Jürgen von der Lippe will keine Witze über den Islam machen. Genauer gesagt: Er traut sich nicht. Nicht nur, weil er, wie er selbst sagt, in das Thema „nicht genug eingelesen“ ist, sondern schlicht und ergreifend aus Angst. „Da ist mir mein Leben wichtiger als ein guter Gag“, bekannte der prominente Fernsehunterhalter ganz offen in einem Interview mit der Bild am Sonntag.
Die Aussage ist beachtlich. Zumal dem Humoristen in Sachen Religion sonst wenig heilig ist. Witze über den Katholizismus gehören so selbstverständlich zu von der Lippes Bühnenprogrammen wie die schrillen Hawaiihemden und seine legendären Peter-Maffay-Imitationen. Mit der Komödie „Nich‘ mit Leo“ widmete der ehemalige Meßdiener dem Beruf des Pfarrers und der katholischen Kirche einst gar gleich einen ganzen Film.
Dieter Nuhr muß sich als „Haßprediger“ beschimpfen lassen
Allzu große Angst vor wütenden Christen, die unter „Gott ist groß“-Rufen bewaffnet ein Kino oder einen Theatersaal stürmen, muß ein Komiker ganz offensichtlich nicht haben. Dennoch gelten Witze über die Kirche und das Christentum auf deutschen Kabarett-Bühnen noch immer als Gipfel der Kühnheit und bringen dem Kleinkunst-Helden zumindest einen sicheren Zwischenapplaus pro Abend.
Komiker, die Witze über den Islam machen, sucht man dagegen in der weiten Unterhaltungslandschaft meist vergebens. „Über jede andere Religion kann man ja reden, nur über den Islam nicht, weil es zu konkreter körperlicher Gewalt führt. Sie können alles über Christus sagen, aber nicht über Mohammed“, bemängelte einst der Kabarettist Dieter Nuhr, der sich die Freiheit der humoristischen Islamkritik trotz allem selbst immer wieder rausnimmt. Dafür bekam er bereits eine Anzeige wegen Islambeleidignung und darf – mit richterlicher Genehmigung – von Salafisten als Haßprediger bezeichnet werden. Aber immerhin: Er lebt noch!
Nicht immer führt Satire über den Islam also direkt zu Mord. Manchmal auch nur zu Rufmord. Dies mußte der Moderator Niels Ruf feststellen. Der Entertainer thematisiert auf Twitter immer wieder mit bitterbösen satirischen Tweets Frauenunterdrückung, Gewalt und Terror im Islam. Von weiten Teilen der linksliberalen Presse wird er dafür regelmäßig virtuell gesteinigt. So sehr „Charlie“ ist man dann eben doch nicht.
Über Jesus kann man gefahrlos Witze machen
Vor allem die HuffPost hat sich regelrecht auf den Islamkritiker eingeschossen. Religionskritik ist – auch und gerade in den Hipster-Redaktionen des modernen Journalismus – eben nur dann wirklich angesagt, wenn das Christentum kritisiert wird. Wer als Komiker Leben und Ruf nicht riskieren will, sollte sich daher an althergebrachte Humor-Kost halten.
Genüßliches Herziehen über die Juden in der AfD? Kein Problem. Billige Zoten über den Papst? Gerne. Wenn auch nicht unbedingt über den aktuellen, denn der ist ja quasi ein Genosse. Geschmacklose Witze über die Kreuzigung von Jesus Christus? Da schlägt sich der Berlin-Mitte-Journalist vor Lachen die Schenkel blutig und prustet seinen Latte Macchiato aufs MacBook.
Unbedingt vermeiden sollten Sie als politisch korrekter und am Leben hängender Spaßmacher dagegen das Karikieren des islamischen Propheten und jede Bemerkung, die nahelegt, daß Islamismus irgendetwas mit dem Islam zu tun haben könnte. Zur genaueren Schulung in diesem Sinne sind sämtliche Programme des Kabarett-Ideologen Hagen Rether und natürlich jeden Freitag die ZDF-„heute show“ zu empfehlen.
Bekenntnis zur Angst gilt schon als Mut
Die Behauptung, Satire dürfe alles, war vor allem in Deutschland nie ganz richtig. Selten aber war in der Geschichte der Bundesrepublik die Aussage falscher als heute. Jürgen von der Lippe kritisierte im Interview auch die „Political Correctness“, die er als „eine der großen Geißeln unserer Tage“ bezeichnet. Wie sehr politische Korrektheit und Islam die Deutschen mittlerweile tatsächlich eingeschüchtert haben, zeigen auch die weitgehend positiven Reaktionen vieler Menschen auf die „mutigen Aussagen“ von der Lippes im Internet. In einem Land, in dem bereits das Bekenntnis zur Angst als mutig gilt, kann es sowohl mit dem Mut als auch mit der Freiheit nicht mehr weit her sein.