WARSCHAU. Polens Justizminister Zbigniew Ziobro (Solidarisches Polen) hat sich dafür ausgesprochen, aus einem internationalen Abkommen zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen auszusteigen. Die Bestimmungen der Istanbul-Konvention seien „ideologischer Natur“ und würden vor allem von Linken und Homosexuellen befürwortet, sagte Ziobro laut der Nachrichtenagentur dpa.
Der Vertrag versuche, den biologischen Geschlechterbegriff durch einen soziokulturellen zu ersetzen. Nach der Ideologie des Gender Mainstreaminggibt es neben dem biologischen noch ein soziales Geschlecht. Demnach seien männliche und weibliche Verhaltensweisen lediglich soziale Konstrukte, die durch die Erziehung und das gesellschaftliche Umfeld geprägt würden. Zudem sehe das Abkommen vor, Kinder über Homosexualität aufzuklären.
Ziobro, der die national-konservativen Partei Solidarisches Polen gegründet hat, gab an, das Aufkündigungsersuchen am Montag dem Familienministerium vorzulegen. Politiker des Regierungspartners Recht und Gerechtigkeit (PiS) teilten dem Bericht zufolge mit, in der Sache noch keine Entscheidung getroffen zu haben.
Europarat-Chefin bietet Gespräch über Details des Abkommens an
Andrzej Halicki von der oppositionellen Bürgerplattform-Partei kritisierte, daß das Austrittgerede Polen in das „schlechtest mögliche Licht“ rücke. Auch die Generalsekretärin des Europarats, Marija Pejcinovic Buric, äußerte sich am Sonntag besorgt über Polens Vorhaben.
Ein Austritt des Landes aus der Konvention sei „ein großer Schritt zurück für den Schutz von Frauen vor Gewalt in Europa“. Zudem bot die kroatische Politikerin einen konstruktiven Dialog an, um mögliche Mißverständnisse aus dem Weg zu räumen.
Polen solle gegen das Corona-Virus kämpfen, nicht gegen Frauen
In einigen polnischen Städten, darunter Breslau und der Hauptstadt Warschau protestierten Demonstranten gegen das Vorhaben Ziobros. Sie versammelten sich vor den Büros der katholischen Anwälte-Organisation Ordo Iuris, die den Austritt aus der Istanbul-Konvention fordert. Die Demonstranten warfen den Juristen Fundamentalismus vor. Polen solle gegen das Coronavirus kämpfen, nicht gegen Frauen.
Das ostmitteleuropäische Land hatte das Abkommen 2012 unterzeichnet und im Gegensatz zu seinen Nachbarstaaten Tschechien und der Slowakei 2015 auch ratifiziert. (zit)