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Sommer-Pressekonferenz: Überlebenskünstlerin statt lahme Ente

Sommer-Pressekonferenz: Überlebenskünstlerin statt lahme Ente

Sommer-Pressekonferenz: Überlebenskünstlerin statt lahme Ente

Merkel
Merkel
Bundeskanzlerin Angela Merkel am Freitag bei der Bundespressekonferenz Foto: picture alliance/Wolfgang Kumm/dpa
Sommer-Pressekonferenz
 

Überlebenskünstlerin statt lahme Ente

Nach ihren Erfolgen der vergangenen Woche wird mit Angela Merkel bis 2021 weiter zu rechnen sein. Ihre Stellung als Regierungschefin ist unangefochten. Die Schwäche der SPD ist dabei ein Glücksfall für die Kanzlerin. Ein Kommentar von Jörg Kürschner.
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Angela Merkel entwickelt sich immer mehr zu einer Überlebenskünstlerin. Politisch nach desaströsen Landtags- und Europawahlen bereits totgesagt und gesundheitlich angeschlagen wegen ihrer Zitteranfälle, präsentiert sie sich nach einer turbulenten Arbeitswoche in Hochform.

Kein Wunder, lief doch in Straßburg und in Berlin alles nach Plan – nach ihrem Plan. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen konnte nach miserabler Leistungsbilanz auf den EU-Chefposten abgeschoben werden, Annegret Kramp-Karrenbauer ist als neue Ressortchefin in Merkels Kabinettsdisziplin eingebunden und kann ihren verstolperten Start als CDU-Chefin vergessen machen.

Alles lief nach Plan

Insofern lief alles nach Merkels Wunsch. Keine Frage: Die drei CDU-Frauen beherrschten die politische Agenda der letzten Tage. Kritik, etwa an der fachlichen Eignung von Kramp-Karrenbauer, bügelt Merkel weg. Daß von der Leyen es zur Kommissionspräsidentin nur mit den Stimmen der ungeliebten, weil EU-kritischen polnischen Regierungspartei PiS geschafft hat, mußte die Kanzlerin zwar indirekt einräumen, doch kann dieser „Schönheitsfehler“ ihre Freude über das Postengeschacher nicht trüben.

Am kommenden Mittwoch setzt der Bundestag mit einer Sondersitzung den Schlußpunkt: Kramp-Karrenbauer wird vereidigt und gibt eine Regierungserklärung ab. Operation gelungen. Derzeit ist Merkel also keinesfalls die lahme Ente (lame duck), trotz ihrer auf der traditionellen Sommer-Bundespressekonferenz bekräftigten Absicht, 2021 aus der Politik auszuscheiden. Ihre Stärke potenziert sich aufgrund der Schwäche des Koalitionspartners SPD.

Ein unfaßbar langes halbes Jahr nehmen sich die Sozialdemokraten Zeit, um ihre Führung neu zu organisieren. Und es kommt noch schlimmer. Merkels Ex-Vizekanzler, der langjährige SPD-Chef Sigmar Gabriel, hat ihr gerade einen liebevollen Geburtstagsbrief geschrieben. „Sie hat dem Land gut getan“, schwärmt der SPD-Mann über die CDU-Frau. Arme SPD!

Merkel konkurriert mit den Grünen

Wenn die SPD die Koalition tatsächlich zum Jahresende aufkündigen sollte, wird die Union als einzige handlungsfähige politische Kraft in schwieriger Zeit wahrgenommen werden. Vorteil Merkel. Und die Opposition? Die FDP dämmert im Sommerloch, die Grünen genießen still ihren Umfrage-Höhenflug, die Linke hadert mit dem Rückzug ihrer Parteiikone Sahra Wagenknecht, die AfD liefert sich handfeste Flügelkämpfe.

Über allem thront Merkel trotz Verfallsdatums spätestens bis Ende 2021. Die befürchteten schlechten Ergebnisse bei den bevorstehenden Landtagswahlen in Brandenburg, Sachsen und Thüringen werden ihre unangefochtene Stellung kaum schmälern. CDU-Vorsitzende ist schließlich Kramp-Karrenbauer.

Merkel kümmert sich um die Sachpolitik, also innenpolitisch um die zu erwartende CO2-Steuer, weil die 16jährige schwedische Klima-Schulschwänzerin Greta Thunberg sie inspiriert habe, bekannte die Kanzlerin. Sie will den Grünen deren Alleinstellungsmerkmal, die Umweltpolitik, streitig machen. Der Wahlkampf läßt grüßen.

Keine EU-Lösung bei Migranten

Und die Flüchtlingspolitik, die Dauer-Achillesferse der Regierungschefin? Da mußte sie jetzt einräumen, daß eine EU-Lösung für Flüchtlingsschiffe im Mittelmeer weiterhin nicht in Sicht ist. Merkel bleibt die Antwort schuldig. Seit Jahrzehnten ist auch die Antwort auf die Frage nach ihrem inneren Kompaß offen. Vielleicht eine Voraussetzung für die politische Überlebenskünstlerin.

Bundeskanzlerin Angela Merkel am Freitag bei der Bundespressekonferenz Foto: picture alliance/Wolfgang Kumm/dpa
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