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Der Fall Lüth und die AfD: Kaisers royaler Wochenrückblick

Der Fall Lüth und die AfD: Kaisers royaler Wochenrückblick

Der Fall Lüth und die AfD: Kaisers royaler Wochenrückblick

Vorhang auf für Boris T. Kaisers Wochenrückblick Foto: : picture alliance/imageBROKER / JF-Montage
Vorhang auf für Boris T. Kaisers Wochenrückblick Foto: : picture alliance/imageBROKER / JF-Montage
Vorhang auf für Boris T. Kaisers Wochenrückblick Foto: : picture alliance/imageBROKER / JF-Montage
Der Fall Lüth und die AfD
 

Kaisers royaler Wochenrückblick

Die AfD und ihre Anhänger begeben sich nach Bekanntwerden der ekelhaften Äußerungen ihres früheren Pressesprechers Christian Lüth mal wieder in die Opferrolle. So verständlich ein erster Verteidigungsreflex sein mag, sollte man sich über den Zustand der Partei keine Illusionen machen. Dabei trat die AfD einmal an, das Parteiensystem auszumisten. Boris T. Kaiser blickt zurück.
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Was war das für ein politischer Paukenschlag diese Woche. Eine Dokumentation des Fernsehsenders ProSieben hat ein Gespräch des ehemaligen AfD-Pressesprechers Christian Lüth mit einer YouTuberin öffentlich gemacht, in dem dieser davon fantasierte, Migranten zu „erschießen“ oder zu „vergasen“. Das rechte Lager ergießt sich nun, ganz so als wolle man den hoffentlich letzten Ratschlägen Lüths folgen wollen, wieder einmal in der Opferrolle.

Dort, wo man sonst Leaks aus dem Privatleben politischer Gegner und Investigativ-Recherchen wie die der konservativen US-amerikanischen Journalisten von „Projekt Veritas“ feixend abfeiert, solange sie nur die Richtigen treffen, weint man nun bittere Krokodilstränen.

Und selbst vermeintliche Libertäre entdecken auf einmal ihre fast schon sklavische Gesetzestreue und Sorgen sich mehr um den Datenschutz und die Privatsphäre eines Möchtegern-Obersturmbannführers als darum, was in Gaulands gäriger Jauchegrube noch so alles vor sich hingären könnte.

So verständlich ein erster Verteidigungsreflex, zumindest für jeden der über Christian Lüth bisher so gar nichts wußte, gegen die vermeintlich unfaire „Lügenpresse“ sein mag und so sehr dieser Reflex durch die fast durchgehend tendenziöse Berichterstattung in den deutschen Medien täglich neu gefüttert wird, muß man mit ein wenig Abstand doch eingestehen, daß das, was die Macher der Doku da gemacht haben, weder sonderlich unmoralisch noch sonst irgendwie besonders verurteilenswert war.

Nicht vergleichbar mit dem Ibiza-Gate

Es war schlicht und ergreifend klassischer Enthüllungsjournalismus. Daß das, was dieser enthüllt, für manche unangenehm ist, ist so natürlich wie Christian Lüth und seine Aussagen ekelhaft sind.

Auch der gerne herangezogene Vergleich vom Ibiza-Gate rund um Ex-FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache zieht nicht. Denn während zu HC Strache über Dritte monatelang ein Vertrauensverhältnis aufgebaut wurde und man dem Österreicher selbst in stundenlangen Aufnahmen unter ständigem Alkoholeinfluß kaum eine tatsächlich verwerfliche Äußerung entlocken konnte, mußte eine ihm weitgehende unbekannte junge Frau bei Lüth nicht einmal lange nachfragen, um bei ihm sämtliche Hormone und moralischen Sicherungen durchbrennen zu lassen.

Daß so einer sich in einer Partei, die eine „Alternative für Deutschland“ sein will, nicht nur so lange halten konnte, sondern zwischenzeitlich sogar ausgerechnet der Pressesprecher ihrer Bundestagsfraktion war, spricht Bände.

Dabei hätte jeder wissen können, wie der Mann drauf ist. Den vielen skandalösen Geschichten über ihn, die einem aus Parteikreisen schon vor dem finalen Skandal erzählt wurden und die weit über politideologische Nazi-Entgleisungen hinausgehen, war der Kreis der Wissenden, in der und um die AfD, auch relativ groß. Wer ihn dennoch so lange geschützt hat, kennt offenbar entweder den Unterschied zwischen dem konservativen Wert der Loyalität und linker, gemeinschaftlicher Niedertracht nicht oder muß selbst etwas zu verbergen haben, was eben jenes Bündnis der Niedertracht zusammenschweißte. Sonst käme als Grund für die Ignoranz nur noch massive Dummheit in Frage.

Die Wahrheit nicht wahrhaben wollen

Vielleicht haben manche die Wahrheit über den Parteifreund auch einfach nicht wahrhaben wollen und hatten die Hoffnung, daß sein allseits bekannter Spitzname „Lügen-Lüth“ ein Garant dafür sei, daß diese auch nie ans Licht käme. In all diesen Fällen sollten die Betroffenen künftig besser keine Verantwortung mehr in der AfD tragen, weil diese sonst bald schon wieder der gesamten Partei auf die Füße fallen wird.

Schließlich ist ziemlich sicher damit zu rechnen, daß die Enthüllungen aus der ProSieben-Produktion nur die Spitze eines sehr tiefgehenden Eisbergs der Schande sind. Wer mit Verweis auf den Begriff „Gedächtnisprotokoll“ wirklich noch immer daran glaubt, daß es sich bei Christian Lüth um eine Art Unschuldsengel handelt, dem die böse „Feindpresse“ nur etwas anhängen wollte, hat weder eine Ahnung vom Innenleben der AfD noch davon, wie Medienmechanismen funktionieren.

Wer Lüth für einen Einzelfall hält, sollte sich zumindest einmal selbst fragen, wie ein solcher Einzelfall sich bei seiner derartig offensichtlichen Unvorsichtigkeit denn Bitteschön in einem ansonsten anständigen und unbefleckten Umfeld halten konnte ohne irgendwann daraus verbannt zu werden; und warum er seine eigene Verkommenheit erst zur besten Sendezeit in Millionen von Wohnzimmern rülpsen mußte, um aufzufliegen.

Keine Illusionen machen

Man sollte sich keine Illusionen machen. Daß Christian Lüth am Ende ausgerechnet über eine so zwielichtige Gestalt wie Lisa Licentia gestolpert ist, ist nur das würdige Ende eines einer jeden rechten oder konservativen Partei unwürdigen hohen Mitarbeiters. Ebenso unwürdig sind übrigens die mangelnde Transparenz und die ausweichenden Formulierungen mit der die Partei nun versucht die Causa Lüth zu erklären.

Auch billige Ausreden, wie darauf hinzuweisen, daß es doch auch in anderen Parteien immer wieder menschliche Totalausfälle in hohen Positionen gäbe, helfen mit Sicherheit nicht weiter. Die Wähler können von einer Partei, die sich die traditionellen Werte so sehr auf die Fahnen geschrieben hat wie die AfD, zu Recht erwarten, daß sie genau hier den Unterschied im Parlament macht.

Wenn die AfD, die ja einst angetreten ist, um das alte Parteien-System „auszumisten“, nicht endlich damit anfängt, gemäß der eigenen Wertmaßstäben und unabhängig von politischen Richtungsstreitereien sowie falscher Allianzen und Solidaritäten wirklich konsequent in den eigenen Reihen auszumisten, hat sie ihre Stellung als Alternative für Deutschland bald ein für alle Mal verspielt. In diesem Sinne: Einen gesegneten Nationalfeiertag!

Vorhang auf für Boris T. Kaisers Wochenrückblick Foto: : picture alliance/imageBROKER / JF-Montage
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