BERLIN. Klaus Brähmig will „harte Fakten“. In der derzeitigen Diskussion über die Asylwelle nach Deutschland müßten endlich „Tatsachen auf den Tisch“, fordert der CDU-Bundestagsabgeordnete. Deswegen hat er der Bundesregierung, die auch maßgeblich von seiner Partei gestellt wird, mehrere Frage gestellt.
Über die Zahl der illegalen Einwanderer, wo und in welcher Zeit die große Anzahl der Asylsuchenden registriert und erkennungsdienstlich behandelt werde und welche Erkenntnisse es darüber gebe, ob unter den Flüchtlingen auch islamische Terroristen seien.
Im Interview mit der JUNGEN FREIHEIT erläutert Brähmig, warum er sich zu dem ungewöhnlichen Schritt entschloß, bei seiner eigenen Regierung in der Asylpolitik nachzuhaken.
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Herr Brähmig, was war der Anlaß Ihrer Fragen? Fühlen Sie sich in der derzeitigen Asylkrise nicht ausreichend informiert?
Brähmig: Die vier Fragen zielen darauf ab, daß die Bevölkerung, die Medien und wir Abgeordnete die Chancen und Risiken des derzeitigen Zuwanderungsstroms realistischer einschätzen können. Nur Wahrheit und Klarheit führen da zu Glaubwürdigkeit. Grundsätzlich muß eine gesamtgesellschaftliche Debatte über die zukünftige Asyl- und Zuwanderungspolitik für Deutschland geführt werden.
Sie sprechen auch das Problem möglicher ausländischer Terroristen unter den Flüchtlingen an. Die Terrormiliz IS soll im Besitz Tausender syrischer Blanko-Reisepässe sein. Besteht die Gefahr, daß unter den Flüchtlingen auch gewaltbereite Islamisten einreisen könnten?
Brähmig: Mir liegen bisher nur Verdachtsmomente, aber keine klaren Informationen vor, deswegen wäre eine Antwort jetzt spekulativ. Aber die Befürchtung, daß Terroristen die unübersichtliche Situation nutzen könnten, liegt nicht fern.
„Das schreiben doch nicht rechtsextreme Journalisten“
Eine wachsende Zahl von Bürgern fühlt sich angesichts der großen Zahl von Asylsuchenden, die nach Deutschland kommen, überfordert und von der Politik im Stich gelassen. Haben Sie Verständnis für die Sorgen?
Brähmig: Der tägliche Blick in die Realität gerade von westdeutschen Großstädten sorgt bei vielen Menschen in Ost und West für Zweifel an der Aufnahmefähigkeit und Integration, und diese Menschen sollte man nicht einfach als Rechtsextreme abtun. Da reicht doch ein Zitat des WDR anläßlich des Besuchs der Bundeskanzlerin in Duisburg-Marxloh: „Einst ein florierendes und beliebtes Geschäftsviertel, ist es heute in Teilen ein Hort von Kriminalität und gescheiterter Integration.“
Das schreiben doch nicht rechtsextreme Journalisten. Das sind Journalisten, die verantwortlich ihre Arbeit machen und neben vielen Erfolgsgeschichten auch die Schattenseiten der Migration darstellen.
Die Aufnahme von bis zu einer Million Asylsuchenden in diesem Jahr führt zu vielen Problemen, Wohnungsknappheit, Zunahme religiöser Konflikte, Belastung von Polizei und anderen Behörden, steigender Kriminalität. Die Kanzlerin aber sagt: „Wir schaffen das.“ Teilen Sie den Optimismus?
Brähmig: Die Presseberichte beispielsweise über gewaltsame Fehden zwischen christlichen und muslimischen Flüchtlingen tragen sicherlich nicht zur Steigerung der Aufnahmebereitschaft bei. Sie sind aber genauso Realität wie der integrationswillige Flüchtling. Ich kämpfe gegen das Feindbild der Rechten vom schmarotzenden Ausländer, der vergewaltigend durch die Straßen zieht und eben auch gegen das naive Hippiedenken, das die Probleme verniedlicht.
Kein Rechtsanspruch auf ein wirtschaftlich besseres Leben
Das Asylrecht gilt eigentlich nur für Menschen, die in ihrer Heimat um ihr Leben fürchten müssen. Unter den derzeitigen Asylsuchenden finden sich aber viele Wirtschaftsflüchtlinge oder Personen aus sicheren Drittstaaten. Muß die Bundesregierung das Asylgesetz nicht wieder konsequenter anwenden und nicht asylberechtigte Personen auch abschieben?
Brähmig: Derzeit sehe ich ein tolerantes und weltoffenes Deutschland, das hilft, wo Hilfe geboten ist. Aber es gibt auch Menschen, die aus rein wirtschaftlichen Gründen kommen. Hier sollten wir auch einen ganz klaren Schnitt ziehen. Die Menschenrechtsdeklaration der UN kennt keinen Rechtsanspruch auf wirtschaftlich bessere Perspektiven in anderen Teilen der Welt.
Gerade weil Deutschland ein Rechtsstaat ist, sollte nach dem Abschluß eines rechtsstaatlichen Asylverfahrens mit negativem Bescheid auch umfassend zurückgeführt werden. Wie will man sonst bei unseren eigenen Bürgern die Einhaltung von rechtlichen Normen einfordern und eine weitere Sogwirkung für Einwanderung verhindern?
Wie ist die Stimmung in Ihrem Wahlkreis und an der Basis zur Asylpolitik der Bundesregierung? Herrscht auch die verbreitete Meinung „Wir schaffen das“?
Brähmig: Die Menschen in meinem Wahlkreis sehen das eher skeptisch, aber damit stehen sie sicherlich bundesweit nicht alleine. Dies ist der in Teilen gescheiterten Integration gerade auch in den alten Bundesländern geschuldet. Menschlich und gerade als Familienvater verstehe ich die Bundesregierung bei ihrer Entscheidung.
„Kein gutes Signal“
Inwiefern?
Brähmig: Der Handlungsdruck war damals sehr groß. Ich erinnere mich an den Shitstorm und die rüde Kritik der Medien an der angeblich kaltherzigen Kanzlerin im Umgang mit dem libanesischen Mädchen Reem, die Bilder vom ertrunkenen Ailan Kurdi und dann die Nachricht von den Todesqualen der 70 Menschen im Schlepper-LKW.
Allerdings fehlte mir bei der Kommunikation der Hinweis auf eine einmalige Hilfsaktion für kurz begrenzte Zeit. Das Signal von ungeordneter und unbeschränkter Zuwanderung wurde gleichzeitig nach Deutschland und in die wirtschaftlichen und politischen Krisengebiete gesandt – kein gutes Signal.
Welche Maßnahme sollte die Bundesregierung treffen, um den Zustrom der Asylbewerber zu begrenzen?
Brähmig: International müssen wir die Krisenherde vor Ort befrieden. Gespräche zwischen den Präsidenten Putin und Obama geben Hoffnung. Gleichzeitig muß eine gerechtere Verteilung der Flüchtlinge international hergestellt werden. Wo sind da beispielsweise viele reiche Staaten der Arabischen Liga? Die verabschiedeten Maßnahmen auf der EU-Ebene und das Paket von Bundesregierung und Bundesländern gehen in die richtige Richtung.
Sollte es eine Obergrenze bei der Aufnahme von Asylsuchenden in Deutschland geben?
Brähmig: Da ich kein Jurist bin, habe ich die Frage nach dem derzeitigen Stand der Diskussion in der Rechtswissenschaft hinsichtlich einer „Kapazitätsgrenze“ von Staaten bei der Aufnahme von Flüchtlingen im Zusammenhang mit der Genfer Flüchtlingskonvention an den Wissenschaftlichen Dienst des Deutschen Bundestages gestellt. Bis zum Ergebnis werde ich mich mit einer Einschätzung zurückhalten.
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Klaus Brähmig (58): Der sächsische CDU-Politiker gehört dem Bundestag seit 1990 als direktgewählter Abgeordneter an.