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Bescheidene Bitten

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Hessen hat gewählt; und zwar stellvertretend für Deutschland, wie einige meinen. Durchaus berechtigt, denn der enorme Stimmenzuwachs der hessischen FDP kann nicht unabhängig von der Großen Koalition in Berlin gesehen werden. Die sozialdemokratischen Annäherungen der CDU haben die prinzipiell liberalen Hessen aufgeschreckt. Ihr Wahlverhalten signalisiert sowohl empörte Kritik an der CDU, vornehmlich im Bund, als auch letzte Hoffnungen, die in die FDP gesetzt werden. Der unerschütterliche Standpunkt der Hessen-FDP – entweder eine Regierungsbeteiligung in einer bürgerlichen Koalition oder gar keine – hat entscheidend zu dem Wahlergebnis beigetragen. Der Wähler erkennt und belohnt wieder politi-sche Glaubwürdigkeit und Standhaftigkeit. Das konnte die CDU weder in Hessen noch in der Bundespolitik bieten. Gerade „in Zeiten wie diesen“ (so das Wahlmotto der Hessen-CDU) erfordern Glaubwürdigkeit und Standhaftigkeit starke Nerven. Die CDU hat die Nerven schon länger verloren. Nicht nur, weil sie sich in ein Bündnis mit den Sozialdemokraten gewagt hat, sondern weil sie dabei die ehernen Prinzipien der ehemals marktwirtschaftlich ausgerichteten Partei des Wirtschaftswunders über Bord geworfen hat. Die Bundeskanzlerin beschwört zwar bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit das Leitbild Ludwig Erhards, aber das ziehen mittlerweile sogar die Postkommunisten der Linken zur Unterstützung ihrer Argumente heran. Die „soziale Marktwirtschaft“ ist zum Wiesel-Begriff degeneriert. Schuld daran ist nicht zuletzt die inflationäre Verwendung des Wortes „sozial“, das heutzutage aufgrund der real existierenden Zwänge der politischen Korrektheit niemals bei der Erörterung wirtschaftspolitischer Konzepte fehlen darf. Den Begriff „sozial“ brandmarkte der letzte bedeutende deutschsprachige Ökonom Friedrich August von Hayek als Wiesel-Wort. Er sah in seiner Verwendung den gleichen Effekt, der entsteht, wenn ein Wiesel sich über ein Hühnerei hermacht. Ein fast unsichtbarer Biß reicht aus, um den Inhalt auszulutschen und ein scheinbar intaktes Ei zu hinterlassen. So gesehen ist jeder aktuelle Vorschlag, der sich mit dem Etikett einer angeblich sozialen Marktwirtschaft schmückt, nichts anderes als ein Windei. Inzwischen ist die Bundesregierung dazu übergangen, sogar marktfeindliche Konjunkturprogramme als „soziale Marktwirtschaft“ zu verkaufen. Die damit verbundene horrende Ausweitung der Staatsschulden verursacht mittlerweile aber selbst den treuesten CDU-Anhängern kalte Füße. Doch wer kann der sozialistischen Camouflage der Unionsparteien noch Einhalt gebieten? Die FDP, behaupten zunächst die hes-sischen Wähler. So standhaft und glaubwürdig, wie sich die Freien Demokraten während des letzten Jahres in Hessen präsentierten, erscheinen sie als letzte Hoffnung bei der Verteidigung wirtschaftspolitischer Vernunft. Und die Bundes-FDP assistiert. Der FDP-Bundesvorsitzende Westerwelle sinnierte schon während des Wahlkampfes über die Möglichkeiten, die sich bei dem sich abzeichnenden schwarz-gelben Regierungsbündnis für die Einflußnahme im Bundesrat ergeben. Bis dato hatte die schwarz-rote Bundeskoalition über entsprechende Bündnisse und Alleinregierungen auf Länderebene eine knappe, aber verläßliche Mehrheit im Bundesrat. 35 von 69 Stimmen standen zu ihrem Willen. Nun sind die fünf hessischen Stimmen weggefallen. Das Konjunkturpaket II wolle man schon vor seiner Verabschiedung im Bundestag revidieren, kündigt der FDP-Finanzexperte Otto Solms an. Freilich beeilt er sich, gleichzeitig zu versichern, die FDP würde keinesfalls blockieren. Etwas mehr Steuererleichterungen für den Mittelstand vielleicht, und ob nicht die Verschrottungssubvention von Altautos besser entfallen sollte; so die bescheidenen Bitten zur Milderung des konjunkturellen Monsterprogramms. Von einem standhaften „Mit uns so nicht“ ist da absolut nichts zu verspüren. Schon bei der Verabschiedung des Regierungsplans zur Rettung der Banken glaubte die FDP aus Gründen der nationalen Solidarität auf marktwirtschaftliche Fundamentalopposi-tion verzichten zu müssen. Wie will sie die marktwirtschaftlichen Fundamente in der Regierungsverantwortung verteidigen? Der schöne Schein der glaubwürdigen FDP als marktwirtschaftlichen Retters fängt schon jetzt an zu flattern. Das Konjunkturpaket II soll Mitte Februar im Bundestag verabschiedet werden. Bis dahin muß auch die hessische Regierungsbildung abgeschlossen sein; für sich genommen kein Problem – was aber, wenn die Bundespolitik damit verknüpft wird? Schon jetzt mahnt Bundeskanzlerin Merkel, die FDP dürfe angesichts der neuen Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat ihre Opposition zur Bundsregierung nicht überziehen. Im Kern bedeutet diese Zurechtweisung nichts anderes, als der FDP zu verbieten, ihr frisches Erfolgsmodell der Standhaftigkeit und Glaubwürdigkeit weiterhin zu praktizieren. Nur weil die Unionsparteien dem nicht folgen können? Es wäre fatal, wenn die FDP aus Ängstlichkeit, den aktuellen Anfangsgewinn wieder zu verlieren, einknicken würde. Ihr massiver Widerstand gegen die unsinnigen Konjunkturschuldenpläne wird ein erster Prüfstein.

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