BERLIN. Die Bundestagsfraktionen von Union und SPD haben sich mit den Grünen auf das Schuldenpaket verständigen können. „Ich bin sowohl in der Sache als auch mit dem Ergebnis sehr zufrieden“, sagte CDU-Parteichef Friedrich Merz im Bundestag. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt sprach von einem „ausgezeichneten Ergebnis für unsere parlamentarische Demokratie“. Die Unionsfraktion habe dem Paket einstimmig zugestimmt.
Darauf haben Union, SPD und Grüne sich geeinigt:
- Zusätzlichkeit der Investitionen: Ausgaben aus dem neuen Sondervermögen müssen tatsächlich zusätzliche Investitionen in Klimaschutz, Infrastruktur und Wirtschaft sein – keine Umwidmung für Steuersenkungen.
- Klimaneutralität bis 2045: Das Ziel der Klimaneutralität wird erstmals explizit ins Grundgesetz aufgenommen. Das Sondervermögen dient Investitionen in Infrastruktur zur Erreichung dieses Ziels.
- 100 Milliarden für den Klima- und Transformationsfonds (KTF): Diese Mittel werden direkt für Klimaschutzprojekte genutzt, und die Kosten der EEG-Umlage werden nicht aus dem KTF, sondern aus dem Kernbundeshaushalt gedeckt.
- Erweiterter Sicherheitsbegriff: Verteidigungsausgaben umfassen nicht nur die Bundeswehr, sondern auch Zivil- und Bevölkerungsschutz, Cybersicherheit, Nachrichtendienste und Unterstützung für völkerrechtswidrig angegriffene Staaten.
- Erhöhte Unterstützung für die Ukraine: Der Bundestag wird nächste Woche zusätzlich drei Milliarden Euro für die Ukraine freigeben.
- Beteiligung der Bundesländer: Die Länder werden in die Investitionsstrategien einbezogen, insbesondere für Wärmenetze und andere Energienetze zur Unterstützung der Klimaneutralität.
- Forderung nach Reform der Schuldenbremse: Ein Entschließungsantrag im Bundestag soll eine Expertenkommission einsetzen, die bis Ende 2025 eine Reform der Schuldenbremse erarbeiten soll.
Grüne setzen sich mit Forderungen durch
Die Grünen konnten sich bei drei Punkten durchsetzen. Der Klima- und Transformationsfonds wird auf 100 Milliarden Euro erhöht, finanziert aus dem 500-Milliarden-Euro-Sondervermögen für Infrastruktur. Merz hatte den Grünen am Donnerstag zunächst 50 Milliarden Euro angeboten. „Was wollen Sie eigentlich in so kurzer Zeit noch mehr?“, fragte der Kanzler in spe im Bundestag.
Weiter unterliegt das Sondervermögen für Infrastruktur nun dem Prinzip der „Zusätzlichkeit“. Das bedeutet, daß keine bereits laufenden Projekte oder Konsumausgaben daraus finanziert werden dürfen, es sei denn, sie überschreiten zehn Prozent des dafür vorgesehenen Budgets. Dadurch wollen die Grünen Steuererleichterungen ausschließen.
Bei den Verteidigungsausgaben wird nun ein erweiterter Sicherheitsbegriff angewendet. Die Lockerung der Schuldenbremse betrifft somit nicht nur Verteidigungsausgaben, sondern auf Druck der Grünen auch Ausgaben in Bereichen wie Cybersicherheit, Zivil- und Bevölkerungsschutz, Nachrichtendienste sowie die Unterstützung für völkerrechtswidrig angegriffene Staaten.
Merz: „Deutschland ist zurück.“
Diese Einigung bezeichnete Merz als „klare Botschaft an unsere Partner und Freunde“ sowie feindliche Staaten. „Wir sind verteidigungsfähig und wir sind verteidigungsbereit“, verkündete Merz. „Deutschland ist zurück.“
Vor der offiziellen Bekanntgabe, bedankte Merz sich bei den Vorsitzenden der Grünen-Bundestagsfraktion Britta Haßelmann und Katharina Dröge, dem SPD-Parteichef Lars Klingbeil und CSU-Landesgruppenleiter Dobrindt. „Wir fünf“ hätten in den vergangenen Wochen „viel gerungen“, betonte Merz. Zuletzt seien in der Nacht und am Vormittag „anspruchsvolle und anständige Gespräche“ geführt worden. Die SPD-Bundesvorsitzende Saskia Esken nannte Merz nicht.
Trotz der historischen Schuldeneinigung wolle Merz sparen. „Wir werden weiter konsolidieren müssen“, so der CDU-Vorsitzende. Er rechnete vor: 500 Milliarden Euro über zwölf Jahre sind 40 Milliarden Euro pro Jahr. Das gebe dem Bundestag nur bedingt finanziellen Spielraum.
Grünen-Fraktion noch nicht geschlossen an Bord
Wird die Bundestagsfraktion der Grünen geschlossen zustimmen? Unklar. „Wir haben noch keine Probeabstimmung gemacht“, gab die Fraktionsvorsitzende Katharina Dröge zu. Dies werde bei einer ordentlichen Fraktionssitzung noch geschehen. Grünen-Co-Fraktionsvorsitzende Britta Haßelmann ergänzte: „Wir hatten sehr sehr viel Unterstützung in der Debatte.“ Sie sei daher optimistisch.
Grundsätzlich würde die Fraktion weiterhin eine „grundsätzliche Reform der Schuldenbremse“ anstreben. „Wir als Grüne werden in der kommenden Legislaturperiode in der Opposition sein.“ Allerdings sei der Klima- und Transformationsfonds nun gut aufgestellt, so daß ein künftiger Wirtschaftsminister richtig handeln könne. „Nehmen Sie Ihre Verantwortung wahr, werden Sie dem Klimaschutz gerecht“, appellierte Dröge im Namen der Grünen.
Esken nicht an Verhandlung beteiligt gewesen
Lars Klingbeil trat für die SPD allein vor die Presse. Er sei „sehr zufrieden mit der Einigung“. Dafür hätte er mit Merz, Dobrindt, Haßelmann und Dröge bis in die frühen Morgenstunden verhandelt. Klingbeil: „Ein Ergebnis, mit dem ich zufrieden bin.“ Der SPD-Chef betonte, es sei ein wichtiges Symbol an den russischen Präsidenten Wladimir Putin und den amerikanischen Präsidenten Donald Trump. Die SPD stehe „hinter diesem Paket“ versicherte Klingbeil. In der Fraktion habe er eine „breite Zustimmung“ erhalten.
Dingfest soll die Einigung am Sonntag im Haushaltsausschuß des Bundestages gemacht werden. Dies sei der Tatsache geschuldet, daß Schwarz-Rot-Grün den Abgeordneten „Beratungszeit ausdrücklich geben wollen“, sagte Dobrindt. Über eine geänderte Vorlage soll dann am Dienstag im Bundestag abgestimmt werden. Damit hofft das schwarz-rot-grüne Schuldenbündnis wohl, eine negative Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu vermeiden. AfD und Linkspartei hatten Klagen gegen die kurze Beratungszeit eingereicht. (sv)