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Österreichs neue Regierung: Menetekel für Merkel

Österreichs neue Regierung: Menetekel für Merkel

Österreichs neue Regierung: Menetekel für Merkel

Sebastian Kurz (r.) und Heinz-Christian Strache
Sebastian Kurz (r.) und Heinz-Christian Strache
Bundeskanzler Sebastian Kurz (r.) und Vize Heinz-Christian Strache Foto: picture alliance / AP Photo
Österreichs neue Regierung
 

Menetekel für Merkel

Politiker wollen regieren, nicht opponieren. Die Beteiligung der FPÖ an der neuen Regierung in Österreich ist der bisher größte Erfolg einer sogenannten rechtspopulistischen Partei. Die AfD kann viel von den österreichischen Freiheitlichen lernen. Ein Kommentar von Andreas Unterberger.
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Der größte Erfolg im langen politischen Leben des österreichischen Freiheitlichen-Chefs Heinz-Christian Strache hat einen leicht tragischen Kontrapunkt: Sein Einzug in die Regierung wird vom noch viel größeren Erfolg des neuen europäischen Wunderknaben überschattet, von dem des 17 Jahre jüngeren ÖVP-Obmanns Sebastian Kurz. Dieser hat es als erster in der Geschichte Österreichs geschafft, von der zweiten Position in der Regierung (und von der dritten Position bei Umfragen) aus Wahlsieger zu werden.

Strache hingegen ist nur an dritter Stelle gelandet, während man noch vor einem Jahr darauf gewettet hatte, daß die FPÖ als erste ins Ziel kommen werde. Andererseits: Als erster hätte er es kaum geschafft, in die Regierung zu kommen. Dazu wäre die Sorge aller übrigen Akteure wohl doch zu groß gewesen, einer bisher für alle Welt als Schmuddelkinder geltenden Partei gleich die Regierungsführung anzuvertrauen. So aber war der FPÖ-Marsch in die Regierung nicht aufzuhalten, zügig und glatt. Ab dem Wahltag war es fast Liebe auf den ersten Blick, die Kurz und Strache zusammengeführte und jetzt zu Bundes- und Vizekanzler gemacht hat.

Bisher größter Erfolg einer rechtspopulistischen Partei

Das ist der bisher größte Erfolg einer sogenannten rechtspopulistischen Partei, die im EU-Parlament in der gleichen Fraktion wie Le Pen oder Wilders sitzt. Dennoch gibt es keine ernstzunehmenden Haßreaktionen auf ihren Regierungseinzug. Ganz im Gegensatz zum Jahr 2000, als ÖVP und FPÖ schon einmal eine gemeinsame Regierung bildeten. Damals verhängten die übrigen EU-Länder noch geschlossen Sanktionen gegen Österreich, die freilich nach ein paar Monaten implodierten, während die schwarz-blaue Regierung danach noch sieben – wirtschaftlich erfolgreiche – Jahre hatte.

Diesmal gibt es nur ein paar lächerliche Versuche deutscher und italienischer Sozialisten, eine negative Reaktion auf Österreich zu inszenieren. Aber die werden nicht einmal in den eigenen Ländern ernst genommen. Und in fast allen anderen sind die Sozialisten im Unterschied zu damals ja von der Macht weit entfernt. Welche Faktoren haben zu dem schwarz-blauen Triumph geführt? Was unterscheidet die Regierungsbildung in Österreich von den eher stümperhaften Versuchen in Berlin? Und was bedeutet das für Europa?

Politiker wollen gestalten, nicht opponieren

Die FPÖ war im Unterschied zu ihren internen Kontroversen des Jahres 2000 – und zur AfD – diesmal völlig einig, in die Regierung zu wollen, obwohl die Oppositionsrolle für eine Partei mit vielen Protestwählern ja immer verführerisch ist. Aber letztlich wollen Politiker gestalten, nicht opponieren. Ein Schlüssel bei der Regierungsbildung war die persönliche Sympathie, die sich zwischen Kurz und Strache entwickelt hat. Da sind Verhandlungen wirklich vertraulich geblieben. Da hat niemand öffentlich unabdingbare Forderungen aufgestellt. Da treten jetzt beide bei Interviews im Doppelpack auf, so daß vorerst nicht einmal das berühmte Blatt Papier zwischen ihnen Platz hätte.

Genauso wichtig war die totale Umpolung der ÖVP. Kurz brachte sie vom schwammigen Mitte-Kurs à la Angela Merkel auf eine klar liberalkonservative Linie mit besonderem Akzent darauf, die illegale Migration zu stoppen. Damit hat er erstens die Wahl gewonnen. Und damit entstand zweitens zwischen ÖVP und FPÖ ein weitgehender inhaltlicher Konsens. Parteifreundin Angela Merkel kann sich daher über Kurz gar nicht freuen. Hat doch dieser 2016 gegen ihren Willen die Sperre der Balkanroute organisiert. Sind doch die komplette Neuausrichtung einer christdemokratischen Partei und der Austausch sämtlicher Minister durch den heute 31jährigen auch ein Menetekel für das eigene Ende der Kanzlerin.

Näher an den Visegrád-Staaten

Noch viel spannender ist, daß Österreich zugleich an die vier Visegrád-Staaten heranrückt. Kurz ist so wie diese – und im Gegensatz zum bisherigen SPÖ-Kanzler Kern – strikt gegen die Umverteilung von Asylbewerbern in Europa. Er hat auch schon mehrfach das australische Abschiebungsbeispiel für den Umgang mit illegalen Migranten vorgeschlagen. Zugleich hat sich die neue Außenministerin Karin Kneissl (parteifrei, aber von der FPÖ nominiert) demonstrativ für die Nachbarn im Osten als Ziele ihrer ersten Reisen entschieden. Man soll zwar Geschichte nicht überstrapazieren, aber vieles in Wien erinnert derzeit ans 18. und 19. Jahrhundert, als das aufstrebende Preußen der mitteleuropäischen Habsburger Monarchie gegenüberstand.

Aber die allerwichtigsten Faktoren beim Erfolg der FPÖ waren andere: Das war vor allem die vor Jahr und Tag begonnene Mäßigung in der Sprache. Die FPÖ bekennt sich nun ohne Wenn und Aber zur EU-Mitgliedschaft und zum Euro. Jeder, der antisemitische Andeutungen macht, wird gefeuert. Die Partei ist komplett von deutschnational auf österreichischnational umgeschwenkt. Und die zeitweilige enge Annäherung an die russische Regierungspartei wird heute von der FPÖ am liebsten vergessen.

Konstant geblieben ist: Die FPÖ ist klar migrations- und islamkritisch, heimat- und familienorientiert sowie konsequent für „Law and Order“. Nur auf einer Ebene hat sie schmerzhafte Defizite, etwa auch im Vergleich zur AfD: Von Wirtschaft versteht in der ganzen Parteispitze niemand sonderlich viel. Ansonsten kann die AfD aber viel von den österreichischen Freiheitlichen lernen.

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Dr. Andreas Unterberger war 14 Jahre Chefredakteur der Presse und der Wiener Zeitung.

JF 52/17

Bundeskanzler Sebastian Kurz (r.) und Vize Heinz-Christian Strache Foto: picture alliance / AP Photo
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