Der Bundestag hat letzte Woche die Verlängerung der Ladenschlußzeiten beschlossen. Ab Juni dürfen die Geschäfte samstags nun bis 20 Uhr geöffnet haben. Trotz massiver Kritik von Gewerkschaften, Kirchen- und Familienverbänden wollte Rot-Grün mangels anderer Erfolge „Reformgeist“ zeigen, Union und FDP wollten noch weiter gehen. Vielbeschäftigte Singles und Doppelverdiener können nun nach einer langen Arbeitswoche ihren „Erlebniseinkauf“ starten, die Händler erhoffen mehr Umsatz. Das Argument von zusätzlichen Arbeitsplätzen fehlte diesmal – schon die letzte Ladenschlußausweitung von 1996 hatte diesbezüglich nichts gebracht, wie selbst das unternehmernahe ifo-Institut zugeben mußte. Doch auch mehr Umsatz ist fraglich. Die Verbraucher haben nicht mehr Geld, sie nutzen daher die gewonnene Zeit wohl eher dazu, länger zwischen verschiedenen Angeboten zu wählen – um dann im Zweifel das günstigere Angebot bei Amazon & Co. im Internet zu bestellen. Über die Hauptbetroffenen – die Beschäftigten im Einzelhandel sind zu 70 Prozent Frauen – war in der ganzen Reformdebatte kaum die Rede. Für viele Verkäuferinnen und ihre Familien werden die gemeinsamen Wochenenden noch seltener und kürzer – sie haben nur das Anrecht auf einen freien Samstag im Monat. Um ohne Personalmehraufwand die Öffnungszeiten umsetzen zu können, werden sich die ohnehin zerklüfteten Arbeitszeitregelungen weiter verschlechtern. Mit Gegenwehr ist angesichts von Millionen Arbeitslosen nicht zu rechnen – und bald ist auch der heilige Sonntag nicht mehr tabu.
- Deutschland