Herr Kubitschek, in Ihrem Verlag Edition Antaios veröffentlichen Sie im Juni ein Buch zur Geschichte der JUNGE FREIHEIT . Wie kam es dazu?
Kubitschek : Das Buchprojekt, das im Juni zum zwanzigjährigen Bestehen der JUNGE FREIHEIT erscheinen wird, hat mehrere Anläufe genommen. Die Idee zu einem Buch über die Geschichte der JF gab es bereits 2001 zum fünfzehnjährigen Bestehen und dann nochmals 2004 zum zehnjährigen Jubiläum als Wochenzeitung. Beide Male ist viel Material gesichtet und bewegt worden, beide Male habe ich Vorschläge gemacht und die Arbeit unterstützt. Zu einer Verwirklichung des Projektes kam es damals jedoch nicht. Als mich nun im vergangenen Oktober Dieter Stein anrief und um Mitarbeit an einem dritten Versuch bat, sagte ich unter einer Bedingung zu: Das Buchprojekt mußte in die Verantwortung meines Verlags übergehen, also aus dem Räderwerk der Redaktionsarbeit herausgelöst werden.
Nun ist der Schwarze Peter für dieses Mammutwerk also quasi bei Ihnen …
Kubitschek : Das ist kein "Schwarzer Peter". Das Jubiläumsbuch ist bei mir gut aufgehoben, und ich bin mir sicher, daß es in ganz Deutschland keinen Verleger gibt, der die Geschichte der JUNGE FREIHEIT aus eigener Anschauung und Beteiligung besser kennt als ich.
"Grundrechtsbeschneidung ging glatt von der Hand"
Hätten Sie gedacht, daß es im Jahre 2006 – 20 Jahre nach Gründung und im 13. Wochenzeitungsjahrgang – noch ein Problem sein könnte für die JUNGE FREIHEIT , einen Messestand auf der Leipziger Buchmesse durchzuführen?
Kubitschek : In dem Moment, als die Ausladung von der Messe auf meinem Schreibtisch lag, war ich doch verblüfft. Aber wirklich nur für einen Moment. Denn wir alle arbeiten ja ständig in der Erwartung, mehr Aufwand für die Bewältigung des alltäglichen Verlegergeschäfts betreiben zu müssen als andere Verlage und Zeitungen. Warum also sollte die JF ausgerechnet im 20. Jahr ihres Bestehens auf so etwas wie die Einhaltung der Spielregeln setzen können? Und es handelt sich dabei wohlgemerkt um die Spielregeln, auf die zu verweisen unsere Demokratie keine Gelegenheit versäumt: Meinungs- und Pressefreiheit, Fairneß, guter Wille.
Die meisten vergessen offenbar, daß dies Werte sind, die ständig neu erkämpft werden müssen. Der Sieg der JF über die Borniertheit der Messedirektion ist ein Beweis dafür.
Kubitschek : Darüber hinaus hat das Verhalten der Messedirektion auch einige positive Aspekte: Zum einen gerät man nicht in die Gefahr, seinen Frieden mit den Zuständen im Lande zu machen. Zum anderen kann man sehen, wer im Zweifelsfall zur Fahne steht: Man kann seine Leute mobilisieren, denn es gibt etwas auszufechten. Zum dritten wird am Gemeinschaftsstand der JF und meines Verlags in Leipzig aufgrund des ganzen Trubels sicher eine Menge los sein.
Inwiefern ist dieser Leipziger Messeskandal – also die zunächst politisch motivierte Ausladung der JF und die Rücknahme der Ausladung aufgrund eines Prominenten-Appells – typisch für den Zustand unserer Gesellschaft?
Kubitschek : Das Verhalten der Messedirektion ist der Offenbarungseid einer Funktionselite. Ich unterstelle den Verantwortlichen keine Bosheit, ich erkläre ihr Verhalten mit Reflexen und mit Faulheit. Der Reflex: Das ist die innere Stimme, die einem nahelegt, einer unbequemen Zeitung, die von rechts kommt, einfach die Grundrechte zu verweigern. Die Faulheit kennzeichnet den Moment, in dem der Entscheidungsträger dem Reflex nachgibt, ohne einen gründlichen, prüfenden Blick auf den Vorgang zu werfen. Konkret: Die Messe argumentierte stets damit, daß die geplanten Jubiläumsveranstaltungen der JF die geordnete Durchführung der Buchmesse stören würde. Diese Bewertung, zu der man gelangen kann, müßte eigentlich zu einer ganz simplen Handlung führen: Man versammelt die Verantwortlichen von Messe und JF an einem Tisch und berät, ob durch eine Absage der Veranstaltungen oder durch eine Verlegung des Veranstaltungsorts das Problem gelöst werden könnte. Für einen solchen Schritt jedoch war die Messeleitung zu bequem und natürlich zu selbstsicher: Die Beschneidung eines Grundrechts ging ihr glatt von der Hand, dazu bedurfte es keiner komplizierten Gespräche, sondern des Dreizeilers einer Sekretärin. Und des Beifalls der Öffentlichkeit schien sie sich angesichts der "rechten" JF sicher sein zu können. Aber die Messeleitung hat sich gründlich getäuscht und wohl deshalb auch so dilettantisch und amateurhaft agiert.
Und das ist typisch für unsere Gesellschaft?
Kubitschek : Ja. Die Vorstellung, man könne anstrengungslos durchs Leben gehen, ist schließlich Leitmotiv unserer Zeit. Unser Land ist kein lebhaftes Land, kein Land, in dem die grundsätzliche Auseinandersetzung als etwas Notwendiges begriffen und gepflegt würde. Die entscheidenden Diskussionen sind formiert. In den meisten Talkshows wird anstrengungslos über irgend etwas parliert, und wehe, da kommt einer und wagt ein ketzerisches Wort oder auch nur einen weniger schwatzhaften Ton!
"Leipzig ist eine typische Episode in der JF-Geschichte"
Die JF, die keine Anstrengung scheut, wird also mit Ausgrenzungsversuchen wie jenem in Leipzig auch weiterhin leben müssen?
Kubitschek : Ja, mit Sicherheit. Leipzig war und ist eine typische Episode in der Geschichte der JF. Ich bin mir sogar sicher, daß die wirklich harten Auseinandersetzungen erst noch kommen.
Angesichts einer solchen Beurteilung dürfte es nicht schwerfallen, einen roten Faden für Ihre Geschichte der JF zu finden.
Kubitschek : Der Kampf der JF um die Pressefreiheit ist eines der Leitmotive des Buchs. Es gibt aber auch andere: Die JF hat wichtige Debatten angestoßen, interne Auseinandersetzungen über die Richtung der Zeitung erlebt und vor allem eine Schülerzeitung zu einem professionellen Blatt entwickelt.
Welche Bilanz ziehen Sie nach 20 Jahren JF?
Kubitschek : Ich sage es einmal vorsichtig: Die JF ist bei aller Professionalisierung "unterscheidbar" geblieben. Wir lesen und veröffentlichen in ihr Sachverhalte und Blickrichtungen, die in anderen Zeitungen so nicht zu finden sind. Diesen Weg muß die JF unbedingt weiter beschreiten. Austauschbar zu werden, wäre ihr Tod.
"Die Fassade, in der wir wohnen, hat Risse bekommen"
Gibt es denn inzwischen eine "vitale Subkultur", eine neue, selbstbewußte konservative Intellektuellenszene, die das ähnlich sieht wie Sie?
Kubitschek : Eine vitale Subkultur im geistigen Umfeld der JF vermag ich nicht zu erkennen, und das ist meine größte Sorge. Denn die Zeit für ein Gegen-68, für eine nationalbewußte Rebellion der Schüler und Studenten ist günstig. Ich kann das hier nicht ausführen, aber die Fassade, in der wir alle leben müssen, hat Risse bekommen. Meine größte Angst ist nun, daß unser Volk die Kraft für einen gründlichen Umbau seiner politischen Verhältnisse nicht mehr aufbringt. Ich sehe die Hauptaufgabe der JF darin, die Kritik an den Verhältnissen mit aller Macht zuzuspitzen und voranzutreiben. Kritik – und das meint hier: Gegenöffentlichkeit – ist der Beginn jeder Veränderung.
Sie haben die JF nach dem Wochenzeitungsstart zeitweise auch als Mitglied der Redaktion erlebt. Später haben Sie eigene publizistische Projekte gestartet, die Zeitschrift "Sezession" ins Leben gerufen, zusammen mit Karlheinz Weißmann das Institut für Staatspolitik und den Buchverlag Edition Antaios gegründet. Was bedeutet es, in Deutschland Publizistik jenseits des linksliberalen Mainstream zu machen?
Kubitschek : Man verliert alle Illusionen. Man muß sich ständig rechtfertigen, verliert Bekannte, gewinnt Überzeugungen und wird einsam dabei. Man muß mehr tun und verdient weniger als andere. Man ist als Person ständig vollkommen in Frage gestellt und lernt sich selbst genau kennen. Man ist gefährdet und wird mißtrauisch. Man verliert den Respekt vor Hierarchien, man begegnet der Fratze und steht stumm vor der Mauer aus Kautschuk. Und vom "man" zu mir: Ich wollte und könnte in unserer Zeit nicht anders leben, als ich es tue.
Götz Kubitschek (35) ist Verleger (Edition Antaios) und Herausgeber der Zeitschrift "Sezession". Internet: www.edi-tion-antaios.de
Foto: Götz Kubitschek: 20 Jahre JUNGE FREIHEIT – Geschichte einer außergewöhnlichen Zeitung. Edition Antaios, Schnellroda. 280 Seiten, geb., Großformat, 28 Euro. Erscheinen: Juni 2006
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