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Kritik an Reinhard Mey: Die Selbstverständlichkeit der Macht

Kritik an Reinhard Mey: Die Selbstverständlichkeit der Macht

Kritik an Reinhard Mey: Die Selbstverständlichkeit der Macht

Reinhard Mey
Reinhard Mey
Reinhard Mey: Neuester Getroffener der rigorosen linken intellektuellen Grenzpolitik Foto: dpa
Kritik an Reinhard Mey
 

Die Selbstverständlichkeit der Macht

Die Liste derer, die als Anhänger beziehungsweise Verbreiter und Wegbereiter reaktionär-konservativen respektive neurechten Gedankenguts gelten, ist vielseitig und wird praktisch täglich länger. Neuester Betroffener ist Reinhard Mey. Ein Kommentar von Boris T. Kaiser.
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Dieter Nuhr, Jürgen von der Lippe, Harald Schmidt, Xavier Naidoo, Michel Houellebecq oder Batmans Joker – die Liste derer, die als Anhänger beziehungsweise Verbreiter und Wegbereiter reaktionär-konservativen respektive neurechten Gedankenguts gelten, ist vielseitig und wird praktisch täglich länger. Vor allem alte weiße Männer stehen hier quasi unter Generalverdacht.

Dies führt dazu, daß der Vorwurf immer häufiger auch Leute trifft, bei denen man als unbeteiligter Beobachter nicht so schnell darauf gekommen wäre und die es selbst wohl am allerwenigsten erwartet hätten. Es genügt bereits ein unbedachtes Wort über Feminismus, ein Gender-Gaga-Scherz im Karneval oder ein kritischer Satz über Greta Thunberg, schon gerät man in die Schußlinie der Grenzsoldaten des Sagbaren.

Neuster Betroffener oder besser Getroffener dieser rigorosen intellektuellen Grenzpolitik ist der Liedermacher Reinhard Mey. In dessen Werken sieht der Schriftsteller Michael Ebmeyer „erschreckend viele“ Ressentiments aus der Gedankenwelt der „Neuen Rechten“.

Co-Autor von Heiko Maas‘ Wühltischklassiker

Ebmeyer ist kein Unbekannter oder Anfänger. Er hat bereits mehrere Bücher auf den Markt gebracht. So ist er unter anderem der Verfasser des Werkes „Das Spiel mit Schwarz-Rot-Gold: Über Fußball und Flaggenfieber“ sowie der Co-Autor von Heiko Maas‘ Wühltischklassikers „Aufstehen statt wegducken. Eine Strategie gegen Rechts“.

In seinem Artikel „Der bashende Barde“, der zunächst auf der Zeit Online-Schriftstellerplattform „Freitext“ erschienen ist, dann aber von der Redaktion offenbar für so gut und wichtig empfunden wurde, daß sie ihn auch auf ihre Hauptseite gehievt hat, betont er zwar, daß der deutschsprachigen Chansonnier selbst kein Rechter sei, läßt sich dabei listige Wortspiele, wie „Ja, der Reinhard. Er hat das Herz eben doch auf dem rechten Fleck“, aber dennoch nicht entgehen.

Ebmeyers Mey-Kritik ist vor allem eine Kritik an der gesellschaftlichen Mitte. Diese ist für den kongenialen literarischen Partner von Bundesminister Heiko Maas nämlich „ein gefährlicher Ort“. Warum? Ganz einfach: „Wer in Deutschland die ‘Mitte der Gesellschaft’ für sich beansprucht, der will herrschen“, schreibt der Schriftsteller und macht damit zumindest eindeutig klar, wessen Geistes Kind und Kopfgeburt seine Zeilen sind.

Die tonangebenden Ideologien sind längst andere

An Mey stört den knallroten Autor vor allem, daß dieser „kein linker Agitator, kein Degenhardt, kein Süverkrüp“ ist. Auch wenn er zur Entlastung des Liedermachers positiv anmerkt, daß dieser immerhin ein Kumpel von Hannes Wader und Konstantin Wecker und damit „irgendwie doch links“ sei. Irgendwie ist heutzutage natürlich nicht mehr links genug.

Vor allem, da die einstige Antiherrschafts-Ideologie längst in so ziemlich allen Bereichen die Herrschaft übernommen hat. Das „Bashing“, das der ehemalige Kolumnist des mittlerweile eingestellten Stern-Ablegers Neon dem Sänger vorwirft, besteht daher auch wenig überraschend in dessen musikalisch verpackter Kritik an den derzeit Mächtigen und den heute tonangebenden Ideologien.

Diese sind zwar inzwischen längst andere als damals, als Mey die meisten seiner Liedtexte geschrieben hat, was Ebmeyer aber nicht davon abhält, in seiner Beweisführung ganz weit zurückzugehen. Vielleicht auch deshalb, weil viele dieser Texte heute aktueller klingen denn je. „Ob schwarz, gelb, grün oder rot: Sie sind gleich farblos und gleich schal. / Wenn sie weg sind, merkt man ihre Abwesenheit nicht einmal“, sang der Berliner Populärsänger bereits 1985 über die von ihm wahrgenommene Parteieneinfalt.

Im Song „Was in der Zeitung steht“(1983), in dem Mey „den beiläufigen Rufmord durch selbstgefällige und gewissenlose Schreiberlinge“ kritisiert, sieht der Journalist bereits die Grundlange für das heutige „Lügenpresse“-Narrativ und den Zorn der „Wutbürger“. Die Begriffe selbst hat der Liedermacher damals natürlich noch nicht verwendet.

Die Macht im „Wir sind mehr“-Staat ist breit verteilt

Er hätte sie aber wahrscheinlich durchaus gebrauchen dürfen, wenn er gewollt und sie bereits gekannt hätte; erstanden all diese Texte doch in einer Zeit, in der es die Mächtigen in Politik und Medien gewohnt waren, von Künstlern kritisiert zu werden und auch damit leben und umgehen konnten. Auch dann, wenn diese Kritik mal sehr scharf oder sogar unfair formuliert wurde. Die heutigen Meinungshoheiten sind bei solcherlei Majestätsbeleidigung wesentlich empfindlicher. Sie wollen nicht nur bestimmen, wer sie kritisieren darf, sondern vor allem auch in welcher Form das erlaubt sein soll. Nämlich am besten überhaupt nicht.

Durch erfolgreiches Framing von Begriffen wie „Lügenpresse“, „Zwangsgebühren“ oder auch „großer Austausch“, ist es jenen, die mit diesen Worten kritisiert werden sollen, gelungen, diese so sehr zu brandmarken, daß ihre Verwendung den Kritikern weit mehr schadet als den damit Kritisierten. Dies konnte vor allem deshalb so gut gelingen, weil die Macht im „Wahrheitssystem“ des „Wir sind mehr“-Staates zwar ideologisch völlig einseitig, dafür gesellschaftlich aber ziemlich breit verteilt ist.

So breit, daß die eigene Dominanz für viele Linksliberale Meinungsmacher inzwischen so selbstverständlich geworden ist, daß sie sich offenbar nicht einmal mehr vorstellen können, daß es auch einmal andere Zeiten gegeben haben könnte. Anders läßt es sich kaum erklären, daß heute ein sehr linker Meinungsmacher einen ziemlich linken Liedermacher für seine Kritik an den Mächtigen seiner musikalischen Sturm-und-Drang-Zeit attackiert, obwohl dieser die Eliten von damals doch für all die Dinge beschimpft hat, wegen der linke Meinungsmacher wie er heute regelmäßig zum Shitstorm blasen.

Reinhard Mey: Neuester Getroffener der rigorosen linken intellektuellen Grenzpolitik Foto: dpa
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