Am 7. März dieses Jahres schlägt die Nachricht ein wie eine Bombe. Einer der größten Athleten des 20. Jahrhunderts will es in seinen späten Fünfzigern noch einmal wissen – gegen einen aufmüpfigen und unbeliebten Quereinsteiger. Mike Tyson gegen Jake Paul auf Netflix, ein Pflichttermin für Sportbegeisterte.
Seitdem kursierten immer wieder Clips von beiden Parteien, die Lust auf mehr machten. Mike Tyson ist immer noch eine Naturgewalt, wenn er im „peak-a-boo“ („guck her“, oder auch „durchsichtig“)-Stil seinen Oberkörper von links nach rechts bewegend auf seinen Trainer zuläuft und dann die Pratzen bearbeitet – bam bam bam.
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Jake Paul dagegen ist 27 und damit im besten Alter, gab aber erst 2020 sein Debüt als Boxer. Bekannt wurde er als YouTuber, der auf Schock und Kontroversen setzt. Schlechtes Benehmen, Vandalismus, Brandstiftung. Das brachte ihm mehr als 20 Millionen Abonnenten, viel Geld und zweifelhaften Ruhm.
Tyson wirkt müde, Paul klammert und gewinnt
Man kann ihm nicht absprechen, hart an seiner Kredibilität als Boxer zu arbeiten, Paul veröffentlicht regelmäßig Trainingsvideos und kann es sich leisten, wie ein Profi zu trainieren: Vollzeit mit den besten Trainern und – möglicherweise – auch gewissen Substanzen.
Dennoch: die meisten Liebhaber des Sports waren eindeutig für die Legende Tyson, der außerhalb des Rings in Interviews sympathisch und nachdenklich wirkt. Wie einer, der viel erlebt hat. Doch daraus wurde nichts. Nicht nur, weil Iron Mike von Sekunde eins an nicht richtig fit wirkt und das Problemkind Paul mit viel Bewegung und Klammern den fünffachen Weltmeister und bekennenden Trump-Freund müde macht und schlußendlich nach Punkten über die vollen Runden eindeutig siegt. Auch Netflix hatte etwas gegen einen Ablauf nach Wunsch.
Netflix blamiert sich bis auf die Knochen
Samstag gegen sechs Uhr morgens deutscher Zeit beginnt der Kampf – für die Zuschauer am Bildschirm jedoch nicht. Viele Nutzer sehen kein Bild, Ladezeiten laufen ins Nirvana. Einige erblicken lediglich unscharfe Pixel, andere können sich gar nicht erst in ihrem Netflix-Account anmelden. Da bezahlt ein Unternehmen mehreren Medienberichten zufolge insgesamt etwa 70 Millionen US-Dollar alleine an Gage für einen passionierten Halbprofi und einen Rentner für 16 Minuten besseres Sparring – und dann streikt die Technik.
Einige Nutzer auf X machen ihrem Ärger Unmut, teilen spöttische Memes. Für den Streamingdienst wird das Riesen-Event zum PR-Desaster. Die Mehrheit der Kommentatoren im Internet gönnt zudem Paul den Punktsieg gegen einen fast 30 Jahre älteren Gegner nicht. Manche fragen, wann er gegen Silvester Stallone oder Joe Biden in den Ring steigen wolle.
Am Ende verliert der Boxsport
Zurück bleibt das Gefühl, daß die ganze Chose außer Jake Pauls und Mike Tysons Kontostand nur Verlierer kennt: Da wäre der Ruf des Boxsports, wenn ein dermaßen groß aufgefahrenes Event mit so vielen Showeinlagen – inklusive Tyson-Ohrfeige beim Wiegen, nachdem sein Kontrahent ihm absichtlich auf den Fuß getreten ist – sportlich so dünn daherkommt. Zum anderen natürlich Netflix.
Jeder halbwegs seriöse Sportverband wird sich künftig zweimal überlegen, mit dem Konzern Geschäfte zu machen. Und nicht zu vergessen: alle hoffnungsvollen Sportfans in Europa, die dafür am Wochenende früh aufgestanden sind.