„Gewissen Geistern muß man ihre Idiotismen lassen“ hätte sich der alte Geheimrat wohl kopfschüttelnd beim Anblick des Klopapier-Sturms auf sein Gartenhaus in Weimar gedacht. Das Künstler-Kollektiv „Frankfurter Hauptschule“ hatte Dutzende Klopapierrollen in den Vorgarten von Johann Wolfgang von Goethe geworfen. Man wollte damit gegen Goethes „Frauenbild“ protestieren. 187 Jahre nach seinem Tod macht das natürlich auch Sinn…
Mehr Sinn hätte es gemacht, gegen das Frauenbild im Islam zu protestieren und gegen die Länder, welche noch heute die Frauenrechte mit Füßen treten. Eine „Klopapier-Session“ gegen die Botschaft von Saudi-Arabien oder dem Iran hätte wirksam auf die prekäre Situation der Frauen dort aufmerksam gemacht. Aber soviel „Eier“ haben diese Aktivisten anscheinend nicht.
„Vergewaltigungslyrik“
Die „Frankfurter Hauptschule“ besteht laut eigenen Angaben aus etwa 20 Mitgliedern, die meisten von ihnen seien Kunststudenten aus dem Raum Frankfurt am Main. Auf ihrer Homepage beschreiben sie, daß sie während der Aktion Goethes Gedicht „Heideröslein“ zitiert hätten und begründen die Kritik daran, daß das Gedicht „eine Art Vergewaltigungslyrik“ sei. Per Twitter posteten die Möchtegern-Aktivisten: „Wir haben das Goethe-Haus in Weimar geschändet“.
Daß allein vom Begriff der „Schändung“ derart viel Gewalt und Haß ausgeht, scheint die verklärten Weltenretter nicht zu stören, der Zweck scheint die Mittel zu heiligen. Warum man sich nun den größten Dichter deutscher Kultur für diese Aktion ausgesucht hat, liegt für die linken Kulturrelativierer auf der Hand: „Goethe ist nun mal nicht irgendein alter, weißer Mann, sondern DER alte, weiße Mann“.
Wie weit wollen die Herrschaften von „Hauptschule Frankfurt“ denn noch (zurück)gehen? Wann nimmt man sich Egon Schiele für seine Frauendarstellungen zur Brust? Oder wann ächtet man Rubens Akte als „Body Shaming“?
„Machtgefälle“ zwischen Mann und Frau
Auch an der Diffamierungs-Kampagne gegen den bolivianisch-schweizerischen Schriftsteller Eugen Gomringer war das Frankfurter Künstler-Kollektiv maßgeblich beteiligt. Was da los war? Im Zuge der Verleihung des Alice-Salomon-Poetik-Preises 2011 an Eugen Gomringer, ließ die gleichnamige Hochschule in Berlin Hellersdorf sein Gedicht „ciudad“ (auch als „avenidas“ bekannt) an die Fassade der Uni malen. Das Gedicht aus dem Jahr 1951 lautet:
„Alleen / Alleen und Blumen / Blumen / Blumen und Frauen / Alleen / Alleen und Frauen / Alleen und Blumen und Frauen und ein Bewunderer“
Nach jahrelanger Debatte forderte der AStA (Allgemeine Studierendenausschuß), das Gedicht zu entfernen, da der Text „Frauen herabsetze“. Da hier Frauen von einem Mann „bewundert“ werden, gäbe es ein Machtgefälle zwischen Mann und Frau. Letztendlich ließ die Berliner Hochschule das Gedicht übermalen, damit war die Welt wieder kurz vor knapp vor dem Untergang gerettet worden.
Welches „Männerbild“ haben diese Frauen?
Ich habe an dieser Stelle eine persönliche Frage, nämlich, welches „Männerbild“ diese Menschen haben? In fast jeder Interaktion zwischen Mann und Frau sieht man Sexismus. Männliche Kunst, Literatur oder Musik ständig zu sexualisieren ist ebenfalls ein Akt der sexuellen Diskriminierung! Männer begehren Frauen und Frauen begehren Männer. Es gibt Männer, die Macht über Frauen ausüben und es gibt Frauen, die mit der „Macht des Schoßes“ spielen. Ich würde sagen, Männer und Frauen sind quitt! Jedenfalls in unserer Gesellschaft. Und was ist mit der Gewalt, die Frauen Männern antun? Wenn Frauen Männern ihre Kinder verwehren und somit die Vaterschaft entziehen? Was ist mit diesem „Machtgefällte“?
Dazu fällt mir ein, daß die englische Frauenrechtlerin und Philosophin Mary Wollstonecraft (1759-1797) was sehr kluges gesagt hat: „Ich wünsche mir nicht, daß Frauen Macht über Männer haben, sondern über sich selbst.“
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Laila Mirzo wurde 1978 als Tochter einer Deutschen und eines kurdischen Syrers in Damaskus geboren und verbrachte ihre Kindheit auf den Golanhöhen. Sie arbeitet unter anderem als Kolumnistin und Buchautorin.