Bei der Dresdner Polizei hat man sich für den 13. Februar gewappnet. Es wird die wohl größte Aktion in diesem Jahr. Wie viele Beamte zum Einsatz kommen werden, will man bei der Polizeidirektion Dresden aus taktischen Gründen nicht sagen. „Im vergangenen Jahr waren es 4.000. Diesmal werden es auf jeden Fall nicht weniger sein“, sagte ein Sprecher gegenüber der jungen freiheit. Schließlich sei die Stimmung aufgeheizt, und beide Seiten hätten schon frühzeitig für ihre Demonstrationen mobilisiert, auch international.
Beide Seiten, das sind zum einen die NPD-nahe Junge Landsmannschaft Ostdeutschland (JLO), die für den 65. Jahrestag der Bombardierung Dresdens im Februar 1945 einen „Trauermarsch“ gegen „Krieg, Bombenterror und Vertreibung“ angemeldet hat, zum anderen das linke Bündnis „Nazifrei! Dresden stellt sich quer“, das diesen verhindern will.
Laut einem Bericht der Bild-Zeitung rechnet der Verfassungsschutz auf seiten der JLO mit über 6.300 Teilnehmern. Für die von Politikern der Linkspartei angemeldeten Gegendemonstrationen werden demnach mehr als 5.600 Teilnehmer erwartet, darunter 1.500 gewaltbereite sogenannte „Autonome“. Hinzu kommen noch mehrere Veranstaltungen der Stadt Dresden, darunter die offizielle Gedenkfeier auf dem Heidefriedhof und eine Menschenkette unter dem Motto „Erinnern und handeln. Für mein Dresden“, zu der Oberbürgermeisterin Helma Orosz (CDU) aufgerufen hat.
Für zusätzliche Aufregung sorgt mittlerweile das Vorgehen von Staatsanwaltschaft und Polizei gegen das Bündnis „Nazifrei! Dresden stellt sich quer“. Ermittler hatten am Dienstag vergangene Woche in Dresden die Geschäftsstelle der sächsischen Linkspartei durchsucht. Die Beamten beschlagnahmten dabei unter anderem zwei Rechner sowie Plakate, in denen zum Protest gegen die Demonstration der JLO aufgerufen wird. In diesem Zusammenhang wurde auch der Antifa-Szene-Laden „Red Stuff“ in Berlin durchsucht.
Der Pressesprecher der Staatsanwaltschaft Dresden, Oberstaatsanwalt Christian Avenarius, begründete die Aktion gegenüber der JF, damit, daß das Bündnis „Nazifrei!“ mit dem Plakat zur Begehung von Straftaten auffordere. Allerdings sei nicht die Landesgeschäftsstelle der Linkspartei im Visier der Ermittler gewesen, sondern das Infobüro Dresden, das seine Räumlichkeiten im selben Gebäude habe. „Wir haben das nicht mit heißem Herzen getan. Es ging nicht darum, den Nazis einen Triumph zu verschaffen; aber auch braune Dumpfbacken können für sich die Versammlungsfreiheit in Anspruch nehmen, wenn ihre Demonstration genehmigt ist“, sagte Avenarius. Man sei zudem „so schonend wie möglich“ vorgegangen, sagte er (siehe auch Seite 11).
Doch es half nichts: Die Kritik ließ nicht lange auf sich warten. Es sei erklärungswürdig, wenn die Polizei engagierte Menschen kriminalisiere, die sich den Alt- und Neu-Nazis friedlich in den Weg stellen wollten, erklärte die Bundesvorsitzende der Grünen, Claudia Roth. Auch der Bundesgeschäftsführer der Linkspartei, Dietmar Bartsch, verurteilte die Polizeiaktion „auf das schärfste“. Als „Zeichen der Solidarität“ ließ Bartsch am Tag nach den Durchsuchungen das von der Staatsanwaltschaft beanstandete Plakat an der Außenwand der Bundesgeschäftsstelle in Berlin anbringen. Gleichzeitig rief er alle „Genossinnen und Genossen“ auf, das Plakat ebenfalls an ihren Geschäftsstellen und Büros in Ländern und Kreisen auszuhängen oder „auf andere Weise ihre Solidarität mit dem Bündnis zum Ausdruck zu bringen“.
Der Aufruf blieb nicht ohne Konsequenzen: Noch am Abend wurde die niedersächsische Bundestagsabgeordnete der Linkspartei, Dorothée Menzner, in Berlin von der Polizei beim Plakatieren erwischt, was ihr eine Anzeige wegen öffentlichen Aufforderns zu Straftaten einbrachte. Die Staatsanwaltschaft zeigte sich von den Protesten jedoch weitgehend unberührt und ließ am Wochenende die Internetseite von „Nazifrei! Dresden stellt sich quer“ sperren. Auf dieser war weiterhin zum Blockieren des Trauermarsches der Jungen Landsmannschaft Ostdeutschland aufgerufen worden. Da das Protestbündnis allerdings zu einem ausländischen Provider wechselte, war die Seite nach kurzer Zeit wieder erreichbar.
Unterdessen könnten die Auseinandersetzungen um das jährliche Gedenken am 13. Februar in Dresden bald der Vergangenheit angehören. Die schwarz-gelbe Regierungsmehrheit im sächsischen Landtag beschloß vergangene Woche gegen die Stimmen der Opposition aus Linkspartei, SPD, Grünen und NPD eine Verschärfung des Versammlungsgesetzes. Danach können Demonstrationen künftig verboten werden, wenn sie an „einem Ort von herausragender historischer Bedeutung stattfinden“, der an die Opfer der nationalsozialistischen oder kommunistischen Gewaltherrschaft beziehungsweise des Krieges erinnert. Als solche Orte werden im neuen Versammlungsgesetz das Völkerschlachtdenkmal in Leipzig, die Dresdner Frauenkirche sowie für den 13. und 14. Februar die nördliche Altstadt und die südliche innere Neustadt in Dresden ausdrücklich erwähnt.
Foto: Claudia Roth plakatiert am Montag einen Blockade-Aufruf: Durchsuchungen durch die Polizei