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Reschke und Rackete: Panorama: Wenn das Farbfernsehen schwarzweiß sendet

Reschke und Rackete: Panorama: Wenn das Farbfernsehen schwarzweiß sendet

Reschke und Rackete: Panorama: Wenn das Farbfernsehen schwarzweiß sendet

Reschke Rackete
Reschke Rackete
Anja Reschke (links) und Carola Rackete Foto: picture alliance / AP Photo / dpa / JF-Montage
Reschke und Rackete
 

Panorama: Wenn das Farbfernsehen schwarzweiß sendet

Wer das manipulativ-brillante Meisterwerk der „Panorama“-Redaktion über Carola Rackete und die Sea-Watch 3 sehen durfte, kommt aus dem Staunen nicht mehr heraus. Und es stellt sich die Frage, ob der von Anja Reschke gerühmte Haltungsjournalismus nicht ein gefährliches Eigenleben entwickelt hat. Ein Kommentar von Marco F. Gallina.
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Wer das manipulativ-brillante Meisterwerk der „Panorama“-Redaktion sehen durfte, kommt aus dem Staunen nicht mehr heraus. Es ruft Erinnerungen wach: nämlich an Peter Scholl-Latour, der bereits im Irak-Krieg 2003 das Übel des „embedded journalism“ kritisierte. In der Welt resümierte das journalistische Urgestein damals: „Ich halte auch nichts von so genannten ‘embedded journalists’, die bringen doch nichts. Da ist keine Analyse dabei, sondern vor allem Bumbum-Bilder.“ Embedded Journalists, das sind Kriegsberichterstatter an vorderster Front, die allerdings brav das berichten, was die patriotische Heimatfront auch erwartet.

Die patriotische Heimatfront, das ist im demilitarisierten, aber ideologisch grün inspirierten Deutschland jene Zuhörerschaft, deren Mantra „Refugees welcome“ lautet. In der gesamten Dokumentation wird nicht ein einziges Mal der Blickwinkel des italienischen Grenzschutzes oder der Einwohner von Lampedusa eingenommen. Die Beamten, das sind die grauen Männer; die Italiener an der Mole, das sind die haßerfüllten Fratzen ohne Hintergrund. Anders die Flüchtlinge an Bord: sie sind ausgeliefert, hilflos, Folter und Schrecken entkommen. Anders die Crew: selbstlos und von den Behörden drangsaliert. Ihre Anführerin: die Antigone unserer Tage, in Pose gesetzt vor poetischer Mittelmeerkulisse.

Wie weit darf Haltungsjournalismus gehen?

Es hilft da wenig, wenn Anja Reschke in einem kurzen Faktencheck sagt, man hätte ja nicht wissen können, daß Tage später ein Notruf einging. Ganz abgesehen von dem offensichtlichen Einwand, daß genau dies der Sinn der Fahrt gewesen ist – es trifft nicht den Punkt.

Den Vorwurf, den sich die ARD gefallen lassen muß, steht nämlich auf einem anderen Blatt. Mit dem größten europäischen Fernsehsender im Rücken geht eine deutsche Skipperin auf Kollisionskurs mit der italienischen Regierung. Die Arroganz, beinahe ein italienisches Militärschiff aufzubringen – in der Doku liebevoll „Polizeiboot“ genannt, das sich erdreistet, die Mole zu versperren – ist wohl nicht zuletzt damit zu erklären, daß moralische wie mediale Selbstgewissheit herrschten. Die Guardia di Finanza, immerhin auch italienischer Grenzschutz, wird dann wegen angeblicher Todesangst verhöhnt.

Was sich Bahn bricht, ist ein ausgeprägtes Mißtrauen, ob der Haltungsjournalismus, den sich Reschke wie auch ihr Kollege Georg Restle öffentlichkeitswirksam auf die Fahne geschrieben haben, nicht ein Eigenleben entwickelt hat. Eines, das auch eine großangelegte Inszenierung der Causa Rackete zuläßt, um den moralischen Gegenspieler in Italien unter Druck zu setzen. Daß der Kollege Jan Böhmermann vom ZDF nur wenige Minuten später mit einer Spendenaktion bereitstand und die ganze Sache weniger Seenotrettung, denn PR-Coup für Sea-Watch war, hatte schon von Anfang an für einen herben Beigeschmack in gesorgt.

Seenotrettung sei kein Verbrechen, so wird wiederholt. Es insinuiert, daß in Italien Rechte gebrochen würden, statt eingehalten zu werden. Fakt ist: Während Rackete mit ihrer Crew und dem ARD-Team zwei Wochen vor Lampedusa schipperte, brachte die Küstenwache dutzende Gerettete auf die Insel. Das zeigt, daß es Italien weniger um ein Verbot der Seenotrettung, als um ein Verbot dubioser NGOs geht, die nicht pragmatisch orientiert den nächsten freien Hafen aufsuchen, sondern ihre Agenda durchdrücken.

Seenotrettung – all inclusive

Die Menschenretter müssen sich entscheiden: entweder gab es eine Notsituation an Bord, dann hätte das Schiff sofort im nächsten freien Hafen anlegen müssen, statt die Geretteten wochenlang vegetieren zu lassen; oder es gab keine Notsituation, dann gab es keinen Grund, die Gesetze eines souveränen Staates zu brechen.

Warum also nicht Tunesien? Rackete im Bild-Interview: weil es dort keine Asylgesetzgebung gebe. Eine Antwort, die von Sea-Watch und ihren Unterstützern mit Routine unterstützt wird. Ein „sicherer“ Hafen hat nicht etwa sturmsicher zu sein, und medizinische Versorgung zu liefern, sondern er muß zugleich die Einwanderung der Geretteten bieten. Seenotrettung – all inclusive.

Wenn Bundespräsident und Bundesregierung sich in einem Akt uneingeschränkter Solidarität hinter Rackete stellen, stellen sie sich zugleich hinter eine Politik, die nichts weniger fordert, als die massenhafte, illegale Einwanderung nach Europa, denn „Asyl kennt keine Grenzen“. Es sind Schlagworte und populistische Abkürzungen, die Rackete und der mediale Anhang zelebrieren. Rackete glaubt, sich in Italien strafbar machen zu können und hat kein Problem damit, italienische Gesetze auszuhebeln und italienische Grenzbeamte in Lebensgefahr zu bringen. Eine halbe Million Menschen müßten in Libyen abgeholt werden.

Schuld an allem: der „Zusammenbruch des Klimasystems“ und der Kolonialismus. Die offensichtliche Frage, warum zu Zeiten der düsteren Kolonialherrschaft kein Migrationsdrang bestand, sondern erst heute, über ein halbes Jahrhundert nach dem Ende des Kolonialismus, bleibt unbeantwortet.

Die deutsche Politik, die deutschen Medien – sie haben sich seit 2015 nicht geändert. Mit fatalen Aussichten für die Zukunft, wenn „Libyen“ nur zu einer Chiffre für „Budapest“ wird.

Anja Reschke (links) und Carola Rackete Foto: picture alliance / AP Photo / dpa / JF-Montage
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