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Ukraine-Krieg: Große JF-Debatte: Wie hältst du es mit den Panzern?

Ukraine-Krieg: Große JF-Debatte: Wie hältst du es mit den Panzern?

Ukraine-Krieg: Große JF-Debatte: Wie hältst du es mit den Panzern?

Das Bild zeigt Kinder in der Ukraine, die auf einem in Kiew ausgestellten russischen Panzer spielen.
Das Bild zeigt Kinder in der Ukraine, die auf einem in Kiew ausgestellten russischen Panzer spielen.
Kinder in Kiew spielen auf einem ausgestellten russischen Panzer. Ob Deutschland durch Lieferungen zur Kriegspartei wird oder nicht, beschäftigt das politische Berlin Foto: picture alliance / abaca | Lafargue Raphael/ABACA
Ukraine-Krieg
 

Große JF-Debatte: Wie hältst du es mit den Panzern?

Sollte Deutschland Panzer in die Ukraine schicken? Die einen halten Waffenexporte nach Kiew für unabdingbar, andere sehen darin Kriegstreiberei und eine weitere Eskalation des Konflikts. Die JF-Autoren Stefan Scheil und Thorsten Hinz sind verschiedener Meinung. Ein Pro und Contra.
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Beteiligung ist angemessen

Pro: Wir sollten Panzer in die Ukraine schicken

Das politische Berlin und ein beachtlicher Teil der veröffentlichten Meinung sehen sich bekanntlich seit Jahrzehnten in einer Führungsrolle bei der Rettung der Welt. Das ist keine rein rhetorische Berufung, sondern zeigt sehr praktische Folgen. Zu diesem Zweck werden Maßnahmen zum „Schutz“ des Klimas angeordnet, die der Physik zu spotten scheinen, werden technologisch hochwertige Kraftwerke abgeschaltet und im Rahmen einer Umverteilung des deutschen Besitzes die Grenzen für Migration ohne Prüfung der Personen geöffnet. Die Verteidigung dieser Grenzen und überhaupt die Wahrung greifbarer deutscher Interessen scheint dagegen eher eine Angelegenheit der zweiten Reihe zu sein.

Man muß etwas ausholen, um die hier gestellte Frage nach der Lieferung von Kampfpanzern Richtung Kiew zu begreifen. Schließlich ist Deutschland weiterhin Teil der Nato, es ist außerdem Teil der Europäischen Union. Und es ist in diesen beiden Rollen an Projekten jener Organisationen beteiligt gewesen, die deren Ausdehnung nach Osteuropa vorangetrieben haben. Die Ausweitung von Nato und EU geschah nicht konfliktfrei, aber weitgehend einvernehmlich und auf Wunsch der neu aufgenommenen Staaten im Baltikum und Südosteuropa. Diese versprachen sich von ihren neuen Mitgliedschaften die wirtschaftliche Öffnung Richtung Zentraleuropa und einen finalen Schutz vor russischen Revisionswünschen.

Letzteres mit Gründen, denn schließlich bedauert in Moskau nicht nur der seit einem Vierteljahrhundert starke Mann und aktuelle Präsident den Verlust der Machtposition der Sowjetunion und will diesen möglichst wieder rückgängig machen. Er kann sich dabei auf einen breiten Rückhalt in der russischen Öffentlichkeit stützen. Bisher gedachte die westliche Seite solchen Ansinnen vor allem mit ihrem guten Ruf und den gegebenen Sicherheitsgarantien entgegenzutreten. Militärische Einheiten, die einen russischen Angriff auf Nato-Territorium hätten abwehren können, gab es an der einzigen solchen Grenze im Baltikum nicht, geschweige denn solche, die gegen Rußland offensiv hätten werden können.

Westliche Ukraine-Unterstützung ist richtig

Nun behauptet Moskau neuerdings aber gerade eben dies und erklärt, zur Selbstverteidigung gegen drohende Angriffe auf Rußland in die Ukraine einmarschieren zu müssen. Richtig ist, daß die Ukraine durch den Westen aufgerüstet wurde, um den Donbass wieder gegen die dortigen „Rebellen“ zurückerlangen zu können und um weitere russische Eroberungsversuche abzuwehren, wie sie seit 2014 stattgefunden haben. Mit einem Angriff auf Rußland selbst hat das nichts zu tun, und Wladimir Putin selbst hat ja bei anderen Gelegenheiten erklärt, die Ukraine sei militärisch überhaupt nicht ernst zu nehmen. 

Diese Rückkehr des Krieges nach Europa durch den russischen Angriff stellt die Frage nach den eigenen deutschen Interessen unüberhörbar laut. Sie trifft die oben skizzierte Republik unvorbereitet. Viele scheuen vor dem Krieg als Mittel der Politik generell zurück, Teile der Regierung ergehen sich dagegen in grotesker Kriegsrhetorik. Nüchtern betrachtet ist eine Beteiligung an den westlichen Anstrengungen zur Stützung der Ukraine absolut angemessen.

Sie entspricht der in Jahrzehnten entwickelten Position und den langfristigen Interessen der Bundesrepublik in ihrem östlichen Vorfeld. Ebenso nüchtern betrachtet kommen allerdings keine deutschen Alleingänge in Frage. Wenn die Bündnispartner die Ukraine mit Waffen bis hin zu Kampfpanzern beliefern, können und sollten auch deutsche dabei sein. Es sollte jedoch jederzeit allen klar sein, daß es hier keine deutsche Führungsrolle geben kann.

Stefan Scheil 


Es verlängert nur den Krieg

Contra: Deutsche Panzerlieferungen sind falsch

Es gäbe gute Gründe für die Bundesregierung, sich Forderungen nach Panzerlieferungen an die Ukraine zu verweigern. Die Ukraine braucht einen Waffenstillstand und Frieden. Die werden durch Verhandlungen erreicht. Waffenlieferungen verlängern den Zermürbungskrieg, den Rußland nicht gewinnen, aber auch nicht verlieren kann; der die Ukraine jedenfalls in ein Trümmerfeld und ein Armenhaus verwandelt, dem die Menschen entfliehen. Darunter auch wehrpflichtige Männer; 12.000 sollen bisher versucht haben, dem Krieg durch Flucht ins Ausland zu entkommen.

Panzerlieferungen werden Deutschland noch tiefer darin verstricken. Bereits jetzt sind die Schäden riesig. Die Nord-Stream-Leitungen wurden weggesprengt, die Energiepreise gehen nach oben, bezahlbarer Wohnraum ist hierzulande kaum noch zu bekommen, was angesichts einer siebenstelligen Zahl von Kriegsflüchtlingen kein Wunder ist.

Wenn irgendwo ein Krieg beginnt, schwärmen gewöhnlich Vermittler aus, um Kompromisse zu sondieren, das humanitäre Elend einzudämmen und einem Flächenbrand vorzubeugen. Im Ukraine-Krieg wird dagegen ein Siegfrieden propagiert und die Gefahr der Eskalation hingenommen. Die Beschwörung eines Atomkriegs mag übertrieben sein. Trotzdem mutet es schizophren an, daß Deutschland, das bis 1989 in der Furcht gelebt hatte, in einem Konflikt zwischen der Nato und dem Warschauer Pakt zum exklusiven Schauplatz eines atomaren Schlagabtauschs zu werden und das aus Furcht vor nuklearer Verstrahlung seine AKWs abschaltet, das Risiko einer atomaren Eskalation ignoriert. 

Es handelt sich um einen Stellvertreterkrieg

Der Krieg, dem Deutschland sich mit Haut und Haaren verschreiben soll, ist im Kern ein Stellvertreter- und Imperialkrieg, auf dessen Zielsetzung es keinen Einfluß hat. Rußland als Erbe einer gescheiterten Supermacht wehrt sich dagegen, zu einer von den USA domestizierten „Regionalmacht“ (Barack Obama) herabgestuft zu werden. Die USA waren schon vor 1989 entschlossen, sich die Herrschaft über Eurasien als „geopolitischen Siegespreis“ (Zbigniew Brzezinski) zu sichern. Jetzt haben sie die Chinesen als den neuen geopolitischen Konkurrenten im Blick und wollen erst recht ihr Terrain auf der eurasischen Landmasse vergrößern. Europa bildet dabei ihren „Brückenkopf“, die Ukraine das aktuelle „Schachbrett“ (Brzezinski).

Würde Rußland wie gewünscht eine vernichtende Niederlage erleiden, könnte die Moskauer Zentralgewalt implodieren und der Vielvölkerstaat auseinanderfallen. Kriegerische Konflikte noch gewaltigerer Art würden folgen. Schon diese Horrorvision müßte Grund genug sein, auf Deeskalation statt auf Sieg zu setzen.

Dazu wird es vorerst nicht kommen. Wie sollte die Bundesregierung, die es nicht einmal wagt, der Sprengung der Ostsee-Pipelines auf den Grund zu gehen, gegen die Lieferung von Leopard-Panzern votieren? Es wirkt symbolhaft, daß das nächste Nato-Treffen, das sich mit der militärischen Unterstützung der Ukraine befaßt, auf der US-Luftwaffenbasis in Ramstein stattfindet: Der Hegemon hält Hof in seiner deutschen Kaiserpfalz und Heerschau über die Getreuen. 

Die Bundesrepublik hat seit 1990 alles getan, um sich militärisch, politisch, intellektuell, neuerdings sogar ökonomisch als ernstzunehmende Größe aus dem Spiel zu nehmen. Sich jetzt aus der Hanswurst-Position zu verweigern, hieße, sich völlig zu isolieren und Bismarcks „Cauchemar des coalitions“ in neuer Aufstellung Wirklichkeit werden zu lassen. Wir werden daher weiter tun, was uns beschädigt.

Thorsten Hinz 

JF 04/23 

Kinder in Kiew spielen auf einem ausgestellten russischen Panzer. Ob Deutschland durch Lieferungen zur Kriegspartei wird oder nicht, beschäftigt das politische Berlin Foto: picture alliance / abaca | Lafargue Raphael/ABACA
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