Eine letzte Woche besuchte Lesung des Spiegel-Kolumnisten Jan Fleischhauer sollte eher als Seelenbalsam dienen, denn zum Gewinn neuer Erkenntnisse. Es gab dennoch welche. Fleischhauer ist Autor der Bücher „Unter Linken“ und „Der Schwarze Kanal“. Vor allem aber wurde er durch seine Kolumne bei Spiegel Online eine Art „enfant terrible“ der linksliberalen Mainstream-Medien.
Unter den S.P.O.N.-Autoren bildet er eine Gegenstimme zu Linken vom Schlage eines Jakob Augstein oder Georg Diez. Beißend sind seine Attacken gegen das linke „Gutmenschentum“ und die allgegenwärtige „political correctness“. Und mit viel befreiender Freude kann somit der Konservative Kolumnen wie „Warum sind so viele Journalisten links?“ oder „Korrektes Sprechen: ‘Sag das Wort nicht’“ lesen.
Schon kleine Äußerungen Fleischhauers reichen mittlerweile aus, um bei der taz die Köpfe rot anschwellen zu lassen. Und trotzdem er in Leserkommentaren immer wieder beschimpft und beleidigt wird, scheint ihn das nicht zu stören. Im Gegenteil, er zieht offenbar Genuss aus der ihm entgegenschlagenden Wut. Hier schreibt zudem einer, der das feindliche Milieu bestens kennt, entstammt er doch einem sozialdemokratischen Elternhaus und wohnt in einem rot-grün dominierten Berliner Szenebezirk.
Fähigkeiten, die vielen originär „Rechten“ fehlen
Fleischhauer sitzt natürlich recht bequem innerhalb des etablierten Medienbetriebs. Das gibt ihm aber einen klaren Blick für Machtverhältnisse. Dazu gehört die nüchterne Distanz gegenüber politischen Rändern, wodurch ihm aber wiederum dort gärende Entwicklungen länger verborgen bleiben mögen. Zugleich besitzt er die für die Erlangung politischer Ziele notwendige geistige Flexibilität, auf Situationen stets spezifisch antworten zu können. Fähigkeiten, die vielen originär „Rechten“ fehlen.
So antwortete er auf die Frage eines Bürgers, wie man sich denn inhaltlich als „Rechter“ positionieren könne, wenn man sich doch von den „Linken“ abgrenze, mit Fingerspitzengefühl: Natürlich könne man mit dem Begriff „Rechts“ Position zu beziehen versuchen, aber hier arbeite man ineffektiv. Diese Schlacht sei nämlich verloren, und es sei wohl nur vergebens eingesetzte Energie, noch einmal das Ruder herumreißen zu wollen, um den Begriff „Rechts“ aus seiner Stigmatisierung zu befreien. Fleischhauer schlug stattdessen bereits positiv besetzte Gegenbegriffe vor, beispielsweise den der „Bürgerlichkeit“.
Nun dienten für mich als altgedienten konservativen Autor Fleischhauers vorgetragene Texte vor allem der geistreichen Bestätigung eigener Beobachtungen der linken Denkstrukturen. Unerwartet war aber, dass auch das Publikum Fleischhauers durchaus scharfe Attacken fast ausnahmslos positiv goutierte.
Der Fisch stinkt vom Kopf her
Das war insofern interessant, als es sich um eine Veranstaltung der „Friedrich Naumann Stiftung für die Freiheit“ und der liberalen „Karl-Hermann-Flach-Stiftung“ handelte, sich also mehrheitlich Mitglieder und Anhänger der FDP im Saal befanden. Hier herrscht an der Basis eine bemerkenswerte bürgerlich-konservative Grundstimmung vor, die so gar nichts mit dem linksliberalen Auftreten der FDP-Parlamentarier zu tun hat. Es scheint fast wie bei der CDU: Der Fisch stinkt vom Kopf her, während der Rumpf noch teils gesund ist.
Ich hatte einen jungen Freund als Begleitung mitgenommen. Er stammt einem Alt-68er-Elternhaus und ist großer Fleischhauer-Fan. Doch nach Ende der gut besuchten Veranstaltung im Frankfurter Opernhaus bedauerte er, daß alle Gäste dem Autor nur brav zugestimmt hätten. Dadurch hätte ein wenig die Würze gefehlt, und Fleischhauer wäre gar nicht gefordert worden.
Die zwei physiognomisch „links“ wirkenden Zuhörer jedenfalls hatten sich ganz still verhalten. Und so hätte es eigentlich meine Aufgabe sein können, Fleischhauer von „rechts“ ein wenig zu kitzeln. Gleichwohl, ich wäre im Raum vermutlich als einzig anwesender Linker wahrgenommen worden, hätte ich mich denn zu den mir aufstoßenden Punkten gemeldet. So habe ich es einfach sein lassen und lieber nur zugehört.
Betonieren, ausbauen, wachsen, international fit werden
Fleischhauer bediente nämlich durchaus die Ressentiments des rein wirtschaftlich orientierten Liberalismus und anti-linken Konservatismus. Diese bestehen darin, jede Position abzulehnen, die von den „Grünen“ vertreten wird. Das ähnelt der linken Beschränktheit, alles zu dämonisieren, wenn es nur aus „rechtem“ Munde kommt. Jede Umweltschweinerei, jede Profitgier von Konzernen, jede neue Blüte des Wachstums-Wahns wird so von Pseudo-Konservativen durchgewunken, bloß um den „Grünen“ eine watschen zu können.
Und so wollen viele Pseudo-Konservative gar nicht viel an unserer ökonomisch geprägten Gesellschaft ändern. Sie wollen betonieren, ausbauen, wachsen, international fit werden, und meinen, ihre Heimat und nationale Identität sei allein durch einige zuwandernde Araber gefährdet. Jedenfalls belustigte sich Fleischhauer etwa über Gegner des Flughafenausbaus in Frankfurt. Wer früher beruflicher Vielflieger gewesen sei, beschwere sich nun über Fluglärm.
Diese Herablassung gegenüber den berechtigten Interessen zahlreicher Bürger, die sich der Verlärmung ihrer Lebenswelt durch rücksichtslose Profiteure entgegen stellen, trifft sich mit der liberalen Wirtschaftsvergottung. Keineswegs waren alle Bürger des Rhein-Main-Gebiets, denen nun im Minutentakt die Jets über die Dächer lärmen, Chefetagen-Vielflieger.
„Religiösen Dimension des modernen Umweltbewußtseins“
Mit dem gleichen Argument könnte man jedem entgegenhalten, er solle sich abregen, wenn eine Autobahn direkt vor sein Schlafzimmerfenster gebaut würde. Schließlich sei er ja auch schon selbst mal Auto gefahren. Ähnlich lapidare Äußerungen fanden sich zu Themenkomplexen wie Energiewende oder Gentechnik. Es war von der „religiösen Dimension des modernen Umweltbewußtseins“ die Rede, was bei säkularen Liberalen als negative Bezeichnung gesehen wird. Der echte Konservative sträubt sich hingegen gar nicht gegen die Vorstellung, in der Natur das göttliche Moment zu erkennen.
Egal, ich hatte einfach keine Lust, die Rolle des Kritikers zu übernehmen, plauderte stattdessen lieber angeregt mit dem intelligenten Fleischhauer im Anschluß bei einem Getränk. Ein anwesender FDP-Stadtrat erwähnte am Nebentisch gerade seinen Dienstwagen, als durchsickerte, daß das linke Frankfurter „IvI“-Zentrum von der Polizei geräumt worden sei. Zehn Jahre hatten die Hausbesetzer mietfrei mit Wasser und Strom auf Steuerzahler-Kosten in einem besetzten Universitätsgebäude hausen dürfen, bis der neue Hausbesitzer nach viel Ärger die Räumung vollstrecken ließ.
Aus dem Fenster sahen wir ein großes Polizeiaufgebot, offenbar weil randalierende Linksradikale in der Innenstadt erwartet wurden. Die Stimmung unter den liberalen Bürgern war klar mißbilligend gegen das linke Treiben. Mein etwas unbedarfter junger Freund äußerte, daß das mit dem Polizeieinsatz doch das gleiche sei, „wenn Rechtsextreme demonstrieren“. Sofort wurde er von einem Herrn im Anzug korrigiert: „Das kann man nicht gleichsetzen. Bei rechten Demos ist die Polizei da, um die Rechten vor den Linken zu schützen. Bei linken Demos ist die Polizei da, um die Bürger und Geschäfte vor den Linken zu schützen.“
Mit Freude wähnte ich mich nicht bei der FDP, sondern in einem klassisch-konservativen Gesprächskreis. Wenige Tage später holte einen die Realität ein. Die stets anonym agierenden Linksradikalen hatten an der Universität randaliert und offenbar fast 200.000 Euro Schaden verursacht. Und die FDP stimmte im Frankfurter Stadtparlament einem Antrag von SPD, Linkspartei und „Piraten“ zu, den dreisten Straftätern der „IvI“-Linken eine städtische Liegenschaft zu „moderatem oder symbolischen Mietzins“ anzubieten. Der Fisch stinkt eben vom Kopf. Und Fleischhauer war leider schon wieder fort.