Ich halte den Vorschlag, die Stiftung Preußischer Kulturbesitz in Stiftung Nationaler Kulturbesitz umzubenennen, auf jeden Fall für eine Anregung, die sich zu erwägen lohnt. Natürlich hänge auch ich – als gebürtiger Schlesier, sozusagen also als Preuße – an dem alten Namen. Doch darf man nicht vergessen, daß zumindest aus der Sicht des altehrwürdigen nationalgeschichtlichen Verständnisses, Preußen eine nationale Mission zu erfüllen hatte. Auch wenn die heutigen Vertreter des politischen und kulturellen Establishments sich nur ungern an die Genese unseres Nationalstaates erinnern, so kommen sie offenbar nicht umhin, den deutschen Nationalstaat letztlich doch zu befürworten, man denke etwa an die vorschichtige Widerkehr des Wortes Patriotismus in der Politik, die vor 1989 so kaum denkbar gewesen wäre. Diese Veränderung drückt sich auch in der Kultur aus, denken Sie nur an das für bundesrepublikanische Verhältnisse erstaunlichen Pathos der Einweihung der Alten Nationalgalerie in Berlin oder an die Schaffung des Amtes eines Kulturstaatsministers. Das sind Signale, von denen etwas subversives ausgeht, da unsere Eliten den Nationalstaat am liebsten hinter sich lassen würden. Ein solch subversives Signal wäre auch die vorgeschlagene Umbenennung. Erstaunlich allerdings, das sie in unserem Land als etwas subversives angesehen werden muß, stellt sie doch im europäischen Maßstab lediglich eine Normalisierung dar. Denn Staaten wie Frankreich und England pflegen ihre Kultur ganz selbstverständlich unter nationalen Gesichtspunkten. Nicht zuletzt wäre die Umbenennung aber auch ein Signal an die nicht-preußischen Deutschen, wie Schwaben, Sachsen oder Bayern, bis hin zu den Österreichern, deren kulturelle deutsche Wurzeln nicht geleugnet werden können, daß mit der Arbeit der Stiftung auch sie gemeint sind. Prof. Dr. Wolfgang Seiffert lehrte in Kiel und Moskau Recht und trat vor 1989 aktiv für die Wiedervereinigung ein. Für eine Umbenennung sehe ich keinerlei Grund, enn der Name der Stiftung ist durch ein Bundesgesetz festgelegt, kann also nicht in solch einer Husarenaktion geändert werden – dazu müßte man ein Gesetzgebungsverfahren einleiten. Ich kann mir aber nicht vorstellen, daß der Gesetzgeber dafür die Notwendigkeit sieht, denn der Name „Preußischer Kulturbesitz“ steht für eine gute Tradition unserer Museen, Staatsbibliotheken und Staatsarchive. Er ist fast fünfzig Jahre alt und wird von vielen außerordentlich geschätzt, wie die überwiegend negativen Reaktionen auf den Vorschlag zeigen. Natürlich wird der zeitliche Abstand zu Preußen immer größer und der preußische Anteil allmählich immer kleiner. Aber in unserem an guten Traditionen so armen Lande sollte man es sich dreimal überlegen, ehe man den nun schon seit Jahrzehnten geführten Namen aufgibt. Ich habe den Vorschlag in der Welt „illusorischer Aktualitätshäscherei“ genannt, weil ich ihn als Versuch interpretiere, so die Bundesländer leichter im Boot halten zu können. Doch ich glaube, da unterliegt man einem Trugschluß. Wir sind eine föderales Land und der Preußische Kulturbesitz ist durch Preußen geschaffen worden, stellvertretend für das ganze Deutschland, denn Preußen hat zum Beispiel die kulturelle Ausstattung der deutschen Hauptstadt Berlin „mitgeliefert“. Diese Kulturgüter sind im Besitz aller Deutschen und werden von allen Deutschen finanziert. Das funktioniert auch ohne eine Umbenennung hervorragend. Sicher ist Preußen in der Vergangenheit in Deutschland aufgegangen, aber es dafür nun posthum zu bestrafen, indem man die letzte Spur tilgt, halte ich nicht für nachvollziehbar. Prof. Dr. Werner Knopp war von 1977 bis 1998 Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz