Sigmar Gabriel erregt im Bundestagswahlkampf noch einmal mit einem verblüffenden Vorschlag Aufsehen. Der SPD-Vorsitzende erklärte in einem Zeitungsgespräch, er sei dafür, „daß man Hausaufgaben abschafft“. Voraussetzung sei der Rechtsanspruch auf eine Ganztagsschule. Die Ungerechtigkeit beginne doch damit, „daß Eltern, die Akademiker sind, ihren Kindern bei der höheren Schulbildung einfacher helfen können als Eltern, die nicht studiert haben“.
Gabriels Idee fällt nicht vom Himmel. Seit längerem werden politisch motivierte Studien präsentiert, die diesen Weg weisen. So schloß Anfang des Jahres die Süddeutsche Zeitung aus einer Untersuchung der Bertelsmann-Stiftung, es gelinge Kindern „mittelloser Eltern viel seltener, das Gymnasium zu besuchen als dem Nachwuchs von Akademikern, auch wenn diese gleich intelligent sind“. Als Echo solcher Binsenweisheiten folgt dann das Absenken von Bildungs-Standards.
Linke Gleichheits- und Erlösungsideen
Kürzlich fiel mir der Stammbaum meiner Familie in die Hände. Über Generationen konnte ich zurückverfolgen, woher die Ahnen stammen und welche Berufe sie hatten. Noch Ende des 18. Jahrhunderts fanden sich dort fast ausschließlich Bauern, Köhler, Steinhauer oder Maurer. Akademische Berufe tauchten erst Mitte des 19. Jahrhunderts auf. Warum?
Deutschlands geistiger und wirtschaftlicher Aufstieg ist mit einer Bildungsrevolution verbunden gewesen, die tatsächlich der Staat ausgelöst hat; auch indem er dafür sorgte, daß dieses System durchlässig ist. Für den individuellen Aufstieg jedoch war immer maßgeblich, daß Familien zusammengehalten und sich für den Nachwuchs angestrengt haben.
Im Licht linker Gleichheits- und Erlösungsideen erscheinen Eltern jedoch immer mehr als Störfaktor: Väter und Mütter, die womöglich lebenslang verheiratet sind, die mit ihren Kindern sprechen, musizieren, ihnen vorlesen, Museen besuchen und sie nicht nur vor dem Flachbildschirm oder der Xbox mit Computerspielen versumpfen lassen. Nach der Logik Sigmar Gabriels übt, wer sich um seine Kinder kümmert, soziale Wettbewerbsverzerrung aus.
Elternschaft muß wieder zur Selbstverständlichkeit gehören!
Statt weiter staatliche Erlösungsphantasien zu befördern, sollte endlich wieder zu verantwortlicher Elternschaft ermutigt werden. In der Öffentlichkeit, den Medien gibt penetrant der Typ des androgynen, infantil-promiskuitiven, kinderlosen Singles den Ton an. Elternschaft muß wieder zur Selbstverständlichkeit gehören!
Und es muß wieder die verdammte Pflicht sein, sich um seinen Nachwuchs selbst zu kümmern. Politiker sollen aufhören, staatlichen Stellen hierfür umfassende Kompetenz anzumaßen. Die Erwartungs- und Anspruchshaltung auf Rundumentlastung von Eltern ständig zu befördern, indem der Staat mit Vollkasko-Betreuungsversprechen reagiert, ist eine zur Asozialität verleitende gesellschaftliche Pest. Zuviel Hilfe verhindert Selbständigkeit.
JF 37/13