Die CDU-geführte Bundesregierung hat die Frauenquote für Vorstände auf den Weg gebracht, im Bundestag wurde darüber debattiert, wie genau der Begriff „Rasse“ demnächst aus dem Grundgesetz verschwinden oder ersetzt werden soll und natürlich wurden mal wieder jede Menge neue Regeln, Einschränkungen und Verbote beschlossen, die uns allen das Leben retten sollen.
Die vergangene Woche dürfte vielen Menschen im Land ein innerer Grünen-Parteitag gewesen sein. Geradezu grotesk wirkte im Zeitalter des allumfassenden, staatlich verordneten Gesundheitsschutzes die von der ARD mit einem Fernsehfilm und einer dazu passenden Sendung von „hart aber fair“ neuentfachte Diskussion zum Thema Sterbehilfe.
Denn so ethisch relevant die Debatte auch sein mag, selten erschien sie einem fehlplatzierter als in einer Phase, in der uns die Regierenden via Infektionsschutzverordnung bis ins heimische Wohnzimmer hinein vorschreiben wollen, wie wir uns im Privatesten zu verhalten haben. Bevor wir wieder über selbstbestimmtes Sterben nachdenken, sollten wir vielleicht erst einmal zum selbstbestimmten Leben zurückkehren.
So macht sich eine Kirche überflüssig
„Es gibt kein Recht auf das Weihnachtsfest“, verkündete dieser Tage ausgerechnet die Ex-Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Margot Käßmann. Der Ausspruch und die Zustimmung, die sie dafür erhielt, zeigt deutlich, wie sehr sich die Zeiten doch geändert haben. Hatte Gerhard Schröder einst noch verkündet: „Es gibt kein Recht auf Faulheit“, ist diese inzwischen, zumindest für alle „besonderen Helden“, sogar Pflicht, während die einstige Selbstverständlichkeit eines Weihnachtsfestes, im Kreise unserer Liebsten, nicht einmal mehr den Segen der Pfarrerin hat.
Sie macht sich und ihre Institution damit allerdings auch gänzlich überflüssig. Eine Kirche, deren Traditionsverständnis und Gottvertrauen nicht einmal mehr ausreicht, um unbeschwert und ohne staatliche Kontrolle Weihnachten zu feiern, hat ihren geistigen Offenbarungseid geleistet und ausgedient.
Argumentation à la Georg Restle
Ausgedient hat in den Augen vieler auch längst der öffentlich-rechtliche Rundfunk. Das sehen dessen Angestellte und Profiteure naturgemäß völlig anders. Ihnen ist daher auch kein Scheinargument zu billig, um die angeblich dringend benötigte Erhöhung der Zwangsgebühren zu rechtfertigen und zu verteidigen.
„Wo bleiben die VerteidigerInnen des ÖRR angesichts der Kumpanei zwischen der CDU-Fraktion Sachsen-Anhalt und der AfD? Hier geht‘s nicht um Finanzierungsfragen, sondern um eine Schwächung des ÖRR, der Rechtsextremisten in diesem Land ein Dorn im Auge ist“, empörte sich der ARD-Mann Georg Restle. Er war damit selbstverständlich wieder mal nicht der einzige ÖR-Journalist, der sich über den Widerstand gegen die von Zuschauern und Nichtzuschauern erzwungenen Mehreinnahmen für das eigene Haus echauffierte und sich dabei wirklich und völlig unironisch total neutral vorkam.
Wo bleiben die VerteidigerInnen des ÖRR angesichts der Kumpanei zwischen @cdufraktion_LSA und der #AfD? Hier geht’s nicht um Finanzierungsfragen, sondern um eine Schwächung des ÖRR, der Rechtsextremisten in diesem Land ein Dorn im Auge ist.
— Georg Restle (@georgrestle) November 23, 2020
Die Argumentation des Genossen Restle könnte zum ultimativen Trumpf in so mancher Gehaltsverhandlung werden. Nach dem Motto: „Chef, wenn Sie mir nicht mehr Geld geben wollen, dann sind Sie ein Nazi!“ So kann man von den Journalisten des einstigen Bildungsfernsehens heute zumindest immer noch eins lernen: maximales und skrupelloses Abkassieren.
„Cancel Culture“ auf St. Pauli
Auch die „Cancel Culture“ hat diese Woche mal wieder zugeschlagen. Getroffen hat der privatwirtschaftliche Zensurhammer diesmal den Kabarettisten Kay Ray. Der bisexuelle Entertainer galt in der Comedy-Szene schon lange als „Skandalnudel“. Das übrigens im wahrsten Sinne des Wortes. In der Vergangenheit hatte sich der gelernte Friseur bei Auftritten schon mal auf offener Bühne nackt ausgezogen, um Tierfiguren aus seinem Penis zu formen.
„Für sowas wird man in unseren progressiv, linksliberalen Zeiten doch nicht gecancelt“, wird manch „Rechtsreaktionärer“ jetzt vielleicht ausrufen. Er hätte damit zumindest insofern recht, daß Ray tatsächlich nicht wegen seiner künstlerischen Sexkapaden zur Persona non grata wurde. Auch wurde er nicht auf Grund seiner in der Vergangenheit ebenfalls sehr öffentlich ausgelebten Drogen- und Alkoholexzesse von der Bühne gekickt. Die Bühne, auf der der Künstler mit der „Alles kann, nichts muß“-Attitüde künftig nicht mehr auftreten dürfen soll, steht übrigens im Schmidt-Theater auf St. Pauli.
Spätestens an dieser Stelle werden sich wohl nicht wenige auch noch so freiheitlich gesinnte Leser verwundert die Augen reiben und vermutlich mit leicht verängstigte Stimme fragen: „Ja du liebe Zeit, was hat der Wahnsinnige denn bloß getan, daß man ihn auf dem Kiez nicht mehr seine schmutzigen Witze erzählen lassen will?!“ Ganz einfach: Er hat die falsche Religion beleidigt.
Zumindest fühlten sich einige Anhänger dieser Religion, die hier zu nennen wohl unnötig sein dürfte, da sowieso jeder wissen wird, um welche es sich handelt, von dem Komiker beleidigt. In einer E-Mail, die Kay Ray auf seiner Facebook-Seite veröffentlich hat, ließ der Chef des Hamburger Kleinkunst-Theaters, Corny Littmann, den Künstler wissen, daß es nach seiner letzten Late-Night-Show „eine Vielzahl von Beschwerden“ gegeben habe. Es war also ein rundum gelungener Auftritt, würde man denken.
Augen auf bei der Berufswahl
Wer Ray bucht, dürfte nach rund drei Jahrzehnten in denen der humoristische Provokateur nun schon auf der Bühne steht, schließlich wissen, worauf er sich einläßt. Aber weit gefehlt. Das weltoffene Haus schmeißt seinen Künstler raus. Dabei waren es angeblich noch nicht mal Zuschauer, die sich über die zotigen „Türken-Witze“ des Satire-Guerilla beschwert haben sollen. Die werden ja schließlich auch nicht zuletzt wegen dessen berühmt-berüchtigter politischer Unkorrektheit gekommen sein.
In der E-Mail, mit der die früher einmal so wilde Spielstätte die Zusammenarbeit mit dem Künstler aufkündigte, hieß es vielmehr, es habe eine „Vielzahl von Beschwerden unserer MitarbeiterInnen gehagelt, sodaß wir sie kein weiteres Mal in eine Situation bringen möchten, in welcher sie sich während der Arbeitszeit belästigt und beleidigt fühlen“. Das Team könne „inhaltlich nicht hinter dem stehen“, was der Künstler auf der Bühne darbiete.
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Zu so einem Kulturverständnis kann man eigentlich nicht mehr viel sagen, außer vielleicht eins: Augen auf bei der Berufswahl! Die Kriterien haben sich hier allerdings in den vergangenen Jahren deutlich verändert. Wer heute Satiriker sein will, der sollte sich auch darüber bewußt sein, daß er nur so viel darf, wie es ihm das Personal des Theaters, in dem er gerade Auftritt, gestattet.
Wer schnell beleidigt ist und keinen Spaß versteht, kann dafür heute durchaus Kellner in einem Comedy-Nachtclub auf dem Kiez werden oder sogar ein solches Haus betreiben. Wer eine derartig politisch-korrekte Kultur schafft, darf sich demnächst sogar auf noch fettere Subventionen freuen als bisher schon.
Die Bundesregierung hat in dieser Woche schließlich beschlossen, eine Milliarde Euro für den „Kampf gegen Rechts“ locker zu machen. Die Schlangen derer, die darauf warten, die staatliche Gesinnungsterror-Finanzierung abzugreifen, dürften allerdings ziemlich lang werden. Aber in Corona-Zeiten hat man als Theatermacher ja Zeit.