Die Karikaturen von Charlie Hebdo sind geeignet, Widerwillen zu erzeugen, egal, ob sie das Christentum, Judentum oder den Islam betreffen. Statt witziger Religionskritik bieten sie spirituellen Nihilismus auf Zotenniveau. Doch das ist jetzt in der Tat nebensächlich. Die französischen Karikaturisten haben in alle Richtungen geätzt und gelästert, wohl wissend, daß sie aus einer ganz bestimmten Richtung tödliche Gefahren auf sich ziehen.
„Ich ziehe es vor, aufrecht zu sterben, als auf Knien zu leben“, sagte einer der Ermordeten. Ein stolzer Satz, den er auf seine Weise gelebt und mit seinem Blut besiegelt hat. Das unterscheidet ihn von den Kleingeistern und Konformisten, die seinen Märtyrer-Nimbus auf sich zu ziehen versuchen.
Etwa die deutschen Journalisten, Karikaturisten, Kabarettisten, die sich mit Vorliebe bekennende Christen, Lebensschützer, Islamkritiker, wirkliche und vermeintliche „Rechte“ zur Brust nehmen: Mit Mut-Attitüde und wohl wissend, daß ihnen von denen nichts droht, während sie die Islam-Kritik ängstlich meiden. Neuerdings imaginieren sie sich als potentielle Opfer von Pegida-Todesschwadronen: Der eingebildete Märtyrer als neueste Variante des ewigen Mitläufers!
Die Tyrannei geht von Islamisten aus
Zu allem anderen soll Voltaire Abschließendes geäußert haben: „Das Recht zu sagen und zu drucken, was wir denken, ist eines jeden freien Menschen Recht, welches man ihm nicht nehmen könnte, ohne die widerwärtigste Tyrannei auszuüben.“
Die widerwärtigste Tyrannei geht heute von islamistischen Fanatikern aus, die beanspruchen, die Beleidigung des Propheten zu rächen. Das gilt unabhängig davon, was die Ermittlungen zu den Attentaten in Paris noch ergeben werden. Die Gewaltandrohung schwebt über Europa und auch über Deutschland. Doch gibt es auch subtilere Formen des Drohens. Für muslimische Vertreter ist das demonstrative Beleidigtsein längst ein politisches Kampfmittel geworden.
Sie stellen die Kränkung oder Benachteiligung – die festzustellen allein in ihrem Ermessen liegt – von Muslimen in den Raum und fordern von der Mehrheitsgesellschaft dafür Genugtuung, die auf die Bevorzugung und Subventionierung ethnisch-religiöser Parallelgesellschaften hinausläuft. Verknüpft werden die Forderungen mit Hinweisen auf die Gefahr sozialer Explosionen, ausgelöst durch ein muslimisches Youth-bulge-Potential.
Politik und Medien behalten ihren Kurs trotzdem bei
Nach diesem Muster verfährt jetzt auch der türkische Ministerpräsident Davutoglu, der den Widerstand gegen die türkische EU-Bewerbung als einen Grund für die Spannungen zwischen der westlichen und der islamischen Welt nennt. Was wohl heißen soll: Wer sich weiter gegen den EU-Beitritt der Türkei sperrt, der riskiert noch mehr Gewalt in Europa.
Politik und Medien behalten ihren Kurs trotzdem bei und suggerieren, daß nicht die Islamisten, sondern deren Kritiker die eigentliche Gefahrenquelle darstellen. Im übrigen sollen die Risiken der „Vielfalt“ durch noch mehr „Vielfalt“ verringert werden, so wie die Risiken und Nebenwirkungen des real existierenden Sozialismus damit entschuldigt wurden, daß noch viel zu wenig Sozialismus herrsche.
Sicherheitsexperten mag man die Sorge abnehmen, daß dezidierter Widerspruch den Terroristen den Anlaß liefert, um zur Tat zu schreiten. Die meisten aber treibt eine ganz andere Furcht um: Jahrelang haben sie eine Doppelstrategie zur Sedierung der Öffentlichkeit betrieben, indem sie die islamistische Drohung bestritten und ihr gleichzeitig nachgegeben haben. Dieses Verfahren ist nun auch für den Letzten durchschaubar geworden. Schon vor den Anschlägen wackelte das Lügengebäude bedenklich, nun droht es zusammenzubrechen.
Unser Haus könnte in Brand geraten
Es ist rührend, wenn die republikanischen Werte als gesellschaftspolitischer Konsens beschworen werden, der alle miteinander vereint. Loyalität zu einem politischen System und praktische Zivilität läßt sich nicht ungeachtet der religiösen und kulturellen Voraussetzungen herstellen. Der Gemeinplatz, daß Demokratie und Rechtsstaatlichkeit von Voraussetzungen leben, die sie selber nicht hervorbringen können, verweist am Ende darauf, daß die modernen westlichen Staaten auf dem geistigen Fundament der griechischen Antike beruhen.
Der Althistoriker Egon Flaig führt in dem Buch „Gegen den Strom. Für eine säkulare Republik“ dazu „zwölf Landmarken“ auf: Zu ihnen gehören die politische Freiheit, die Organisation und Kontrolle der Macht, Verfassungsdebatten, eine differenzierte Öffentlichkeit. Historisch gesehen, waren die christlich geprägten Länder zuerst in der Lage, sich dieses antike Erbe in zeitgemäßer Weise anzueignen. Andere Kulturkreise sind ihnen gefolgt. Eine Ausnahme bildet bis heute die muslimische Welt.
Es ist eine nüchterne Feststellung, daß der Islam noch in einer Zeit steckt, die dem christlichen Mittelalter entspricht. Diese große Religion deswegen zu verdammen ist genauso sinnlos wie die Beschimpfung einer Palme, weil sie keine deutsche Eiche ist. Sie paßt nur nicht in unsere Klimazone. Eine kollektive Anpassung braucht Zeit, viel Zeit, sie dauert Generationen und soll nicht ausgerechnet in unserem Haus stattfinden, das darüber womöglich in Brand gerät.
Der Euro-Islam ist eine Illusion
Der Euro-Islam, auf den die Politiker setzen, ist ein Retortenprodukt, vergleichbar der Kopfgeburt der Staaten- beziehungsweise Nationenbildung die US-Strategen für die Dritte Welt ersonnen haben und die sich längst als Mißgeburt erwiesen hat.
Die Anpassung zugewanderter Individuen verläuft einfacher. Die Integration beziehungsweise Inklusion setzt jedoch die Fähigkeit zur Exklusion voraus, denn ein Staat, der auf die Ausschließung verzichtet, begibt sich seiner Autorität und Verbindlichkeit. Es hebt sich auf und zerfällt in Parallelgesellschaften. Genau das geschieht durch die unkontrollierte und damit fremdbestimmte Zuwanderung, die zwingend auch radikale Kräfte nach Deutschland und Europa führt.
Eine Änderung dieser selbstzerstörerischen Politik wird die politisch-mediale Klasse nicht aus eigener Einsicht vornehmen. Für sie scheint die Entwicklung einen Punkt erreicht zu haben, wo jedes Anzeichen von Zweifel oder der Selbstkorrektur nur die Beschleunigung ihrer Delegitimierung bedeutet. Ob die Pegida-Bewegung tatsächlich die nötige Stärke erreicht, um eine Änderung zu erzwingen, steht dahin.
Antisemitismus unter Moslems nur eine Randerscheinung?
Als folgenreich könnte sich erweisen, daß die muslimische Zuwanderung zu einer immer stärkeren Bedrückung jüdischer Bürger führt. Die lange gehegte Auffassung jedenfalls, Juden könnten in ethnisch und kulturell aufgefächerten Staaten sicherer existieren als in homogenen europäischen Nationalstaaten, hat sich als Irrtum herausgestellt. Gerade in Frankreich haben muslimische Attacken häufig eine antisemitische Stoßrichtung. Das zweite Attentat von Paris richtete sich gegen einen jüdischen Supermarkt.
Noch 2005 hatte Israel Singer, damals Generalsekretär des Jüdischen Weltkongresses, die apodiktische Forderung aufgestellt, Europa müsse „multikulturell und multireligiös sein. In einer Welt der Völkerwanderungen und einem Europa der vielen Völker ist der Rassismus nicht nur politisch inkorrekt. Er ist ökonomisch, finanziell und sozial erledigt“. Der „neue Antisemitismus“ der muslimischen Einwanderer sei nur „eine Randerscheinung“. Die Israelfeindschaft sei verursacht durch die „unverantwortliche Haltung eines Teils der europäischen Presse, der völlig überzogene Kritik an Israel übt“.
Die französischen Juden, die vermehrt nach Israel auswandern, müssen solche Worte heute als Hohn empfinden. Das Wort vom christlich-jüdischen Erbe Europas, das verteidigt werden muß, hat eine zusätzliche politische Brisanz erhalten. Wie sie sich auswirkt, hängt auch von den Aktivitäten an der Basis ab.