Erwartungsgemäß war es gar nicht erforderlich, den Beginn der schwarz-grün-gelben Koalitionsverhandlungen abzuwarten, um zu erfahren, daß der „Obergrenzen“-Kompromiß der Unionsparteien das Papier nicht wert ist, auf dem er ausgedruckt wurde. Die Schätzung des Auswärtigen Amtes, bis 2018 könnten weitere 270.000 Angehörige von Syrern und Irakern per „Familiennachzug“ nach Deutschland geschafft werden, bestätigt vor allem eines: In der Einwanderungspolitik ist weiter alles außer Kontrolle.
Wie lange diese Wasserstandsmeldung gilt, weiß ohnehin kein Mensch. Frühere Berechnungen, die vor einigen Wochen inoffiziell durchgesickert waren, gingen noch von 390.000 möglichen Visa zur „Familienzusammenführung“ bis nächstes Jahr aus. Vor der amtlichen Veröffentlichung hat man offenbar noch einmal einen Beruhigungsfilter darüberlaufen lassen. Wie viele Einzelpersonen sich dahinter verbergen, ist ebenfalls offen.
Die schwarzen Wahlberliner in der Hand
Die Nachzugsvisa gelten jeweils für eine Familie; man darf getrost davon ausgehen, daß in der Regel mehr als eine Person die Eintrittskarte nutzen wird. Zudem ist die derzeit noch geltende Aussetzung des Familiennachzugs für „Flüchtlinge“, die lediglich „subsidiären Schutz“ genießen, eine wackelige Angelegenheit. Offiziell will die Union die Regelung zwar noch ein Weilchen verlängern, die Grünen sind aber strikt dagegen.
Was Merkel alles unterschreiben wird, um schließlich noch einmal zur Kanzlerin gewählt zu werden, kann niemand sagen; im Zweifelsfall alles. Die kleinen Koalitionspartner haben die schwarzen Wahlverlierer in der Hand. Daß die FDP sich als Korsettstange erweisen würde, wäre eine haltlose Spekulation. Im Kieler Küsten-„Jamaika“ hat sie eben erst eine Resolution zur Ausweitung des Familiennachzugs mitgetragen.
Supermarkt Deutschland
Die Lippenbekenntnisse, Familiennachzügler mit als „Asylbewerber“ deklarierten illegalen Immigranten bis zu einer willkürlichen Gesamtzahl zusammenzurechnen, sind Verschleierungsmanöver ohne Substanz. Eine Bundesregierung, die den Zuzug tatsächlich begrenzen wollte, müßte zuerst dazu zurückkehren, Recht und Gesetz wieder konsequent anzuwenden, die Grenzen zu schließen und Asylbewerber, die über sichere Drittstaaten einreisen, ausnahmslos zurückzuweisen.
Der Wille dazu ist nirgends erkennbar, auch nicht in dem faulen Unions-Papier. Statt die Kontrolle zurückzugewinnen, wird der Kontrollverlust mit scheinlegalen Etiketten überklebt. Die Behörden begnügen sich damit, Mißbrauch und Rechtsbruch so gut es geht zu protokollieren und nachträglich abzustempeln, und geben ab und zu Statistiken heraus, die suggerieren sollen, man hätte eine Ahnung oder einen Einfluß darauf, was sich im Lande so abspielt.
Das Gegenteil ist der Fall. Deutschland gleicht weiter einem unbewachten Supermarkt mit rund um die Uhr geöffneten Türen, in dem sich jeder Plünderer nach Belieben bedienen kann.