiden ungeliebten Nachbarn in Stellung gebracht hat und daß die Geostrategen in Washington, mit oder ohne Trump, jegliche deutsch-russische Zusammenarbeit zu blockieren versuchen.

Ein gütliches Ende des Gaskrieges ist nicht in Sicht. In Washington ist die Vorliebe für exterritoriale und damit völkerrechtswidrige Sanktionen ungebrochen – nicht obwohl, sondern weil Potential und Einfluß der einstmals „einzigen Weltmacht“ erodieren. Und Berlin wird, so lange die Grünen nicht an der Regierung sind, die eklatante Verletzung der Souveränität und der ökonomischen Integrität Deutschlands nicht mit einem Kotau beantworten können. Der Gesichtsverlust der Regierung Merkel wäre immens.

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Dr. Bruno Bandulet war Chef vom Dienst bei der „Welt“ und ist Herausgeber des „Deutschland-Briefs“ (erscheint in „eigentümlich frei“).

JF 28/20

Ein Schiff verlegt in der Ostsee Teile der Nord-Stream-2-Pipeline Foto: picture alliance / AP Photo
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