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Mehr arbeiten und weniger reden

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Georgien – etwa so groß wie Bayern, aber nur 5,4 Millionen Einwoh-ner – war bis 1991 bezogen auf das Pro-Kopf-Einkommen die reichste Republik der UdSSR und galt wegen seiner gesunden Luft und der vielen Heilbäder als „Sanatorium der Sowjetunion“. Und als Transitland für die Erdölleitung Baku-Ceyhan von Aserbaidschan an die türkische Mittelmeerküste gewinnt das Land an strategischer Bedeutung. Doch der einstige Glanz ist durch die kriegerischen Auseinandersetzungen um Abchasien und Südossetien während der neunziger Jahre erloschen, das Pro-Kopf-Einkommen sank unter dem autokratischen Präsidenten Eduard Schewardnadse um mehr als 70 Prozent, die Städte sind nach wie vor voll von Flüchtlingen aus Abchasien oder Tschetschenien. Kann Ex-Oppositionsführer Michail Saakaschwili, am 4. Januar zum Präsidenten gewählt, das Land aus der Katastrophe führen und die grassierende Korruption eindämmen? In Rußland stieß der Sieg Saakaschwilis auf wenig Begeisterung. „Wir können nicht übersehen, daß eine ganze Reihe seiner Äußerungen anti-russische Elemente enthielten“, sagte der Dumavizechef Oleg Morosow in Moskau und deutete damit schon das erste große Problem Georgiens an: die Beziehungen zum ehemals „Großen Bruder“, also der heutigen Russischen Föderation. Saakaschwili gilt in Moskau als Nationalist und als Mann der USA, deren Nähe aber auch schon Schewardnadse gesucht hatte. Rußland hingegen kann über seine drei Militärstützpunkte in Georgien, die Energiezufuhr und die abtrünnigen Gebiete Druck auf die Regierung in Tiflis (Tblissi) ausüben. Von den Autonomie-Regionen des zersplitterten Vielvölkerstaates Georgien nahm nur Adscharien am Schwarzen Meer an der Abstimmung teil. Selbst der örtliche Machthaber Aslan Abaschidse, der die Adscharen zu einem Boykott der Wahl aufgerufen hatte, gab kurz vor Schließung der Wahllokale seine Stimme ab. In den abgespaltenen Regionen Abchasien und Südossetien fand die Wahl nur in einigen Dörfern mit mehrheitlich georgischer Bevölkerung statt. Der südossetische Präsident Eduard Kokojty erklärte, er erkenne Saakaschwili nicht als Staatschef an. Die Hälfte der Georgier lebt unter dem Existenzminimum Dennoch: vor Tausenden jubelnder Anhänger in der Philharmonie der georgischen Hauptstadt erklärte sich Saakaschwili gleich nach Schließung der Wahllokale zum Sieger. „Jetzt ist die Zeit zum Handeln gekommen“, rief er in die Menge. Er werde bereits in den nächsten Tagen ein Paket mit Gesetzen zur Bekämpfung der Korruption ins Parlament einbringen. Schewardnadse sagte bei der Stimmabgabe, auch er habe für Saakaschwili gestimmt. Saakaschwili sei jung und energisch. „Ich wünsche dem zukünftigen Präsidenten aber, daß er künftig mehr arbeitet und weniger redet,“ fügte der frühere sowjetische Außenminister hinzu. Der in den USA ausgebildete Jurist Saakaschwili gilt als Hoffnungsträger: zu erbärmlich die wirtschaftliche Lage in dem kleinen Land, zu korrupt die Administration. Fast die Hälfte der Georgier lebt unter dem Existenzminimum und verfügt monatlich über nicht einmal umgerechnet 50 Euro. Dabei bleibt Georgien, da es über keine eigene Industrie verfügt, vom Ausland, zum Beispiel von Rußland oder der Türkei abhängig, von wo aus man etwa Strom (den es nur stundenweise gibt) und Fertigprodukte teuer importieren muß. Die eigenen Erzeugnisse wie Tee, Wein oder das berühmte Mineralwasser werfen hingegen kaum Devisen ab. In der Staatskasse klafft ein Loch von mehreren hundert Millionen georgischen Lari (1 Euro entspricht etwa 2,8 Lari): die Steuerverwaltung hat 2003 nur etwa 85 Prozent des Jahres-Solls von 532,25 Millionen Lari eingenommen, der Zoll lediglich 80 Prozent der Summe, die im Budget 2003 vorgesehen war (389,1 Millionen Lari). Vielleicht als Antwort darauf hat die US-Regierung ihre Hilfe auf 27 Millionen US-Dollar aufgestockt, der deutsche Botschafter Uwe Schramm und der georgische Finanzminister Surab Noghaideli unterzeichneten bereits am 18. Dezember zwei Abkommen über die finanzielle Zusammenarbeit zwischen beiden Ländern. Darin sagte die deutsche Bundesregierung Georgien vor allem einen sofort abrufbaren Kredit in Höhe von zwölf Millionen Euro für ein Warenhilfeprogramm zu. Dieser Betrag ermöglicht der neuen georgischen Regierung die kurzfristige Überbrückung der schwierigen Haushaltslage; vor allem die Einfuhr von Strom und Gas, um die Energieversorgung sicherstellen zu können. Die große Mehrheit der Georgier hat weniger als einen Euro täglich zur Verfügung, Rentner müssen mit etwa 20 Eurocent auskommen. Auf Saakaschwili warten also große Aufgaben. „Unser wichtigster Regierungsauftrag besteht jetzt darin, die durch Korruption entstandenen großen Haushaltslöcher zu stopfen“, sagte der 36jährige. „Die Korruption in den Chefetagen muß aufhören.“ Doch eine ganze Reihe von Konflikten und Störfeldern werden auch durch ausländische Akteure verstärkt. Moskau wie Washington haben ihre Interessen in der kaspischen Region. Beide sind zwar an Frieden und Stabilität interessiert – jedoch mit konkurrierenden wirtschaftlichen Interessen. Für die USA geht es um Milliarden: Georgien muß politisch so stabil sein, daß ungefährdet Öl aus dem Kaspischen Raum über die Baku-Ceyhan-Pipeline in Richtung Westen transportiert werden kann. Die US-Regierung stützt mit Milliarden Dollar ein Konsortium, das die wichtige Öl-Pipeline vom Kaspischen Meer über Georgien zum Schwarzen Meer baut. Schon im kommenden Jahr soll durch sie Öl fließen. Für Moskau sind die Staaten im südlichen Kaukasus sogenanntes „nahes Ausland“ – hier gilt es, politisch und wirtschaftlich Einfluß zu erhalten. Moskau wird sich auch in Zukunft kaum aus der Innenpolitik der Staaten im südlichen Kaukasus heraushalten. Es wirft Georgien überdies vor, Einfallstor und Rückzugsgebiet für tschetschenische Kämpfer zu sein. Ein deutlicher Beleg: Rußland wird seine Militärstützpunkte doch nicht – wie im Vertrag über konventionelle Streitkräfte in Europa 1999 vereinbart – bis Jahresende aus Georgien abziehen und unterstützt die Abspaltungswünsche der nördlichen Teilrepublik Abchasien und die der Südosseten. Letztere haben ihrem Wunsch Nachdruck verliehen, der Russischen Föderation beizutreten. Solche Regionalkonflikte bergen Sprengstoff für das Land. Zu Beginn der neunziger Jahre löste der Abchasien-Konflikt einen Bürgerkrieg aus, dessen Spuren auch heute noch unübersehbar sind, beispielsweise auch in der Hauptstadt: in dem riesigen Hochhaushotel „Iveria“ leben auf 30 Stockwerken die Flüchtlinge aus Abchasien.

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