Vor knapp zwei Jahren kündigte Medienkanzler Gerhard Schröder öffentlichkeitswirksam an, die darbende Frankfurter Rundschau (FR) retten zu wollen. Uneigennützig war der Plan nicht, träumten SPD-Spitzengenossen doch davon, mit dem Einstieg ins überregionale Print-Geschäft das Meinungsmonopol der „unionsnahen“ Axel Springer AG samt ihrem Flaggschiff Bild brechen zu können. Im Mai 2005 erwarb die parteieigene Deutsche Druck- und Verlaggesellschaft (DDVG) rund 90 Prozent des Verlagshauses. Nun will die Holding 50 Prozent weiterveräußern. Nicht ganz freiwillig, warf doch der SPD-Einstieg bei der FR die Frage auf, inwieweit Parteien Zeitungen besitzen dürfen. Die FR-Chefredaktion sah sich mehrfach genötigt, Erklärungen betreffs ihrer publizistischen Unabhängigkeit abzugeben. Die Sozialdemokraten betätigen sich schon seit 140 Jahren als Verleger. Im Kaiserreich verstanden sich die mit „Arbeitergroschen“ finanzierten SPD-Blätter als Gegengewicht zu den meist obrigkeitshörigen bürgerlichen Zeitungen. Die in der DDVG zusammengefaßten Beteiligungen an Regionalzeitungen (Westfälische Rundschau, Hannoversche Allgemeine, Sächsische Zeitung) sind die Reste dieser einst stolzen Arbeiterpresse. Dem steht seit Jahrzehnten die Medienmacht des Axel-Springer-Konzerns gegenüber, mit Bild, B.Z., Welt und der Berliner Morgenpost. Und als die Bild 2005 zusätzliche Lokalredaktionen aus dem Boden stampfte, ließ die verlagsinterne „Konkurrenz“ kaum auf sich warten. Neben der regionalen Bild gibt es nun vielerorts die Welt kompakt – wenn Leserwanderung, dann am besten innerhalb des eigenen Verlags. Nicht ganz so erfolgreich war der geplante erste intermediale Zusammenschluß auf deutschem Boden – wollte die Springer-Gruppe doch nach monatelangem Werben die TV-Gruppe Pro7/Sat.1 von US-Milliardär Haim Saban übernehmen. Der 61jährige und seine Finanzinvestoren haben nun verkündet, die ProSiebenSat.1-Gruppe doch nicht zu verkaufen. Der größte deutsche TV-Konzern vereint Sat.1, Pro7, Kabel1, N24 und 9Live unter einem Dach. Obwohl sich zahlreiche Interessenten meldeten – als Kandidaten wurden etwa die französische TF1-Gruppe oder die luxemburgische SBS gehandelt -, wolle man die Senderkette vorerst behalten: Sie entwickle sich sehr gut. Doch das Bundeskartellamt hatte entschieden, daß ein Zusammenschluß der beiden Medienkonzerne Springer eine marktbeherrschende Stellung gebracht hätte. Medienexperten kritisierten jedoch diese Entscheidung der deutschen Wettbewerbshüter – wird doch gerade der internationale Nachrichtenmarkt von einigen wenigen Agenturriesen beherrscht. Denn in Zeiten von Arbeitsplatzabbau, Medienkrise und Auslagerungen verzichten viele Zeitungen und Sender auf eigene Korrespondenten. Die Ware Nachricht wird eingekauft. Ein überwältigender Teil des Weltnachrichtenmarktes wird durch wenige Mega-Nachrichtenagenturen kontrolliert: Associated Press (AP, USA), Reuters (Großbritannien) und Agence France Presse (AFP, Frankreich). In Deutschland nimmt die Deutsche Presse Agentur (DPA) die wichtigste Rolle ein. Die „großen Vier“ des Westens produzieren täglich zusammen mehr als dreißig Millionen Wörter – die Hälfte davon allein die US-Agentur AP. Deutlich kleiner sind AFP, Reuters und DPA. Im Vergleich dazu produzieren etwa die nationalen Agenturen Italiens, Spaniens, Jugoslawiens sowie der eher linke Inter Press Service (IPS; der deutschsprachige IPS-Dienst wurde 1981 mit Hilfe der Friedrich-Ebert-Stiftung gegründet) in Rom zusammen nur etwa eine Million Wörter täglich. Agenturen aus Drittweltländern liegen weit darunter, die Pan-Afrikanische Nachrichtenagentur (Pana) verbreitet gerade einmal 20.000 Wörter pro Tag. Die meisten deutschen Redaktionen werden aber bestenfalls von den „großen Vier“ beliefert. Findige „Sanierer“ sind zudem längst dazu übergegangen, den „Mantel“ – den überregionalen Teil einer Zeitung – aus einer Hand zu gestalten. Der Holtzbrinck-Konzern beispielsweise gibt die Regionalblätter Südkurier, Lausitzer Rundschau, Saarbrücker Zeitung und Trierischer Volksfreund heraus. Hinzu kommt das kränkelnde Berliner Flaggschiff Tagesspiegel. In einem zentralen Berliner Büro werden die Politik- und Wirtschaftsthemen recherchiert, ausgewertet, kommentiert und satzfertig an die Lokalblätter geliefert. Ein paar regionale Themen werden eingestreut – zusammen mit den Lokalredaktionen entstehen so kostengünstige Lokalzeitungen. Noch „gleichgeschalteter“ funktioniert die Sportberichterstattung. Kaum eine Redaktion verzichtet auf das Angebot des Sport-Informations-Dienstes (SID). Heraus kommt der Bericht eines Fußballspiels, der fast wortgleich in hundert Tageszeitungen auftaucht – die Minimalabweichungen sind regionaler Natur. Auch dies ist eine Folge der Medienkonzentration. Erschienen früher fast alle deutschen Tageszeitungen in Eigenregie, so wird der Zeitungskuchen heute unter Großkonzernen aufgeteilt. Riskant wird diese Praxis vor allem, weil wenige Reporter vor Ort bestimmen, was überhaupt zur Nachricht wird. Der politische Nutzen liegt auf der Hand. So weit wie in Italien – wo drei der sechs größten Fernsehsender, mehrere Zeitungen und Magazine zur Fininvest Holding von Silvio Berlusconi gehören – ist es in Deutschland noch nicht. Dafür hat Italien aber mutigere Journalisten: Starmoderatorin Lucia Annunziata stellte Berlusconi letztes Wochenende im Staatsfernsehen RAI so kritische Fragen, daß der Premier wutentbrannt das TV-Studio verließ – bei ARD, ZDF, RTL & Co. undenkbar. Foto: Springer-Vorstandschef Mathias Döpfner: Die Übernahme der Fernsehkette Pro Sieben-Sat.1 scheiterte am Bundeskartellamt