Anzeige
Anzeige

Corona und Öffentlich-Rechtliche: „Gegenbefehl, Genossen!“

Corona und Öffentlich-Rechtliche: „Gegenbefehl, Genossen!“

Corona und Öffentlich-Rechtliche: „Gegenbefehl, Genossen!“

„quer“ über Corona, Wolfgang Wodrag
„quer“ über Corona, Wolfgang Wodrag
„quer“ über Corona, Wolfgang Wodrag in der ZDF-Sendung Frontal21 Fotos: Screenshot Twitter, ZDF / JF-Montage
Corona und Öffentlich-Rechtliche
 

„Gegenbefehl, Genossen!“

Was gestern Verschwörungstheorie war, ist heute Fakt – und umgekehrt. Der öffentlich-rechtlichen Rundfunk hat in der Coronakrise eine radikale Kehrtwende vollzogen. Das Meinungsklima erinnert an das vom Sommer 2015. Wenn etwas im Rachen stecken bleibt, müssen es nicht immer Viren sein – manchmal ist es auch die aktuelle Gebührenerhöhung. Ein Kommentar von Marco F. Gallina.
Anzeige

Was gestern Verschwörungstheorie war, ist heute Fakt – und umgekehrt. Was noch vor zwei Monaten als „rechte Verschwörungstheorie“ abgetan wurde, gilt heute in Sachen Corona als bestätigt; heute sind es dagegen „rechte Verschwörungstheoretiker“, die an den rigiden Maßnahmen in der Coronakrise Zweifel äußern. Die allerjüngste Geschichte deutscher Medien – insbesondere die des öffentlich-rechtlichen Rundfunks – ist keine Geschichte voller Mißverständnisse, sondern davon, wer festlegt, was Wahrheit ist und was nicht. Beispiele gibt es dafür genügend.

Als Corona noch ein „rein chinesisches Phänomen“ war, Deutschland „gut vorbereitet“, und das Robert-Koch-Institut von einer „sehr geringen“ Ansteckungsgefahr ausging, beschworen dieselben Journalisten, die sonst offene Grenzen und die Genüsse der Globalisierung preisen, daß dieses Virus eine ferne Gefahr sei, die uns nicht treffen könnte. Es gab nichts Wichtigeres, als die Gefahr einer Pandemie herunterzuspielen.

Corona sei auf keinen Fall gefährlicher als die Influenza – kaum eine Seite, die nicht 25.000 Grippetote zitierte. Am 24. Januar ordnete die „Tagesschau“ die gewöhnliche Grippewelle als gefährlicher ein, der Spiegel schrieb vier Tage später: „Die Grippe tötet hier Tausende, das Coronavirus bisher niemanden.“ Medizinexperte Christoph Specht behauptete am 21. Januar, es würde nicht viele Ansteckungen geben – und bemerkte am 12. März selbst, daß es mehr Fälle als erwartet gegeben habe.

Twitter

Mit dem Laden des Tweets akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von Twitter.
Mehr erfahren

Inhalt laden

Das „Grippe ist schlimmer“-Argument haben die etablierten Medien über Wochen in das Bewußtsein der Leser und Zuschauer eingehämmert, bis auch der letzte Bundesbürger mit diesem Grundwerkzeug gegen hysterische Fakenews ausgestattet war. Der Einsatz an der Front galt wieder einmal Deutschlands wichtigster Aufgabe: dem Kampf gegen das aufkommende Vierte Reich. Der Öffentlich-Rechtliche-Rundfunk erfüllte seine Aufgabe vorbildlich.

Am 30. Januar ein Feature über den „Coronavirus-Hype“, der auf eine „eine „Erregungs- und Angstgesellschaft“ treffe. Fazit: reine Panikmache, die von Populisten ausgenutzt würde und Klickraten generiere. Ganz ähnlich argumentierte das Format „quer“ im Bayerischen Rundfunk, das in den sozialen Netzwerken bereits traurige Berühmtheit genießt, weil auch hier das Virus vor allem Klicks generiere und das eigentliche Ziel der Rechten – nämlich geschlossenen Grenzen – dienlich sei.

Twitter

Mit dem Laden des Tweets akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von Twitter.
Mehr erfahren

Inhalt laden

„Quer“ hat sein Video mittlerweile gelöscht, wenn auch erst nach Angriffen von „rechten Trollen“, wie das Satiremagazin seine Zuschauer nennt. In einer Stellungnahme heißt es: „Die Faktenlage hat sich geändert. (…) Das angebliche ‘quer’- ‘Skandalvideo’ ist nichts anderes, als ein normaler, journalistisch gut begründeter, auf den damals bekannten Fakten aufbauender Kommentar.“ Mittlerweile macht „quer“ Videos, wie man sich richtig die Hände wäscht.

Auch die „heute-show“ witzelte dazumal über das Virus, obwohl absehbar war, daß schlechte Sketche über eine zwar mehrheitlich mild verlaufende, aber potentiell tödliche Krankheit wie ein Bumerang zurückkommen könnten. Die Satiriker reagierten nicht weniger beleidigt darüber, daß Zuschauer alte Leichen aus dem Keller zogen.

Ein Meinungsklima ähnlich dem vom Sommer 2015

Denn mittlerweile hat sich die Marschrichtung geändert. Vor dem Auftritt der Kanzlerin am 11. März wurde nahezu jeder, der das Coronavirus als virulente Gefahr einstufte, als Panikmacher und Verschwörungstheoretiker diffamiert, desavouierte kritische Stimmen und stigmatisierte sie – ein Klima ähnlich dem vom Sommer 2015.

Nach der Kehrtwende geht es mit demselben Prinzipiengeist in die andere Richtung: wer nun die Gefährlichkeit von Corona infrage stellt, gilt als gefährlicher Verschwörungstheoretiker. Es erinnert alles an eine Rubrik in der anti-kommunistischen Satirezeitung von Giovannino Guareschi, in der die Fehler im kommunistischen Parteiblatt l‘Unità mit dem Aufruf aufgespießt wurden: „Gegenbefehl, Genossen!“

Twitter

Mit dem Laden des Tweets akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von Twitter.
Mehr erfahren

Inhalt laden

Der pikanteste Fall betrifft Wolfgang Wodarg, der noch am 10. März, also kurz vor der Kehrtwende, im ZDF-Magazin „Frontal21“ einen großen Auftritt hatte, um die Panikmache um Corona als Gehirngespinst zu enttarnen. Wodarg galt als ehemaliger SPD-Bundestagsabgeordneter und Epidemiologe dem ZDF als seriös genug. Daß er als Amtsarzt den Hochstapler Gert Postel nicht enttarnt hatte, war als schwarzer Fleck auf der Arztweste vergessen.

Wenige Tage später ist Wodarg zu einem Hauptangriffsziel der Medien geworden, weil er die Krankheit verharmlose. Die Propaganda, die man dem Bürger in medizinischen Dosen verabreicht hat, könnte jetzt die falsche sein. Die besten Argumente gegen Ausgangssperren und Corona-Gesetze bieten die Medien mit ihrer Berichterstattung selbst. Sie haben Skepsis und Zweifel in der Bevölkerung verursacht und zu verantworten.

Ob Wodarg ein seriöser Experte oder ein Verschwörungstheoretiker ist, steht auf einem gesonderten Blatt. Frappierend ist, wie etablierte Medien nicht nur ihre eigenen Worte vergessen, sondern auch, wie schnell sie Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens aussondern, wenn deren Meinung nicht mehr der offiziell zu kommunizierenden entspricht.

Wenn die Gebührenerhöhung im Rachen stecken bleibt

Es soll schon so mancher Katzenbuchautor in einer ZDF-Sendung interviewt worden sein, um nur wenige Tage später von den Medien geächtet zu werden. Wodarg wäre auch nicht das erste SPD-Mitglied, das aufgrund abweichender Meinung plötzlich die Gunst seiner Genossen verspielt hätte – ein ehemaliger Berliner Finanzsenator kann ein Lied davon singen.

Fachleute sind nicht erst seit dieser Krise Mittel zum Zweck. Nicht um aufzuklären, sondern, um eine bestimmte, vorgefertigte Meinung bestätigen zu lassen. Je nach „Faktenlage“ wird die Stimme sondiert, die paßt – und dann ausgetauscht, sobald sich die „Faktenlage“ neuerlich ändert.

Die Idee, daß damalige Hinweise sinnvoll gewesen sein sollen, jetzt aber nicht mehr, entspricht dabei allerdings eher jenen „alternativen Fakten“, über die sich die gesamte Medienwelt empört hatte, als Donald Trump das Wort aufgriff. Journalisten gehen entweder einem seriösen Handwerk nach, oder sie tun es nicht. Der Markt regelt dies üblicherweise, indem Leser ihre Zeitungen abbestellen. Bei den öffentlich-rechtlichen Medien ist das bis heute nicht möglich. Wenn etwas im Rachen stecken bleibt, müssen es nicht immer Coronaviren sein – manchmal ist es auch die aktuelle Gebührenerhöhung.

„quer“ über Corona, Wolfgang Wodrag in der ZDF-Sendung Frontal21 Fotos: Screenshot Twitter, ZDF / JF-Montage
Anzeige
Anzeige

Der nächste Beitrag